Trommelfellschnitt (Parazentese)

Die Parazentese (Trommelfellschnitt) gehört zu den häufigsten Operationen der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Es handelt sich dabei um einen chirurgischen Eingriff, der einen Trommelfellschnitt (das Trommelfell ist eine schwingende Membran, die im Ohr Schallschwingungen erfasst und weiterleitet) zur Druck- und Ergussentlastung beinhaltet, der zur Wiederherstellung der Mittelohrbelüftung meist bei verstopfter Ohrtrompete (Eustachi-Röhre) dient.

Zudem kann ein Drainageröhrchen (Synonyme: Paukenröhrchen; Paukendrainage) aus Kunststoff, Titan oder Gold eingesetzt werden. Dieser Eingriff kann zum Beispiel bei einer rezidivierenden (wiederkehrenden) Otitis media (Mittelohrentzündung) nötig sein. 

Zielsetzung einer Paracentese

  • Druckausgleich herstellen: Durch den Schnitt im Trommelfell wird ein sofortiger Druckausgleich zwischen dem Mittelohr und der Außenwelt ermöglicht, was eine sofortige Schmerzlinderung für den Patienten bewirkt.
  • Ergussentlastung: Ansammlungen von Flüssigkeit, die durch Infektionen wie die akute oder chronische Otitis media (Mittelohrentzündung) verursacht werden, können durch die Parazentese effektiv entfernt werden. Dies trägt zur Verringerung des Infektionsrisikos und zur Verbesserung der Hörfähigkeit bei.
  • Einsatz eines Drainageröhrchens: Um wiederkehrende Flüssigkeitsansammlungen zu vermeiden und eine langfristige Belüftung des Mittelohrs zu gewährleisten, kann ein Drainageröhrchen eingesetzt werden. Dieses Röhrchen bleibt für einen bestimmten Zeitraum im Trommelfell und ermöglicht einen kontinuierlichen Abfluss sowie einen Luftaustausch.
  • Vermeidung von Komplikationen: Bei bestimmten Erkrankungen wie dem Morbus Menière oder bei ausgeprägten Trommelfellretraktionen (d. h. der kurze Fortsatz des Hammers springt nach vorn, der Hammergriff erscheint verkürzt), dient die Parazentese dazu, weitere Komplikationen zu verhindern und die allgemeine Ohrgesundheit zu erhalten.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Akute Otitis media (Mittelohrentzündung)
  • Chronische Trommelfellretraktion (Trommelfelleinziehung)
  • Klaffende Ohrtrompete – Die Verbindung von Nasenrachenraum und Mittelohr ist zu weit geöffnet, sodass Luft ins Mittelohr einströmen kann
  • Mastoiditis – Warzenfortsatzentzündung; Entzündung der belüfteten Knochenzellen des Processus mastoideus (Warzenfortsatz)
  • Persistierender Paukenerguss (Synonym: Seromukotympanon) – Ansammlung von Flüssigkeit im Mittelohr (Tympanon); > 3 Monate; je nach Grad der Schwerhörigkeit auch früher)
  • Transtympanale Gentamicin-Behandlung – Antibiotika-Behandlung bei Morbus Menière (Erkrankung des Innenohres, die durch Anfälle von Drehschwindel, einseitigem Hörverlust und Ohrensausen gekennzeichnet ist)
  • Tubenbelüftungsstörungen bei Morbus Menière

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Bulbushochstand – venöse Gefäßanomalie im Bereich des Mittelohrs
  • Glomustumor im Mittelohr
  • Karotisanomalie (veränderter Verlauf der Halsschlagader)

Vor der Operation

  • Anamnesegespräch: Ein ausführliches Gespräch wird geführt, um die medizinische Vorgeschichte und spezifische Bedürfnisse des Patienten zu verstehen.
  • Aufklärung über Risiken: Der Patient wird über mögliche Risiken und den Ablauf des Eingriffs informiert.
  • Medikationsanpassung: Gerinnungshemmende Medikamente wie Acetylsalicylsäure (ASS) sollten sieben bis zehn Tage vor dem Eingriff abgesetzt werden, um das Blutungsrisiko zu reduzieren.

