Kehlkopfentfernung (Laryngektomie)

Bei der Laryngektomie (Kehlkopfentfernung) handelt es sich um ein operatives therapeutisches Verfahren der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, bei der der menschliche Kehlkopf (Larynx; altgriech. λάρυγξ lárynx "Kehle") entfernt wird.

Grund für die Laryngektomie ist in den meisten Fällen ein fortgeschrittenes Larynxkarzinom (Kehlkopfkrebs) oder ein Hypopharynxkarzinom (Schlundrachenkrebs).

Eine Laryngektomie wird durchgeführt, wenn der Tumor für eine Strahlen- oder Chemotherapie bereits zu groß ist oder auf Nachbarorgane übergegriffen hat.

Man unterscheidet eine partielle Laryngektomie (Synonyme: Teillaryngektomie; Kehlkopfteilentfernung) von einer totalen Laryngektomie.

Eine Hemilaryngektomie (operative Entfernung einer Kehlkopfhälfte) wird bei streng einseitigem Befund vorgenommen.

Die partielle Laryngektomie wiederum wird unterschieden in eine "quere" und eine "senkrechte" partielle Laryngektomie [1]:

  • Bei der queren (supraglottischen) Teillaryngektomie bleibt die Stimmlippenebene erhalten und infolgedessen ist eine praktisch normale Stimmbildung möglich. Das Schlucken ist aber etwas erschwert.
  • Bei der senkrechten (suprakrikoidalen) Teillaryngektomie bereitet das Schlucken zwar wenig Probleme, die Stimmqualität ist aber deutlich beeinträchtigt, mit Dysphonie (Heiserkeit) bis zu annäherndem Stimmverlust (Aphonie).

Bei der totalen Laryngektomie wird der komplette Kehlkopf einschließlich Kehldeckel und Stimmlippen entfernt. Im Regelfall wird dabei auch zugleich eine sogenannte Neck-Dissection, d. h. Entfernung aller Lymphknoten des Halses, durchgeführt. Bei der radikalen Neck-Dissection werden neben den Halslymphknoten auch der Musculus sternocleidomastoideus, der Nervus accessorius und die Vena jugularis interna entfernt.

Ein Larynxkarzinom wird operiert, sofern der Tumor resektabel ist, das heißt eine R0-Resektion (Entfernung des Tumors im Gesunden; in der Histopathologie ist kein Tumorgewebe im Resektionsrand nachweisbar) mit entsprechenden Sicherheitsabständen durchgeführt werden kann. Die Resektionsränder sollten sich in einem intraoperativen Schnellschnitt vollständig im Gesunden darstellen.

Beachte: Von einer Tracheostomie (Luftröhrenschnitt) vor Laryngektomie ist soweit möglich abzusehen.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Glottische Karzinome (Stimmlippenkarzinom)

  • T1- und T2-Karzinome: transorale laserchirurgische Resektion (operative Entfernung durch den Mund) oder primäre Strahlentherapie (alleinige Strahlentherapie) 
  • Stadium pT3 pNx: vertikale frontolaterale Teilresektion des Kehlkopfes nach Leroux-Robert (in seltenen Fällen transoral) ggf. auch Laryngektomie (Kehlkopfentfernung) alternativ organerhaltendes Konzept (Radiochemotherapie, RCTX) bei Patienten, die eine operative Therapie ablehnen
    Auf eine Strahlentherapie kann verzichtet werden, wenn:
    • Resektion im Bereich der Mukosa (Schleimhaut) und den nicht von Knorpel umgebenen Tumoranteilen mit > 5 mm Gewebe in sano und 
    • ein- oder beidseitige Neck-Dissection (dt. „Halspräparation“) mit jeweils Nachweis von > 10 nicht befallenen Lymphknoten 

Supraglottische Karzinome (maligner (bösartiger) Tumor oberhalb der Glottis (Stimmlippenapparat))

