Spina bifida ("offener Rücken") – Operative Therapie

Postnatale operative Maßnahmen

Spina bifida aperta (SBA; "offener Rücken":

  • Die Zele (blasenartige Vorwölbung; Bruchsack) wird unter Schonung des Nervengewebes umschnitten.
  • Das freiliegende Rückenmark wird behutsam in den Spinalkanal zurückverlagert.
  • Verschluss des Spinalkanals mittels Faszienlappen.
  • Der Wundverschluss erfolgt schichtweise oder durch plastische Deckung.

Myelomeningozele (hernienartige Fehlbildung des Rückenmarks, der Rückenmarkshaut und der Wirbelsäule):

  • Aufgrund des hohen Infektionsrisikos für das Rückenmark ist ein operativer Verschluss unmittelbar nach der Geburt erforderlich.

Hydrocephalus (Wasserkopf):

  • Anlage eines ventrikuloperitonealen Shunts („VP-Shunt“), um den Liquor (Hirnflüssigkeit) vom Gehirn in das Abdomen (Bauchhöhle) abzuleiten.

Miktionsstörungen (neurogene Blase; Blasenentleerungsstörung):
Folgende operative Verfahren können angewendet werden:

  • Detrusorhypertrophie(Verdickung der Blasenmuskulatur):
    • Denervierung: Trennung des Detrusors von zugehörigen Nervenbahnen.
    • Blasenaugmentation: Vergrößerung des Blasenvolumens.
    • Rhizotomie: Operative Durchtrennung einer Nervenwurzel.
  • Sphinkter externus-Spastik:
    • Inzision des Sphinkter externus.
    • Stentimplantation zur Erweiterung des Schließmuskels.
    • Injektion von Botulinustoxin in den Sphinkter.

Zeitlicher Rahmen:
Die erforderlichen operativen Eingriffe sollten vor der Einschulung abgeschlossen sein.

Pränatale Therapie der Spina bifida aperta

Hintergrund:
Die intrauterine Defektdeckung zielt darauf ab, die Schädigung des neuronalen Gewebes zu minimieren und die Shunt-Bedürftigkeit sowie motorische Funktionseinschränkungen zu verbessern.

Evidenz:

  • Die MOMS-Studie zeigte eine Reduktion der Shunt-Bedürftigkeit von 82 % auf 40 % durch pränatale Therapie.
  • Verbesserung der motorischen Funktionen, sodass 42 % der intrauterin operierten Kinder nach 30 Monaten frei laufen konnten (vs. 21 % postnatal operierte) [1].

Operationsmethoden:

  1. Hysterotomie-assistierter Verschluss:
    • Zugang über Unterbauchquerlaparotomie und Hysterotomie (operative Öffnung der Gebärmutter (Uterus), meist von der Bauchhöhle aus).
    • Verschluss des Neuralrohrdefekts durch mehrschichtige plastische Deckung.
  2. Perkutan-fetoskopischer Verschluss:
    • Minimal-invasives Verfahren mit Zugang über kleine Ports.
    • Verschluss durch ein- oder zweischichtige Patchtechnik.
  3. Laparotomie-assistierter fetoskopischer Verschluss (Hybridverfahren):
    • Kombination aus Laparotomie und fetoskopischem Zugang.
    • Ermöglicht optimale Platzierung der Ports und stabile fetale Positionierung.

Zeitpunkt der Operation:

  • Üblich zwischen der 19. und 26. Schwangerschaftswoche.

Komplikationen:

  • Frühgeburtlichkeit.
  • Vorzeitiger Blasensprung
  • Plazentalösung

Langzeitergebnisse:

  • Verbesserung der motorischen Funktion.
  • Reduktion der Shunt-Bedürftigkeit.
  • Bisher unzureichende Daten zu Langzeiteffekten über das Jugendalter hinaus.

Schlussfolgerung

Die intrauterine Therapie der Spina bifida aperta bietet im Vergleich zur postnatalen Versorgung signifikante Vorteile hinsichtlich der motorischen Funktion und Shunt-Bedürftigkeit. Gleichzeitig bestehen jedoch erhebliche Risiken, insbesondere für die Mutter. Die Entscheidung für oder gegen eine pränatale Therapie erfordert eine umfassende interdisziplinäre Beratung unter Einbezug aller relevanten Aspekte und möglichen Komplikationen.

Literatur

  1. Adzick NS, Thom EA, Spong CY, et al.: A randomized trial of prenatal versus postnatal repair of myelomeningocele. N Engl J Med 2011; 364: 993–1004. doi: 10.1056/NEJMoa1014379.