Das Operationsverfahren

Der Eingriff erfolgt unter Lokal- oder Allgemeinanästhesie. Bei der Lokalanästhesie befindet sich der Patient in sitzender Position, wobei der Oberkörper zurückgeneigt ist und der Kopf durch einen Assistenten fixiert wird. Befindet sich der Patient in einer Narkose, wird er liegend gelagert und der Kopf in eine seitliche Position gebracht und fixiert. Der Chirurg erhält transmeatal (über den äußeren Gehörgang) Zugang zum Trommelfell. Um eine optimale Einsicht zu gewährleisten, wird ein möglichst großer Ohrtrichter eingesetzt. Der Operateur führt den Eingriff mithilfe eines Mikroskops durch, das eine gründliche Sichtkontrolle ermöglicht. Der Trommelfellschnitt wird im vorderen unteren Quadranten des Trommelfells gesetzt und führt radiär von zentral nach peripher (von der Mitte nach außen dem Radius folgend). Im Anschluss daran wird eventuell vorhandenes Sekret im Mittelohr abgesaugt. Um einen längerfristigen Abfluss von Sekreten zu ermöglichen, kann eine Paukendrainage mithilfe eines kleinen Drainageröhrchens, das durch das Trommelfell gelegt wird, durchgeführt werden. Alternativ kann die Parazentese mittels Laser oder monopolarer Kaustik (Schneiden mithilfe von Elektrizität) durchgeführt werden.

Anästhesieverfahren: Lokalanästhesie (örtliche Betäubung) oder Allgemeinanästhesie (Vollnarkose)
Operationsdauer: 10-20 Minuten

Nach der Operation

  • Einschränkungen bei Aktivitäten: Der Patient sollte direkt nach dem Eingriff nicht Auto fahren.
  • Verhaltensregeln bei Paukendrainage: Sofern eine Paukendrainage eingesetzt wurde, sollte Tauchen vermieden werden, um das Eindringen von Keimen ins Mittelohr zu verhindern.
  • Hygiene: Vorsichtiges Waschen, einschließlich Haarewaschen, ist in der Regel möglich, jedoch unter Beachtung von Vorsichtsmaßnahmen, um Wasser im Ohr zu vermeiden.

Mögliche Komplikationen

  • Akute Otorrhö* (Austritt von Sekreten aus dem äußeren Gehörgang; häufigste Komplikation)
  • Abrutschen des Drainageröhrchens in die Paukenhöhle
  • Abstoßung des Röhrchens
  • Dauerperforation des Trommelfells
  • Otitis media (Mittelohrentzündung)
  • Verletzung der Gehörknöchelchenkette

*Eine lokale Therapie mit Hydrokortison-Bacitracin-Colistin-Ohrentropfen war gegenüber einer oralen Amoxicillin/Clavulansäure-Präparat (30 mg Amoxicillin + 7,5 mg Clavulansäure/kg/Tag) überlegen. Nach zwei Wochen litten nur noch 5 % der mit Ohrentropfen behandelten Kinder gegenüber 44 % der Kinder unter oraler Antibiotikatherapie an einer Otorrhö [3].

Weitere Hinweise

  • Bei chronischer Otitis media und Paukenerguss zeigte sich längerfristig kein nennenswerter Vorteil gegenüber einer abwartenden Strategie. Das Hörvermögen war ebenfalls langfristig (nach ein bzw. zwei Jahre) nicht verbessert worden [4].
  • Es zeigte sich eine schwache Evidenz für den Einsatz von Paukenröhrchen bei rezidivierender Otitis media (wiederkehrender Mittelohrentzündung) zur Verringerung weiterer Episoden [4].
  • Choosing-Wisely-Empfehlung: Keine Paukenröhrchen bei ansonsten gesunden Kindern mit einer einmaligen Episode eines Paukenergusses über weniger als drei Monate.

Literatur

  1. Theissing J: HNO-Operationslehre. Georg Thieme Verlag 2006
  2. Reia M: Facharztwissen HNO-Heilkunde: Differenzierte Diagnostik und Therapie. Springer Verlag 2009
  3. Van Dongen TMA et al.: A Trial of Treatment for Acute Otorrhea in Children with Tympanostomy Tubes. N Engl J Med 2014; 370: 723-33
  4. Steele DW et al.: Effectiveness of Tympanostomy Tubes for Otitis Media: A Meta-analysis. Pediatrics 2017, e20170125; online 16. Mai; doi: 10.1542/peds.2017-0125