Perkutane Nephrolithotomie

Bei der perkutanen Nephrolithotomie (PCNL, PCN, PNL; Synonym: perkutane Nephrolitholapaxie) handelt es sich um eine minimal-invasive Harnsteinbehandlung mittels eines Endoskops (Spiegelung; s. u. "Das Operationsverfahren"). Dabei erfolgt die endoskopische Entfernung von Nierensteinen durch eine perkutane ("durch die Haut") Punktion der betroffenen Niere. Das Verfahren hat seit den Achtzigerjahren die offene Steinoperation für große Nierensteine (> 2 cm) weitgehend abgelöst.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Große Nierensteine (> 2 cm)
  • Mittlere Nierensteine (1-2 cm)
  • Steine in der unteren Kelchgruppe
  • Ausgusssteine
  • Steine bei anatomischen Normvarianten (z. B. Kelchdivertikelsteine)
  • Steine, bei denen gleichzeitig eine anatomisch bedingte Transsportstörung vorliegt (z. B. Harnleiterabgangsstenose/Harnleiterabgangsverengung)
  • ESWL/URS-refraktäre Steine

Legende

  • ESWL = extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (Verfahren zur Zertrümmerung und Entfernung von Kalkkonkrementen)
  • URS = Ureterorenoskopie (Harnleiter- und Nierenspiegelung

Die perkutane Nephrostomie (PCN) als postoperative Harnableitung soll eingelegt werden bei [S2k-Leitlinie]:

  • Reststeinen
    (Alternative: Einlage einer Harnleiterschiene und flexible URS zur Steinsanierung)
  • Geplanter 2nd look PCNL (zweiter Blick-Operation)
  • Signifikanter intraoperativer Blutung (dem Punktionskanal entsprechend größtmögliche PCN)
  • Urinextravasation (Urinaustritt)/Perforation des Nierenbeckens
  • Infektsteinen
  • Multi-­Trakt PCNL
  • Einzelniere oder Harnleiterenge/-­striktur (narbige Verengung) (alternativ: Einlage einer Harnleiterschiene)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Unbehandelter Harnwegsinfekt (HWI)
  • Unbehandelte Gerinnungsstörungen sowie Patienten unter Antikoagulantien (Gerinnungshemmer; Acetylsalicylsäure (ASS) in der Dosierung von 100 mg/d stellt keine Kontraindikation dar; s. u. "Vor der Operation")
  • Atypische Koloninterposition/operative Zwischenschaltung eines Dickdarmabschnittes (Kolon) (insbesondere bei rein durchleuchtungsgeführter Punktion)
  • Funktionslose Niere
  • Tumoren der Niere
  • Schwangerschaft
  • Anästhesiologische Kontraindikationen

Vor der Operation

  • Perioperative Antibiotikaprophylaxe
  • Hinweis: Eine PCNL sollte nicht bei laufender Einnahme von Antikoagulantien bzw. Thrombozytenaggregationshemmer (Gerinnungshemmer) oder Vorliegen einer Gerinnungsstörung durchgeführt werden. Acetylsalicylsäure (ASS) kann nach sorgfältiger Indikations-­ und Risikoprüfung fortgeführt werden [S2k-Leitlinie].

Das Operationsverfahren

Der Patient liegt bei der Operation in Rücken- oder Bauchlage. Zunehmend etabliert sich die Rücken- bzw. modifizierte Steinschnittlagerung.

Die PCNL erfolgt typischerweise mit rigiden Endoskopen (Instrument, das für die Diagnostik und Therapie in Körperhöhlen und Hohlorganen verwendet wird) mit unterschiedlichen Durchmessern. Im Allgemeinen versteht man unter den nachfolgenden Begriffen die folgenden Außendurchmesser:

  • Konventionelle PCNL: 24-­32 Ch. (Charrière; das Maß in Charrière dividiert durch 3 entspricht etwa dem Außendurchmesser in Millimetern)
  • Mini-PCNL: 14-­22 Ch.
  • Ultra-­Mini-­PCNL: 11-­13 Ch.
  • Mikro-PCNL: 4.8-­11 Ch.

