Bypass-Operation am Herzen

Bei der Bypass-Operation am Herzen handelt es sich um die Überbrückung von stenotischen Koronargefäßen (verengte Herzkranzgefäße) mittels eines Koronararterien-Bypasses (Umleitung bzw. Überbrückung; Koronararterielle Bypass-Operation (CABG)).

Das Verfahren wird bei komplexen Erkrankungsmustern mit mehreren und komplex verengten Koronargefäßen eingesetzt.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Bei Koronarstenosen > 70 %, die nicht interventionell angegangen werden können.
  • Hauptstammstenose der linken Koronararterie > 50 %

Beachte: Je komplexer die Koronaranatomie ist, desto eher kommt – ein niedriges Operationsrisiko vorausgesetzt – die Bypass-Operation als Option in Betracht.

Die Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und der Europäischen Gesellschaft für Herz-Thorax-Chirurgie (EACTS) zur Bypass-Operation bei koronarer Herzerkrankung (KHK) [s. u. Leitlinie: 1] spricht sich für eine koronare Bypass-Operation aus bei:

  • Drei-Gefäß-Erkrankung, bei der die Verkalkung der Arterien sehr ausgeprägt ist
  • Hauptstammstenose (Verengung im Ursprungsbereich der linken Koronararterie/Herzkranzgefäßarterie)
  • Begleit­erkrankungen
    • Diabetes mellitus
    • Reduzierte Linksherzfunktion (< 35 %)
  • Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
    • Duale antithrombozytäre Therapie (DAPT) 
    • Wiederkehrende Stent-Stenosen

Revaskularisierungs-Empfehlungen bei Mehrgefäßerkrankungen [1]

Ausmaß der koronaren Herzkrankheit
Bypass-OP
PCI**
1- oder 2-Gefäßerkrankung (2-GE) ohne proximale RIVA-Stenose  ↑  ↑↑
2-GE mit proximaler RIVA-Stenose*, SYNTAX-Score*** (SyS) ≤ 22  ↑↑  ↑↑
2-GE mit proximaler RIVA-Stenose, SyS ≥ 23  ↑↑  ↑
3-GE, SyS ≤ 22  ↑↑  ↑
3-GE, SyS ≥ 23  ↑↑  nicht empfohlen (n .e.)
2 oder 3-GE und Diabetes mellitus
 ↑↑  n. e.
Hauptstammstenose (HSS) (proximal oder medial) und SyS ≤ 22  ↑↑  ↑↑
HSS (Bifurkation) oder HSS und SyS 23-32
 ↑  ↑
HSS SyS ≥ 33
 ↑  n. e.

*Ramus interventrikularis anterior
**
Details zum Verfahren siehe unter "perkutane koronare Intervention (PCI)".
***SYNTAX-Score basiert auf der Koronaranatomie und der Komplexität der koronaren Läsionen

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Duale antithrombozytäre Therapie (DAPT).
  • Wiederkehrende Stent-Stenosen.

Indikationen

  • Koronarstenosen über 70 %, die nicht interventionell behandelt werden können.
  • Hauptstammstenose der linken Koronararterie über 50 %.
  • Bei komplexer Koronaranatomie und niedrigem Operationsrisiko wird die Bypass-Operation in Betracht gezogen.

Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und die Europäische Gesellschaft für Herz-Thorax-Chirurgie (EACTS) empfehlen die Bypassoperation bei:

  • Drei-Gefäß-Erkrankung mit ausgeprägter Arterienverkalkung.
  • Hauptstammstenose.
  • Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, reduzierter Linksherzfunktion (< 35 %).

Kontraindikationen

  • Duale antithrombozytäre Therapie (DAPT).
  • Wiederkehrende Stent-Stenosen.

