Osteoporose der Wirbelsäule – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Osteoporose der Wirbelsäule dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie Personen, die unter Osteoporose leiden?
- Gab es in Ihrer Familie Fälle von Hüftfrakturen oder anderen Knochenbrüchen ohne adäquates Trauma (ohne Unfall oder starke Belastung)?
Soziale Anamnese
- Welchen Beruf üben Sie aus? Üben Sie eine sitzende Tätigkeit oder körperliche Schwerarbeit aus, die Ihre Wirbelsäule belasten könnte?
- Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen aufgrund Ihrer familiären oder beruflichen Situation?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Haben Sie Schmerzen? Falls ja: Sind die Schmerzen nach einem leichten Sturz aufgetreten oder spontan entstanden?
- Haben Sie Rückenschmerzen oder Schmerzen in den Knochen? Wo genau treten diese Schmerzen auf? (z. B. Hüfte, Handgelenk, Wirbelsäule)
- Haben Sie jemals einen Knochenbruch an der Wirbelsäule erlitten, insbesondere nach einem Sturz?
- Gab es bei Ihnen wiederholte Wirbelkörperfrakturen?
- Ist Ihnen eine Minderung der Körpergröße aufgefallen? (Verlust von mehr als 4 cm könnte auf Wirbelkörperfrakturen hindeuten)
- Haben Sie eine veränderte Körperhaltung, z. B. eine vermehrte Rundrückenbildung (Kyphose)?
- Haben Sie häufiger Stürze oder Gleichgewichtsprobleme?
- Haben Sie Muskelschmerzen oder -schwäche bemerkt?
- Haben Sie Funktionseinschränkungen des Skeletts oder der Gelenke (z. B. eingeschränkte Beweglichkeit)?
- Treten bei Ihnen neurologische Symptome wie Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Schwäche in den Beinen auf? (Hinweis auf eine mögliche Einengung des Spinalkanals)
- Nehmen Sie Osteoporose-Medikamente (z. B. Bisphosphonate, Denosumab)?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Sind Sie untergewichtig? Geben Sie bitte Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
- Ernähren Sie sich ausgewogen? Essen Sie ausreichend Lebensmittel, die Calcium enthalten (z. B. Milch und Milchprodukte) bzw. essen Sie zu viele Lebensmittel mit einem hohen Anteil an Phosphaten, Oxalsäure (Mangold, Kakaopulver, Spinat, Rhabarber) und Phytinsäure/Phytaten (Getreide und Hülsenfrüchte)?
- Nehmen Sie Vitamin D-Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel) ein?
- Bewegen Sie sich täglich ausreichend?
- Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
- Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
- In welchem Alter sind Sie in die Wechseljahre gekommen (bei Frauen)?
- Haben Sie längere Phasen körperlicher Inaktivität (z. B. Bettlägerigkeit) hinter sich?
Eigenanamnese inkl. Medikamentenanamnese
- Vorerkrankungen: Leiden Sie an Erkrankungen der Knochen oder Gelenke (z. B. Osteopenie, Osteoporose, Wirbelkörperfrakturen)? Haben Sie Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes, Schilddrüsenfunktionsstörungen), Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn, Zöliakie), Lungenerkrankungen (z. B. COPD) oder andere chronische Erkrankungen, die Ihre Knochengesundheit beeinflussen könnten?
- Operationen: Haben Sie in der Vergangenheit Operationen an der Wirbelsäule oder den Knochen gehabt?
- Allergien: Sind Ihnen Nahrungsmittelallergien bekannt (insbesondere Milchzuckerunverträglichkeit/Lactoseintoleranz, die eine ausreichende Calciumaufnahme erschwert)?
- Schwangerschaften: Haben Sie Schwangerschaften durchgemacht und wie verlief die postnatale Phase (z. B. Calcium- und Vitamin-D-Mangel)?