Die Punktion erfolgt in Deutschland in der Regel kombiniert unter sonographischer Sicht (Ultraschall) und Kontrolle durch Röntgen. Dazu ist ein kleiner Schnitt, der in der Flanke liegt und ca. 2 1,5 cm lang ist, erforderlich. Nach Einführen des Endoskops in die Niere kann/können der Stein/die Steine zerkleinert werden. Dazu stehen verschiedene Methoden der intrakorporalen Lithotripsie (Steinzertrümmerung) zur Verfügung (nachfolgend dazu Statements aus der S2k-Leitlinie):

  • Bei der PCNL weisen Ultraschall-­Lithotripsie Sonden oder ballistische Systeme eine höhere Effektivität als Steinlaser auf.
  • Der Ho:YAG Laser ist bei der Verwendung von miniaturisierten oder flexiblen Endoskopen bei der PCNL das effektivste Lithotripsiesystem.
  • Die elektrohydraulische Lithotripsie sollte bei der PCNL wegen des erhöhten Risikos von Kollateralschäden nicht mehr eingesetzt werden.

Bei der konventionellen PCNL werden in den meisten Fällen Ultraschall-­ oder ballistische Systeme eingesetzt, welche auch kombiniert verfügbar sind. Vorteil der Ultraschallsonden ist eine simultane Absaugung von Steinfragmenten, während die ballistischen Systeme eine höhere Effektivität aufweisen. Bei miniaturisierten oder flexiblen Endoskopen wird heute der Holmium:YAG-Laser eingesetzt [S2k-Leitlinie].

Nach Abschluss des Eingriffs erfolgt ggf. eine kurzfristige Einlage einer perkutanen Nephrostomie (Nierenfistel; dient der Harnableitung nach außen) oder einer Ureterenschiene (Harnleiterschiene; dient der inneren Harnableitung), um den Urinabfluss sicherzustellen.

Anästhesieverfahren

  • Allgemeinanästhesie (Vollnarkose): PCNL wird typischerweise unter Vollnarkose durchgeführt. Dies ermöglicht es dem Patienten, während des Eingriffs bewusstlos und schmerzfrei zu bleiben.
  • Regionalanästhesie: In einigen Fällen kann auch eine rückenmarksnahe Anästhesie (z. B. Epidural- oder Spinalanästhesie) angewendet werden, allerdings ist dies weniger verbreitet und hängt von verschiedenen Faktoren wie der Präferenz des Anästhesisten und dem Gesundheitszustand des Patienten ab.

Operationsdauer

  • Durchschnittliche Dauer: Die Dauer einer PCNL kann je nach Komplexität des Falles und der Größe und Anzahl der Nierensteine variieren. Im Allgemeinen dauert der Eingriff zwischen 1 und 3 Stunden.

Nach der Operation

  • Essen und Trinken ist einige Stunden nach der Operation möglich
  • Entlassung meist 2 bis 3 Tage nach der Behandlung

Mögliche Komplikationen

  • Blutung; meistens liegt eine venöse Blutung aus dem Nierenparenchym vor (in seltenen Fällen ist eine Blutstillung durch selektiven Verschluss des blutenden Gefäßes erforderlich: bei persistierender arterieller Nachblutung erfolgt eine radiologische Embolisation); Bluttransfusionen sind in 7 % der Fälle erforderlich [2]
  • Fieber (10,8 %) → Antibiotikatherapie
  • Urinleckage (Urinom/Ansammlung von Urin im Körper außerhalb des Harntrakts: 0,2 %)
  • Obstruktion durch Restfragmente
  • Sepsis (Blutvergiftung) (0,5 %) → resistenzgerechte Antibiotikatherapie, Ableitung der Niere, ggf. intensivmedizinische Behandlung
  • Organverletzung (0,4 %)
    • Lungen- und Pleura- (Lungenfell- )verletzungen
    • Dünn- oder Dickdarmverletzungen; treten häufiger auf bei Punktionen ohne Ultraschallortnung)
    • Leber- und Milzverletzungen (sehr selten)

Relative Angaben in % [1]

Literatur

  1. Michel MS, Trojan L, Rassweiler JJ: Complications in percutaneous nephrolithotomy. Eur Urol, 2007. 51(4): p. 899-­906
  2. Seitz C, Desai M, Häcker A, Hakenberg OW, Liatsikos E, Nagele U, Tolley D: Incidence, prevention, and management of complications following percutaneous nephrolitholapaxy. Eur Urol 2012 Jan;61(1):146-58. doi: 10.1016/j.eururo.2011.09.016. Epub 2011 Sep 28.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Urolithiasis: Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe. (AWMF-Registernummer: 043 - 025), Mai 2019 Langfassung