Vor der Operation

  • Die präoperative Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) senkt signifikant die Rate an postoperativen Myokardinfarkten/Herzinfarkten (von 5,6 % auf 2,8 % (Odds Ratio 0,56; 95 %-Konfidenzintervall 0,33–0,96)). Bei niedrigen Tagesdosierungen bestand für Blutverlust über die Thoraxdrainage (Ableitungssystem, das dazu dient, Flüssigkeiten und/oder Luft aus dem Brustkorb (Thorax) zu drainieren) zudem kein Unterschied zur Gruppe ohne ASS-Therapie [2].
  • Eine randomisierte klinische Studie kommt zu dem Schluss, dass eine niedrigdosierte Behandlung mit Acetylsalicylsäure (ASS) vor einer geplanten Bypass-Operation nicht unterbrochen werden muss. Schwere Blutungen, die eine Reoperation notwendig machten, traten in der Placebo-Gruppe bei 2,1 Prozent der Patienten auf und in der ASS-Gruppe nur bei 1,8 Prozent. Auch der primäre Endpunkt, eine Kombination aus thrombotischen Komplikationen (nicht tödlicher Apoplex (Schlaganfall), Myokardinfarkt (Herzinfarkt), Lungenembolie, Nierenversagen oder Mesenterialinfarkt (Darminfarkt)) und Tod innerhalb von 30 Tagen nach der Operation, spricht dafür [4]. Primärer Endpunkt in der:
    • ASS-Gruppe bei 202 Patienten (19,3 %)
    • Placebo-Gruppe bei 215 Patienten (20,4 %) 
  • Die American College of Cardiology Foundation (ACCF) und die American Heart Association (AHA) empfehlen bei KHK-Patienten die ASS-Behandlung bis zum Tag vor der Operation fortzusetzen.
  • Die European Society of Cardiology (ESC) rät bei Patienten mit hohem Blutungs- und niedrigem Thromboserisiko zum Aussetzen der ASS-Behandlung.

Das Operationsverfahren

Bei der konventionellen Bypasschirurige wird der Thorax (Brustkorb) eröffnet. Die Koronarrevaskularisation erfolgt dabei unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine zur Aufrechterhaltung des Kreislaufs (extrakorporale Zirkulation) mit Durchführung der Anastomosen ("Bildung von Verbindungsgängen") am schlagenden, flimmernden oder meistens am kardioplegisch stillgestellten Herzen. 

Bei der minimal-invasiven Bypasschirurgie wird auf die Herz-Lungen-Maschine verzichtet und die Manipulation an der Aorta wird vermieden. Das Verfahren wird als OPCAB (off-pump coronary artery bypass) bezeichnet, wenn der Thorax median (in der Mitte) und als MIDCAB (Minimally Invasive Direct Coronary Artery Bypass).bezeichnet, wenn der Thorax an der linken Seite eröffnet wird.

Für die Überbrückung verengter Herzkranzgefäße werden in der Regel Venen
– meist die Vv. saphenae magnae – verwendet, die aus dem Unterschenkel entnommen werden (aortokoronarer Venenbypass, ACVB; engl. coronary artery bypass graft, CABG). Diese Methode ist die am weitesten verbreitete.
Die Überbrückung kann jedoch auch, wenn sich keine geeignete Vene finden lässt, mit Kunststoffinterponaten durchgeführt werden.

Neben diesen Methoden kann auch ein sogenannter Mammaria-koronarer Bypass (Arteria mammaria interna (LIMA)) eingesetzt werden, bei dem eine Arterie aus dem Brustkorb zur Überbrückung genutzt wird. Diese wird wegen der sehr langen Haltbarkeit vor allem bei jungen Personen eingesetzt. Jedoch ist das Gefäß nicht sehr lang, weshalb sie nicht bei allen Stenosen (Verengungen) eingesetzt werden kann.
Ggf. auch Verwendung der Koronarbypässe unter Einsatz der Arteria radialis (s. u. "Weitere Hinweise").

Anästhesieverfahren

  • Allgemeinanästhesie: Die Bypass-Operation wird unter Allgemeinanästhesie (Vollnarkose) durchgeführt. Dies stellt sicher, dass der Patient während des gesamten Eingriffs bewusstlos und schmerzfrei ist.
  • Intraoperative Überwachung: Die Narkose wird durch spezialisierte Anästhesisten gesteuert, die während der Operation die Vitalfunktionen überwachen, einschließlich Herzfunktion, Blutdruck, Sauerstoffsättigung und Atmung.

