Morbus Bechterew – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans) ist eine chronisch-entzündliche, systemische Erkrankung, die primär die Wirbelsäule und die sakroiliakalen Gelenke betrifft. Sie gehört zu den sogenannten Spondyloarthritiden. Ein genetischer Zusammenhang wird durch die starke Assoziation mit dem HLA-B27-Antigen unterstützt, jedoch ist die genaue Ursache (Ätiologie) noch nicht vollständig geklärt. Immunvermittelte Mechanismen stehen im Vordergrund der Krankheitsentstehung.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Initialer Pathomechanismus:

  • Genetische Prädisposition: Die Assoziation mit dem HLA-B27-Gen ist stark ausgeprägt, wobei HLA-B27-positiven Patienten ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung der Erkrankung zugeschrieben wird.
  • Immunvermittelte Entzündungsreaktion: Es wird vermutet, dass die Entzündung durch eine fehlgeleitete Immunantwort getriggert wird, die durch Umwelteinflüsse oder möglicherweise durch Infektionserreger angestoßen wird.

Molekulare und zelluläre Veränderungen:

  • T-Zell-vermittelte Entzündung: Eine Aktivierung von T-Lymphozyten (T-Zellen) führt zu einer chronischen Entzündung in den sakroiliakalen Gelenken und entlang der Wirbelsäule.
  • Zytokine und Entzündungsmediatoren: Proinflammatorische Zytokine wie TNF-α (Tumor-Nekrose-Faktor-alpha) und IL-17 (Interleukin-17) spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Entzündungsprozesse und der Schädigung des Gelenkgewebes.

Entwicklung struktureller Veränderungen:

  • Erosionen und Knochenumbau: Die chronische Entzündung führt zu Erosionen des subchondralen Knochens, insbesondere an den Gelenken der Wirbelsäule und den sakroiliakalen Gelenken.
  • Ossifikation und Verknöcherung: Im weiteren Verlauf der Erkrankung wird das entzündete Gewebe durch Regenerationsgewebe (Faserknorpel) ersetzt, das im Laufe der Zeit verknöchert und zur Versteifung (Ankylose) des Gelenks führt.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

Veränderungen in der Gewebsarchitektur:

  • Ankylose: Die Verknöcherung des Gewebes führt zur vollständigen Fusion der betroffenen Gelenke und damit zu einer zunehmenden Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule.
  • Syndesmophytenbildung: Entlang der Wirbelkörper kommt es zur Bildung von Syndesmophyten (knochige Brücken zwischen den Wirbeln), was zur charakteristischen "Bambuswirbelsäule" führt.

Beteiligung des umgebenden Gewebes:

  • Bänder und Sehnen: Entzündliche Prozesse können auch die Enthesen (Sehnenansätze) betreffen, was zu Schmerzen und Entzündungen im Bereich der Achillessehne und anderen Sehnenansätzen führen kann.

Klinische Manifestation

Leitsymptome:

  • Chronische Rückenschmerzen: Vor allem nachts auftretende Schmerzen, die sich durch Bewegung bessern, sind ein typisches Symptom.
  • Morgensteifigkeit: Patienten klagen über eine ausgeprägte Steifigkeit der Wirbelsäule, die besonders morgens auftritt.

Fortgeschrittene Symptome:

  • Bewegungseinschränkung: Im Verlauf der Erkrankung nimmt die Beweglichkeit der Wirbelsäule durch die Verknöcherung stetig ab, was zur sogenannten Bambuswirbelsäule führt.
  • Entzündliche Gelenkerkrankungen: Zusätzlich können periphere Gelenke wie Hüfte, Schulter oder Knie betroffen sein.

Progression und Organbeteiligung

Lokale Gewebeveränderungen:

  • Zerstörung der Gelenkarchitektur: Die fortschreitende Entzündung führt zur Zerstörung der Gelenkarchitektur, insbesondere der Sakroiliakalgelenke, und zur Ausbildung von knöchernen Brücken.

Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:

  • Beteiligung der Augen: Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut) ist eine häufige extraartikuläre Manifestation.
  • Herz-Kreislauf-Beteiligung: Es kann zu Aortitis (Entzündung der Aorta) und Herzklappenveränderungen kommen.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften:

  • Verminderte Beweglichkeit: Die Fusion der Wirbelkörper führt zu einer stark eingeschränkten Beweglichkeit der Wirbelsäule.
  • Verlust der Gelenkfunktion: Betroffene Gelenke verlieren durch die Verknöcherung vollständig ihre Funktion, was zu einer deutlichen Einschränkung im Alltag führt.

Schmerzentstehung:

  • Mechanischer Schmerz: Die Versteifung und Verknöcherung der Wirbelsäule führt zu Schmerzen durch mechanische Belastungen.
  • Entzündlicher Schmerz: Die chronische Entzündung ist mit einem ständigen, dumpfen Schmerz verbunden, der vor allem nachts und in Ruhe auftritt.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

Versuche der Geweberegeneration:

  • Regenerationsprozesse: Trotz der Versteifung der Wirbelsäule versucht der Körper, durch Umbauprozesse des Knochens und der Gelenke eine gewisse Stabilität zu erreichen.

Kompensatorische Anpassungsmechanismen:

  • Muskuläre Kompensation: Betroffene Patienten entwickeln eine vermehrte Anspannung der Rückenmuskulatur, um die verlorene Beweglichkeit teilweise zu kompensieren.

Zusammenfassung

Morbus Bechterew ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule, bei der genetische Faktoren und immunvermittelte Prozesse im Vordergrund stehen. Die chronische Entzündung führt zu einer fortschreitenden Versteifung und Verknöcherung der Gelenke, was letztlich zu einer vollständigen Bewegungseinschränkung führt. Die Therapie zielt auf die Kontrolle der Entzündungsprozesse ab, um die Progression zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern, vor allem durch die Vererbung des Gens HLA-B27
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: FGFR3P1
        • SNP: rs13202464 im Gen FGFR3P1
          • Allel-Konstellation: AG (Träger eines HLA-B27 Allels)
          • Allel-Konstellation: GG (Träger zweier HLA-B27 Allele)