Untergewicht – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Untergewicht entsteht aus einem Ungleichgewicht zwischen Energieaufnahme und Energieverbrauch. Dies führt zu einer negativen Energiebilanz, wodurch das Körpergewicht abnimmt und Folgeerkrankungen auftreten können.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Reduzierte Energieaufnahme
    • Appetitlosigkeit: Durch verschiedene Ursachen wie psychische Erkrankungen (z. B. Depression, Angststörungen) oder medikamentöse Nebenwirkungen bedingt.
    • Essstörungen: Krankheiten wie Anorexia nervosa (Magersucht) oder Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht) führen zu einer erheblich reduzierten Nahrungsaufnahme.
    • Malabsorption: Gestörte Aufnahme von Nährstoffen durch Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes wie Zöliakie, Morbus Crohn oder Mukoviszidose.
  • Erhöhter Energieverbrauch
    • Chronische Erkrankungen: Krankheiten wie Krebs, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und Herzinsuffizienz erhöhen den Energiebedarf und fördern den Abbau von Muskelmasse.
    • Endokrine Störungen: Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) führt zu einem gesteigerten Stoffwechsel und damit zu einem höheren Energieverbrauch.
    • Chronische Infektionen: Erkrankungen wie Tuberkulose oder HIV/AIDS führen zu einem chronischen Energieverlust durch die Aktivierung des Immunsystems und erhöhte Stoffwechselaktivität.

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen

  • Mangelernährung und Nährstoffdefizite
    • Protein- und Kalorienmangel: Führt zu einem Abbau von Muskelmasse und einer Schwächung des Immunsystems.
    • Vitamin- und Mineralstoffmängel: Insbesondere Mängel an Vitamin D, Calcium und Eisen erhöhen das Risiko für Knochenschwäche und Anämie.
  • Muskelschwund (Sarkopenie)
    • Ein signifikanter Verlust an Muskelmasse führt zu körperlicher Schwäche, reduziert die Leistungsfähigkeit und erhöht das Sturzrisiko.

Klinische Manifestation

Leitsymptome

  • Untergewicht: Ein Körpergewicht, das unterhalb des normalen oder gesunden Bereichs liegt.
  • Chronische Müdigkeit und Erschöpfung: Durch die geringe Energiezufuhr und die resultierende Schwächung des Körpers.
  • Kälteempfindlichkeit: Der reduzierte Körperfettanteil führt zu einer verminderten Isolationsfähigkeit des Körpers.

Fortgeschrittene Symptome

  • Immunschwäche: Durch den Mangel an essenziellen Nährstoffen wird das Immunsystem geschwächt, was die Anfälligkeit für Infektionen erhöht.
  • Hormonelle Störungen: Bei Frauen häufig Amenorrhoe (Ausbleiben der Menstruation) durch hormonelle Dysregulation.
  • Knochenschwund (Osteoporose): Der Mangel an Kalzium und Vitamin D fördert den Abbau der Knochensubstanz, was zu einer erhöhten Knochenbrüchigkeit führt.

Progression und Organbeteiligung

  • Herz-Kreislauf-System: Eine langfristige Mangelernährung kann die Herzfunktion beeinträchtigen und zu einer Schwächung des Herzens führen.
  • Leber und Nieren: Die Organe können durch die unzureichende Energie- und Nährstoffzufuhr geschädigt werden.
  • Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt): Es kommt zu einer Abnahme der Darmperistaltik und einer eingeschränkten Aufnahmefähigkeit des Darms.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

  • Muskelatrophie: Der Abbau der Skelettmuskulatur führt zu einer erheblichen Einschränkung der Mobilität und Funktionsfähigkeit.
  • Schwächung des Immunsystems: Das Risiko für Infektionen steigt erheblich an.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

  • Erschwerte Regeneration: Durch die kontinuierliche Unterversorgung an Energie und Nährstoffen ist die Wiederherstellung von Muskel- und Gewebemasse stark eingeschränkt.
  • Kompensation durch Fettabbau: Bei unzureichender Kalorienzufuhr mobilisiert der Körper Fettreserven, was letztlich zur Erschöpfung dieser Energiereserven führt.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Untergewicht ist ein Zustand mit erheblicher Reduktion der Körpermasse, der durch ein Ungleichgewicht zwischen Energieaufnahme und -verbrauch bedingt ist. Die Ursachen reichen von psychischen Erkrankungen über Mangelernährung bis zu chronischen Erkrankungen, die den Energiebedarf erhöhen. Die Folge ist ein zunehmender Abbau von Muskel- und Fettmasse, der die Lebensqualität und das Immunsystem der Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Eine frühzeitige Erkennung und Therapie sind entscheidend, um das Fortschreiten der körperlichen Schwächung und mögliche Komplikationen zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Lebensalter – zunehmendes Alter; bei 3-4 % der Männer und der Frauen liegt im Seniorenalter der BMI (Body-Mass-Index/Körpermasse-Index) aufgrund der Verschlechterung des Zahnstatus (schlechteres Kauen), schlechteren Schluckens, von Veränderungen des Geschmacks- und Geruchsempfindens, verminderten Appetits und von Resorptionsstörungen – im Bereich des Untergewichts* (< 18,5).