Medikamentenanamnese
- Aluminiumhaltige Medikamente
- Antazida
- Phosphathaltige Antazida
- Antibiotika
- Aminoglycoside (Neomycin)
- Chloramphenicol
- Sulfonamide
- Antidepressiva
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
- Antidiabetika
- Glitazone bei Frauen (Umstellung auf andere Antidiabetika)
- Antikonvulsiva/Antiepileptika (Carbamazepin, Diazepam, Gabapentin, Lamotrigin, Lamictal, Levetiracetam, Phenobarbital, Phenytoin, Valproinsäure)
- Antikoagulantien
- Heparin – bei längerfristiger Therapie
- Kumarinderivate (Vitamin-K-Antagonisten, VKA) [Langzeittherapie (> 12 Monate) mit einem Kumarinderivat ist ein unabhängiger Risikofaktor für osteoporotische Frakturen]
- niedermolekulare Heparine (NMH) – Certoparin, Dalteparin, Enoxaparin, Nadroparin, Reviparin, Tinzaparin)
- Schilddrüsenhormone
- synthetische Heparin-Analoga (Fondaparinux)
- unfraktioniertes Heparin (UFH)
- Antivirale Therapie
- Proteaseinhibitoren
- Barbiturate
- Benzodiazepine
- Cortison
- Dicumarol
- Diuretika
- Schleifendiuretika
- Gallensäurenadsorbenz (Colestyramin)
- Hormone
- Antiandrogene (Cyproteronacetat (6-Chlor-1α,2α-methylen-17-acetoxy-pregna-4,6-dien-3,20-dion), Flutamid)
- Antiöstrogene (Tamoxifen)
- Aromatasehemmer (Anastrozol, Exemestan, Letrozol)
- Glucocorticoide /Steroidtherapie (Budenosid, Cortisol, Fluticason, Prednisolon) [> 3 Monate 7,5 mg Prednisonäquivalent pro Tag; Knochenverlust ist besonders hoch in den ersten 6-12 Monaten; gilt sowohl für die oralen als auch für die inhalativen Steroide]
Beachte: Auch unter topischen Corticosteroiden (TCS; Lokaltherapie mit Corticosteroiden) steigt dosisabhängig das Risiko für Osteoporose und osteoporosebedingte Frakturen (Knochenbrüche) [4]. - Gonadotropin-releasing-Hormon-Agonisten und Antagonisten (GnRH-Antagonisten)
- Hypophysenhormon-Hemmstoffe
- Schilddrüsenhormone
- Immunsuppressiva – Ciclosporin (Cyclosporin A)
- Laxantien
- Lithium
- Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – Esomeprazol, Lansoprazol, Omeprazol, Pantoprazol, Rabeprazol; durch eine Hypochlorhydrie können Protonenpumpenhemmer die Calciumaufnahme verringern und somit eine Osteoporose verstärken, mit der Folge eines erhöhten Risikos für Schenkelhalsfrakturen [1])
- Statine: ab einer Dosierung von 20 mg für Simvastatin, Atorvastatin und Rosuvastatin [3]
- Thiazolidin [2]
- Zytostatika
Literatur
- Yang YX et al.: Longterm proton pump inibitor therapy and risk of hip fracture. JAMA 296:2947-2953
- Meier C, Kraenzlin ME, Bodmer M, Jick SS, Jick H, Meier CR: Use of thiazolidinediones and fracture risk. Arch Intern Med. 2008 Apr 28;168(8):820-5
- Leutner M et al.: Diagnosis of osteoporosis in statin-treated patients is dose-dependent. Annals of the Rheumatic Diseases 2019;78(12) https://ard.bmj.com/content/early/2019/09/25/annrheumdis-2019-215714.
- Hsieh BJ et al.: Higher cumulative dose of topical corticosteroids is associated with osteoporosis and major osteoporotic fracture: A nationwide case–control study JEADV First published: 20 December 2023 https://doi.org/10.1111/jdv.19697