Schleudertrauma – Einleitung

Das Schleudertrauma, auch als Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) bezeichnet, beschreibt eine Verletzung der Weichteile im Bereich der Halswirbelsäule infolge einer plötzlichen Beschleunigungs- und Verzögerungskraft. Diese Kräfte führen zu einer Überstreckung und anschließenden Überbeugung des Kopfes.

Thesaurus-Synonyme und ICD-10: Atlantoaxiale Distorsion; Atlantoaxiale Verstauchung; Atlantoaxiale Zerrung; Atlantookzipitale Distorsion; Atlantookzipitale Verstauchung; Atlantookzipitale Zerrung; Atlasdistorsion; Distorsion der Halswirbelsäule; Distorsion des zervikalen Ligamentum longitudinale anterius; Frischer traumatischer Torticollis a.n.k.; Halswirbelsäulenschleudertrauma; Halswirbelverletzung; HWS-Distorsion; HWS-Schleudertrauma; HWS-Verstauchung; HWS-Zerrung; Nackenzerrung mit Blockierung; Peitschenhieb-Syndrom; Schleudertrauma; Stauchung der Halswirbelsäule; Verstauchung des Atlantoaxialgelenks; Verstauchung des Atlantookzipitalgelenks; Verstauchung des zervikalen Ligamentum longitudinale anterius; Whiplash-Verletzung; Windschutzscheiben-Syndrom; Zerrung des Atlantoaxialgelenks; Zerrung des Atlantookzipitalgelenks; Zerrung des zervikalen Ligamentum longitudinale anterius; Zervikale Distorsion; Zervikodorsale Distorsion; Zervikothorakale Distorsion; ICD-10-GM S13.4: Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule

Ein Schleudertrauma tritt häufig bei Verkehrsunfällen auf. Hier kommt es zu einer Beschleunigung und Überstreckung des Kopfes, meist bei Heck- oder Seitenaufprall-Verkehrsunfällen. 

Aber auch Sprünge aus großer Höhe ins flache Gewässer oder Verletzungen beim Kampfsport können ein Schleudertrauma verursachen.

Formen der Erkrankung

Das HWS-Trauma kann wie folgt eingeteilt werden:

  • Grad 1: HWS-Distorsion ohne neurologische Symptomatik
  • Grad 2: Muskelzerrungen, Gelenkkapselrisse, retropharyngeales Hämatom (hinter dem Rachen gelegener Bluterguss); keine neurologischen Symptome
  • Grad 3: Frakturen, Luxationen, Bandscheibenriss, Bandrupturen (Bandriss) mit neurologischer Symptomatik

Eine weitere Einteilung berücksichtigt die Dauer der Beschwerden:

  • Akute Verletzungen oder Beschwerden: < 6 Monate
  • Chronische Beschwerden: > 6 Monate

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Beide Geschlechter sind gleichermaßen betroffen. Frauen berichten jedoch häufiger über länger anhaltende Symptome nach einem Schleudertrauma als Männer.

Häufigkeitsgipfel: Schleudertraumata treten häufig bei Verkehrsunfällen auf, insbesondere bei Heck- oder Seitenaufprallkollisionen. Die meisten Fälle werden bei Personen im mittleren Erwachsenenalter dokumentiert.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Rund 80 % der Opfer von Pkw-Verkehrsunfällen erleiden eine HWS-Beschleunigungsverletzung [1].

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Die Inzidenz beträgt 100-400 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).

Verlauf und Prognose

Verlauf

In der Regel heilt ein Schleudertrauma folgenlos aus. Die Behandlung erfolgt meistens konservativ, wobei zunächst eine kurzzeitige Immobilisierung und anschließend eine aktivierende Therapie durchgeführt wird. Der Patient sollte aktiv in die Therapie einbezogen werden.

  • Akuter Verlauf: Symptome wie Nackenschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindel und eingeschränkte Beweglichkeit treten unmittelbar nach dem Trauma auf und klingen in den meisten Fällen innerhalb weniger Wochen ab.
  • Chronischer Verlauf: In ca. 15-25 % der Fälle kommt es zu einer chronischen Schleudertrauma-Krankheit. Hierbei bestehen die Symptome länger als sechs Monate. Zu den chronischen Symptomen gehören anhaltende Nackenschmerzen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und kognitive Beeinträchtigungen.

Prognose

Die Prognose hängt stark von der Schwere des Traumas und der frühzeitigen, adäquaten Behandlung ab.

  • Günstige Prognose: Etwa 90 bis 95 % der Schleudertraumata werden als leicht bis mäßig eingestuft. Nach sechs Monaten sind 88 % der Patienten beschwerdefrei [2].
  • Ungünstige Prognose: Bei ca. 15-25 % der Betroffenen entwickeln sich chronische Beschwerden. Häufig bestehen bei diesen Patienten Vorerkrankungen der Wirbelsäule, wie z. B. Arthrose. Eine übermäßige Diagnostik und Therapie helfen bei somatoformen Störungen nicht.

Komorbiditäten

Patienten mit schwereren Verläufen des Schleudertraumas können vermehrt unter Depressionen, Angststörungen und anderen psychosomatischen Erkrankungen leiden. Das Vorliegen dieser Komorbiditäten verschlechtert die Prognose und kann die Behandlung erschweren.

Literatur

  1. Evans RW et al.: The postconcussion syndrome and the sequelae of mild head. Neurol Clin. 1992 Nov;10(4):815-47.injury
  2. Suissa S et al.: The relation between initial symptoms and signs and the prognosis of whiplash. Eur Spine J . 2001 Feb;10(1):44-9. doi: 10.1007/s005860000220.

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule. (AWMF-Registernummer: 030-095), August 2020 Langfassung