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Fehl- und Mangelernährung – fett- und kalorienarm
    • Rohköstler
    • Sozial motiviertes Fasten
    • Inadäquate Zufuhr in der Schwangerschaft
    • Leistungsbedingt erhöhter Energie- und Nährstoffbedarf, z. B. beim Leistungssportler
    • Orthorexia nervosa – im Gegensatz zu den Essstörungen Anorexia nervosa und Bulimie steht bei Orthorektikern nicht die Quantität der Nahrungsmittel im Vordergrund, sondern die vermeintliche Qualität. Diese Essstörung führt häufig zu Fehl- und Mangelernährung.
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol (Frau: > 40 g/Tag; Mann: > 60 g/Tag)
  • Körperliche Aktivität
    • Unzureichende körperliche Aktivität im Alter – Abbau von stoffwechselaktivem Muskelgewebe
  • Psycho-soziale Situation
    • Drogensucht

Krankheitsbedingte Ursachen

Allmählicher Gewichtsverlust ohne Leistungsknick

Atmungssystem (J00-J99)

  • Lungenemphysem (Lungenüberblähung)

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Perniziöse Anämie – Anämie (Blutarmut), die durch einen Mangel an Vitamin B12 (Cobalamin) ausgelöst wird

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Infektionen mit Pilzen, nicht näher bezeichnet, selten!

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Fehlernährung
  • Nahrungsmittelallergie
  • Nahrungsmittelintoleranzen (z. B. Fructoseintoleranz bzw. Lactoseintoleranz), selten!

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Chronische Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, nicht näher bezeichnet

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Bösartige Neubildungen aller Art
  • Gutartige Neubildungen im Magen-Darm-Trakt
  • Phäochromozytom – meist benigner (gutartiger) Tumor (ca. 90 % der Fälle), der überwiegend von der Nebenniere ausgeht und zu Bluthochdruckkrisen (hypertensive Krise) führen kann

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Alkoholabusus (Alkoholabhängigkeit)
  • Apoplex (Schlaganfall)
  • Essstörungen Anorexia nervosa (Magersucht), Bulimia nervosa (Essbrechsucht)
  • Demenz
  • Depression
  • Morbus Alzheimer und andere Demenzen
  • Morbus Parkinson
  • Neuromuskuläre Erkrankungen, nicht näher bezeichnet

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die andernorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Geruchs- und Geschmacksstörungen

Weitere Ursachen

  • Alte Menschen – z. B. wg. Zahnstatus, Dysgeusie (Geschmacksstörung), Dysphagie (Schluckstörung), chronische Erkrankungen, Medikamente etc.
  • Armut
  • Isolation
  • Schwere körperliche Arbeit

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hypercalcämie (Calciumüberschuss)

Medikamente

  • ACE-Hemmer (Blutdrucksenker)
  • Antibiotika – Medikamente, die gegen bakterielle Infektionen eingesetzt werden
  • Levodopa – Medikament, welches bei Morbus Parkinson eingesetzt wird
  • Metformin – orales Antidiabetikum (Medikament bei Diabetes mellitus)
  • Nicht-steroidale Antirheumatika – Schmerzmittel wie beispielsweise Ibuprofen oder Diclofenac
  • Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI = Selective Serotonin Reuptake Inhibitor) – Medikamente, die vor allem bei Depressionen eingesetzt werden, wie beispielsweise Fluoxetin oder Citalopram

Allmählicher Gewichtsverlust mit Leistungsknick

Atmungssystem (J00-J99)

  • Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
  • Lungenemphysem (Lungenüberblähung)

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Perniziöse Anämie – Form der Blutarmut

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Fehlernährung
  • Kwashiorkor – schwere Protein-Mangelernährung, die vor allem bei Kindern in Entwicklungsländern auftritt
  • Mangelernährung
  • Marasmus – generalisierter Hungerzustand mit Verlust von Körpereiweiß und Körperfett
  • Morbus Cushing/Cushing-Syndrom – Erkrankung, die durch ein Überangebot an Glucocorticoiden bedingt ist
  • Unterernährung

