Hashimoto-Thyreoiditis – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Hashimoto-Thyreoiditis (auch bekannt als Autoimmunthyreoiditis oder AIT) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, bei der das Immunsystem das eigene Schilddrüsengewebe angreift. Dieser Prozess führt zu einer fortschreitenden Zerstörung des Schilddrüsengewebes und kann langfristig eine Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) verursachen.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
- Autoimmunreaktion: Die Erkrankung ist primär durch eine T-Zell-vermittelte Immunantwort gekennzeichnet. T-Lymphozyten erkennen irrtümlicherweise das Schilddrüsengewebe als fremd und lösen eine Entzündungsreaktion aus. Dadurch werden Lymphozyten (Untergruppe der weißen Blutkörperchen) in das Schilddrüsengewebe rekrutiert, was zu einer Infiltration führt.
- Atrophie der Follikel: Die Follikel (Bläschen, in denen Schilddrüsenhormone in inaktiver Form als Kolloid gespeichert werden) werden durch den fortlaufenden Angriff der Immunzellen zerstört. Dies führt zu einer Rückbildung (Atrophie) der Follikel und einer verminderten Produktion von Schilddrüsenhormonen.
- Fibrosierung: Durch die chronische Entzündungsreaktion kommt es zur Fibrosierung (Umwandlung des spezialisierten Gewebes in Bindegewebe). Dies verändert die Struktur der Schilddrüse und beeinträchtigt ihre Funktion langfristig.
- Antikörperbildung: Ein charakteristisches Merkmal der Hashimoto-Thyreoiditis ist das Vorhandensein von Antikörpern gegen verschiedene Schilddrüsenstrukturen. Die häufigsten sind:
- Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO-Ak): Diese Antikörper richten sich gegen das Enzym Thyreoperoxidase, das für die Synthese der Schilddrüsenhormone essenziell ist.
- Thyreoglobulin-Antikörper (TG-Ak): Diese Antikörper sind gegen Thyreoglobulin gerichtet, ein Protein, das in der Schilddrüse als Vorstufe der Schilddrüsenhormone fungiert.
Sekundäre pathophysiologische Mechanismen
- Hypothyreose: Mit der fortschreitenden Zerstörung der Schilddrüsenfollikel und der Verringerung der Hormonproduktion entwickelt sich eine Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion). Dies führt zu einer Verlangsamung des Stoffwechsels und einer Vielzahl von Symptomen wie Müdigkeit, Gewichtszunahme, Kälteempfindlichkeit und Konzentrationsstörungen.
- Entzündungsreaktionen: Die anhaltende Immunreaktion löst eine chronische Entzündung in der Schilddrüse aus, was zu einer weiteren Gewebsschädigung und zur Progression der Krankheit führt.
Klinische Manifestation
- Leitsymptome:
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit: Durch die verringerte Produktion von Schilddrüsenhormonen wird der Stoffwechsel verlangsamt, was zu chronischer Müdigkeit führt.
- Gewichtszunahme: Eine reduzierte Schilddrüsenfunktion verlangsamt den Energieverbrauch und führt häufig zu Gewichtszunahme.
- Kälteempfindlichkeit: Patienten mit Hypothyreose haben oft eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Kälte, da der Stoffwechsel und die Wärmeproduktion reduziert sind.
- Fortgeschrittene Symptome:
- Trockene Haut und brüchige Nägel: Durch den verringerten Stoffwechsel leidet die Haut unter mangelnder Feuchtigkeitsversorgung, was zu Trockenheit führt.
- Depressionen und kognitive Störungen: Die Schilddrüsenhormone beeinflussen auch das zentrale Nervensystem. Eine Schilddrüsenunterfunktion kann daher zu psychischen Symptomen wie Depressionen und Konzentrationsproblemen führen.
- Vergrößerte Schilddrüse (Struma): Trotz der fortschreitenden Zerstörung des Schilddrüsengewebes kann es in frühen Stadien zu einer Schilddrüsenvergrößerung kommen, bedingt durch die kompensatorische Überproduktion von Thyreoidea-stimulierendem Hormon (TSH; Schilddrüsenstimulierendes Hormon).