Operationsdauer:  3-6 Stunden

Nach der Operation

  • Schmerzmanagement: Postoperativ wird ein effektives Schmerzmanagement angewendet, das häufig die Verwendung von Opioiden, nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und regionalen Anästhesietechniken umfasst.
  • Patienten, die nach akutem Koronarsyndrom eine operative Revaskularisation (Wiederherstellung der Durchblutung) erhalten, wird eine duale Plättchenhemmung empfohlen.

Mögliche Komplikationen

Frühkomplikationen

  • Herzrhythmusstörungen: Häufige Komplikation nach einer Bypass-Operation, wie beispielsweise Kammerflimmern, die sofortige medizinische Intervention erfordern.
  • Myokardinfarkt: Ein erneuter Herzinfarkt kann infolge von Komplikationen während oder unmittelbar nach der Operation auftreten.
  • Plötzlicher Herztod (PHT): Ein seltenes, aber schwerwiegendes Ereignis, das meist durch schwerwiegende Herzrhythmusstörungen verursacht wird.
  • Apoplex (Schlaganfall): Kann durch Blutgerinnsel oder durch eine verminderte Blutzufuhr zum Gehirn während der Operation entstehen.
  • Wundheilungsstörungen und Wundinfektionen: Können aufgrund von Infektionen oder schlechter Durchblutung im Operationsgebiet auftreten.
  • Blutungen: Postoperative Blutungen können auftreten, insbesondere bei Patienten, die blutverdünnende Medikamente einnehmen.
  • Nerven- oder Gefäßschädigung: Seltene Komplikationen, die während der Operation entstehen können.

Spätkomplikationen

Langfristige Komplikationen, die Wochen, Monate oder Jahre nach der Operation auftreten können, beinhalten:

  • Restenose: Die Wiederkehr der Verengung in den Bypass-Gefäßen oder den behandelten Arterien, die weitere Eingriffe erforderlich machen kann.
  • Perikarditis: Eine Entzündung des Herzbeutels, die Schmerzen und andere Symptome verursachen kann.
  • Chronische Wundheilungsstörungen: Langfristige Probleme bei der Wundheilung können insbesondere bei Patienten mit Diabetes oder anderen Erkrankungen, die die Heilung beeinträchtigen, auftreten.
  • Langfristige Gefäßschäden: Dazu gehören Schäden an den Arterien oder Venen, die für den Bypass verwendet wurden.
  • Langfristige Schmerzen an der Entnahmestelle: Schmerzen am Bein (Entnahmestelle V. saphena magna) waren mit knapp 30 % am häufigsten, deutlich seltener wurden Schmerzen im Bereich der Sternotomie/Längsdurchtrennung des Brustbeins (14 %) bzw. am Arm (12 %; Entnahmestelle A. radialis) [10].

Die Operation wird in Allgemeinanästhesie (Vollnarkose) durchgeführt.
Die Letalität (Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtzahl der an der Krankheit Erkrankten) während der Operation liegt bei bis zu drei Prozent.

Die Bypass-Operation ist eine große Operation, die häufig die einzige Möglichkeit ist, einem Patienten wirkungsvoll zu helfen.