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Chronische Herzinsuffizienz (Herzschwäche) – bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ist der relativ häufig auftretende chronische Gewichtsverlust seit Hippokrates als Syndrom der kardialen Kachexie bekannt; Gewichtsverlust bei chronischer Herzinsuffizienz gilt als isolierter unabhängiger Risikoparameter

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Infektionen mit Pilzen, nicht näher bezeichnet, selten!
  • Infektionen mit Parasiten, nicht näher bezeichnet

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse)  (K70-K77; K80-K87)

  • Chronische Lebererkrankungen, beispielsweise chronische Hepatitis, Leberzirrhose
  • Chronische Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa
  • Erkrankungen des Mundes, die die Nahrungsaufnahme verhindern/erschweren
  • Magenulzera (Magengeschwüre)
  • Zöliakie (gluteninduzierte Enteropathie) – chronische Erkrankung der Dünndarmmukosa (Dünndarmschleimhaut), die auf einer Überempfindlichkeit gegen das Getreideeiweiß Gluten beruht
  • Zustand nach Operationen am Dünndarm; Kurzdarmsyndrom
  • Zustand nach Magenresektion (Magenteilentfernung)/Gastrektomie (Magenentfernung)

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, nicht näher bezeichnet
  • Sarkopenie (Muskelschwäche bzw. Muskelabbau)

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Bösartige Neubildungen aller Art

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Alkoholabusus (Alkoholabhängigkeit)
  • Apoplex (Schlaganfall)
  • Demenz – Demenzkranke verlieren jährlich etwa viermal so viel Körpergewicht wie gleichaltrige Patienten ohne Demenz durch chronische Inflammation (Entzündung), Sekundärerkrankungen und den teilweise vermehrten Bewegungsdrang
  • Depression
  • Morbus Alzheimer und andere Demenzen
  • Morbus Parkinson
  • Orthorexia nervosa im Gegensatz zu den Essstörungen Anorexia nervosa und Bulimie steht bei Orthorektikern nicht die Quantität der Nahrungsmittel im Vordergrund, sondern die vermeintliche Qualität. Diese Essstörung führt häufig zu Fehl- und Mangelernährung.
  • Neuromuskuläre Erkrankungen, nicht näher bezeichnet

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die andernorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Dysphagie (Schluckstörung), die vor allem bei neurologischen Erkrankungen wie beispielsweise einem Apoplex (Schlaganfall) auftritt
  • Geruchs- und Geschmacksstörungen

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)
  • Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung), chronische

Weitere Ursachen

  • Ernährung
    • Inadäquate Zufuhr in der Schwangerschaft
    • Leistungsbedingt erhöhter Energie- und Nährstoffbedarf, z. B. beim Leistungssportler
  • Psycho-soziale Situation
    • Drogensucht
  • Darmresektion, Kurzdarmsyndrom
  • Magenresektion

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hypercalcämie (Calciumüberschuss)

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Aufnahme radioaktiver Stoffen (z. B. Radionukleotide)

Rascher Gewichtsverlust mit Leistungsknick

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Diabetes mellitus Typ 1 – wegen erhöhtem katabolen Stoffwechsel (Abbaustoffwechsel)
  • Flüssigkeitsdefizit
  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Morbus Addison – primäre Nebennierenrindeninsuffizienz, die zu einem Ausfall der Cortisol- und Aldosteron-Produktion führt

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Endokarditis (Herzinnenhautentzündung)

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse)  (K70-K77; K80-K87)

  • Akute Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Diarrhoe, akute
  • HIV-Infektion
  • Morbus Whipple – eine durch das grampositive Stäbchenbakterium Tropheryma whippelii ausgelöste, chronisch-rezidivierende Erkrankung, die den gesamten Körper betreffen kann (Symptome: Fieber, Gelenkbeschwerden, Störungen der Gehirnfunktion, Gewichtsverlust, Durchfall, Bauchschmerzen u.v.m.)
  • Wasting-Syndrom – Verlust von Körpersubstanz, vor allem von Muskulatur; HIV-Infektion als Ursache
  • Tuberkulose (Schwindsucht)

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Malabsorption – Störung der Nahrungsresorption
  • Obstruktion im Magen-Darm-Trakt wie bei Ileus (Darmverschluss)

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Bösartige Neubildungen aller Art (im finalen Stadium)

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die andernorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Urämie (Auftreten harnpflichtiger Substanzen im Blut oberhalb der Normwerte)

Weitere Ursachen

  • Zustand nach Operationen am Dünndarm