Progression und Organbeteiligung
- Chronische Entzündung: Die persistierende Entzündungsreaktion in der Schilddrüse führt zu einer fortschreitenden Atrophie und Fibrosierung, was letztlich zur vollständigen Zerstörung des funktionellen Schilddrüsengewebes führen kann.
- Systemische Auswirkungen: Da die Schilddrüse eine zentrale Rolle im Stoffwechsel spielt, hat ihre Dysfunktion Auswirkungen auf den gesamten Organismus, insbesondere auf das Herz-Kreislauf-System, das Nervensystem und den Verdauungstrakt.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
- Funktionsverlust der Schilddrüse: Die anhaltende Zerstörung des Schilddrüsengewebes führt zu einem irreversiblen Verlust der Schilddrüsenfunktion und damit zu einer dauerhaften Hypothyreose, die eine lebenslange Substitutionstherapie mit Schilddrüsenhormonen erforderlich macht.
- Strukturelle Veränderungen: Im Verlauf der Krankheit kommt es zu einer Verhärtung und Verkleinerung der Schilddrüse durch Fibrosierung, was eine normale Funktion der Schilddrüse unmöglich macht.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
- Kompensatorische Überproduktion von TSH: In den frühen Stadien der Krankheit versucht der Körper, die verringerte Produktion von Schilddrüsenhormonen durch eine gesteigerte Ausschüttung von Thyreoidea-stimulierendem Hormon (TSH) aus der Hypophyse zu kompensieren. Dies kann kurzfristig eine Vergrößerung der Schilddrüse (Struma) bewirken.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Schilddrüse angreift. Im Verlauf der Krankheit kommt es zu einer fortschreitenden Zerstörung des Schilddrüsengewebes, die durch eine Autoimmunreaktion, die Infiltration mit Lymphozyten, die Atrophie der Follikel und eine Fibrosierung gekennzeichnet ist. Die daraus resultierende Hypothyreose hat weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Körper und erfordert eine lebenslange Behandlung. Die frühzeitige Diagnose und Therapie sind entscheidend, um die Krankheitssymptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Jodversorgung – Eine übermäßige Jodzufuhr, insbesondere durch Nahrungsergänzungsmittel oder jodreiche Diäten, kann bei genetischer Veranlagung die Autoimmunität gegenüber der Schilddrüsenzellen verstärken [1].
- Selenmangel – Selen ist essenziell für die Schilddrüsengesundheit. Ein Mangel kann die antioxidativen Mechanismen der Schilddrüsenzellen beeinträchtigen und somit die Autoimmunreaktion fördern.
- Vitamin-D-Mangel – Niedrige Vitamin-D-Spiegel wurden mit einem erhöhten Risiko für autoimmune Schilddrüsenerkrankungen in Verbindung gebracht.
- Mikronährstoffmangel – Eine unzureichende Versorgung mit Eisen und Zink kann die Funktion der Schilddrüsenzellen beeinträchtigen.
- Genussmittelkonsum
- Rauchen – Tabakkonsum wurde mit einer erhöhten Anfälligkeit für autoimmune Schilddrüsenerkrankungen assoziiert.
- Alkoholkonsum – Übermäßiger Alkoholkonsum kann die Immunregulation negativ beeinflussen und entzündliche Prozesse fördern.
- Psycho-soziale Situation
- Stress – Chronischer emotionaler oder körperlicher Stress kann das Immunsystem dysregulieren und autoimmune Prozesse ankurbeln.
Krankheitsbedingte Ursachen
- Diabetes mellitus Typ 1 (Risiko ca. 40 %)
- Hepatitis C
Literatur
- Tanda ML et al.: Thyroid autoimmunity and environment. Horm Metab Res 2009 Jun;41(6):436-42. doi: 10.1055/s-0029-1215568. Epub 2009 Apr 2.