Weitere Hinweise

  • Die Injektion von Botulinumtoxin in das epikardiale Fettgewebe kann laut einer Studie das Auftreten von supraventrikuläre Tachyarrhythmien nach Bypass-Operationen verhindernIn der Botox-Gruppe kam es nach 30 Tagen in zwei Fällen (7 %) zu atrialen Rhythmusstörungen, während in der Kontrollgruppe bei neun Patienten (30 %) Rhythmusstörungen auftraten. Auch ein Jahr nach der Operation war der Unterschied signifikant: In der Botux-Gruppe traten keine weiteren Arrhythmien auf, gegenüber sieben Fällen in der Kontrollgruppe [3].
    Hinweis: Ca. ein Drittel aller Patienten ist bei diesem Eingriff von supraventrikulären Tachyarrhythmien betroffen. Diese werden klassischerweise einem Betablocker behandelt.
  • Eine Bypass-Operation ohne Herz-Lungen-Maschine (Off pump) hat in einer Multicenterstudie (79 Kliniken in 19 Ländern) langfristig keine Vorteile gegenüber einer konventionellen On-Pump-Operation erzielt. Diese betrifft auch alle sekundären Endpunkte (Tod, Myokardinfarkt (Herzinfarkt), Apoplex (Schlaganfall), dialysepflichtige Niereninsuffizienz (Nierenschwäche), erneute Revaskularisierung/Wiedereröffnung von Gefäßen) [8].
  • Bypass-Versagen über 20 Jahre in Abhängigkeit von der Art des Bypasses [7]:
    • Arteria mammaria interna (LIMA): 19 %
    • Arteria radialis (RA). 25 %
    • Vv. saphenae magnae: 55 %
    Unterschied zwischen RA-Bypass und Venenbypass: statistisch signifikant (p = 0,002); zwischen RA und LIMA: keinen signifikanten Unterschied.
  • 10-Jahres-Daten der STICH-StudieAuch Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie (Herzmuskelschwäche als Folge einer Minderdurchblutung des. Herzmuskelgewebes) und erniedrigter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (Auswurffraktion) (der linken Herzkammer) leben durch eine Bypass-Operation länger (im Schnitt 18 Monate mehr Lebenszeit) [5, 6].
  • Im Vergleich zur Verwendung von Transplantaten der Vena saphena führte die Verwendung von Transplantaten der Arteria radialis für eine Koronararterielle Bypass-Operation (CABG) zu einer geringeren Rate unerwünschter kardialer Ereignisse und einer höheren Durchgängigkeitsrate nach 5 Jahren Nachuntersuchung [9].

Literatur

  1. S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK. (AWMF-Registernummer: nvl-004), September 2022 Langfassung
  2. Hastings S et al.: Aspirin and coronary artery surgery: a systematic review and meta-analysis. Br J Anaesth 2015, online 16. Juni. doi: 10.1093/bja/aev164
  3. Pokushalov E et al.: Long-Term Suppression of Atrial Fibrillation by Botulinum Toxin Injection into Epicardial Fat Pads in Patients Undergoing Cardiac Surgery: One Year Follow Up of a Randomized Pilot Study. CIRCEP.115.003199 Published online before print October 20, 2015. doi: 10.1161/CIRCEP.115.003199
  4. Myles PS et al.: Stopping vs. Continuing Aspirin before Coronary Artery Surgery. N Engl J Med 2016; 374:728-737February 25, 2016, doi: 10.1056/NEJMoa1507688
  5. Velazquez EJ et al.: Coronary-Artery Bypass Surgery in Patients with Ischemic Cardiomyopathy. New Engl J Med. 3. April 2016. doi: 10.1056/NEJMoa1602001
  6. Guyton RA, Smith AL: Coronary Bypass – Survival Benefit in Heart Failure. New Engl J Med. 3. April 2016. doi: 10.1056/NEJMe1603615
  7. Gaudino M et al.: Radial Artery as a Coronary Artery Bypass Conduit. J Am Coll Cardiol. 2016;68(6):603-610. doi:10.1016/j.jacc.2016.05.062
  8. Lamy A et al.: Five-Year Outcomes after Off-Pump or On-Pump Coronary-Artery Bypass Grafting. New England Journal of Medicine October 23, 2016 doi: 10.1056/NEJMoa1601564
  9. Gaudino M et al.: Radial-Artery or Saphenous-Vein Grafts in Coronary-Artery Bypass Surgery. N Engl J Med 2018; 378:2069-2077 doi: 10.1056/NEJMoa1716026
  10. Charlton E et al.: The long-term incidence of chronic post-surgical pain after coronary artery bypass surgery – A prospective observational study. Eur J Pain 2023; https://doi.org/10.1002/ejp.2203

Leitlinien

  1. Neumann F-J et al.: 2018 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization. European Heart Journal, August 2018. doi.org/10.1093/eurheartj/ehy394
  2. S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK. (AWMF-Registernummer: nvl-004), September 2022 Langfassung