  • T1- und T2-Karzinome: transorale laserchirurgische Resektion
  • T3 und insb. T3-Karzinome: vertikale frontolaterale Teilresektion (operative Teilentfernung) des Kehlkopfes nach Leroux-Robert oder externe klassische Teilresektion nach Alonso
  • T3 bis T4a-Karzinome, bei denen eine Teilresektion nicht mehr möglich ist: Laryngektomie (Sicherheitsabstand 5 mm)
    Auf eine Strahlentherapie kann verzichtet werden, wenn:
    • Resektion im Bereich der Mukosa und den nicht von Knorpel umgebenen Tumoranteilen mit > 5 mm Gewebe in sano ("im Gesunden") und 
    • ein- oder beidseitige Neck-Dissection (s. u. beachte) mit jeweils Nachweis von > 10 nicht befallenen Lymphknoten 
  • Hemilaryngektomie (operative Entfernung einer Kehlkopfhälfte) bei streng einseitigem Befund
  • Horizontale supraglottische Teilresektion bei Befall der Epiglottis (Kehldeckel)
  • Laryngektomie mit Neck dissection en bloc bei ausgedehntem Befund mit Metastasen (Tochtergeschwülsten); zusätzlich perkutane Nachbestrahlung (Strahlentherapie von außerhalb des Körpers)

Beachte: 

  • Bei supraglottischen Tumoren ist eine beidseitige elektive Neck-Dissection sinnvoll.
  • Bei Vorliegen eines cT4a-Karzinoms ist die Laryngektomie der primären Radio(chemo)therapie prognostisch überlegen.

Subglottische Karzinome (maligner (bösartiger) Tumor unterhalb der Glottis (Stimmlippenapparat))

  • T1- und T2-Karzinome: Hypopharynxteilresektion (Hypopharynx: unterste Teil des Pharynx (Rachen) von der Oberkante der Epiglottis (Kehldeckel) bis zum oberen Ösophagusmund (Speiseröhrenmund) bzw. einer gedachten Linie auf Höhe des Ringknorpels des Larynx' (Kehlkopfes))
  • Laryngektomie mit Hypopharynxteilresektion mit Strahlentherapie (Radiotherapie, Radiatio) bei fortgeschrittenen Tumoren
  • Bei inoperablen Tumoren: Tumorverkleinerung durch Laser und Strahlentherapie (Radiotherapie, Radiatio) oder Radiochemotherapie möglich

Hypopharynxkarzinome ("Schlund-Rachen-Krebs") mit Beteiligung des Larynx

  • Hypopharynxkarzinom resektabel und Larynx streng einseitig infiltriert: Teillaryngo-Pharyngektomie (Teilentfernung des Kehlkopfes und Entfernung des Rachens)
  • Hypopharynxkarzinom, das den Larynx über die Mittellinie hinaus infiltriert hat: Pharyngo-Laryngektomie

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Unzureichender Allgemeinzustand des Patienten: Schwere Begleiterkrankungen, die das Operations- und Narkoserisiko erheblich erhöhen.
  • Ausgeprägte Metastasierung: Insbesondere Fernmetastasen (Tochtergeschwülste, die in einem entfernteren Gewebe angesiedelt sind), die eine kurative Behandlung ausschließen.
  • Schlechte Prognose aufgrund anderer Faktoren: Beispielsweise aufgrund des Alters oder schwerwiegender Komorbiditäten.

Vor der Operation

  • Medizinische Untersuchungen: Dazu gehören bildgebende Verfahren, Bluttests und gegebenenfalls kardiologische Untersuchungen, um den Gesundheitszustand des Patienten zu beurteilen.
  • Aufklärung und Einwilligung: Der Patient muss über den Eingriff, mögliche Risiken und Konsequenzen, einschließlich der Veränderungen im Sprechen und Atmen, aufgeklärt werden.
  • Vorbereitung auf die postoperative Situation: Dies kann die Einrichtung einer PEG-Sonde* für die Ernährung und die Planung der postoperativen Rehabilitation umfassen.
  • Psychologische Betreuung: Da die Operation einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität hat, kann eine psychologische Betreuung angeboten werden.

*Die PEG (Perkutane endoskopische Gastrostomie) Magensonde ist eine in der Intensivpflege häufig genutzte Sonde, die bei langfristiger künstlicher Ernährung eingesetzt wird.

Die Operationsverfahren

Nachfolgend wird auf eine die detaillierte Beschreibung der unterschiedlichen Operationsverfahren verzichtet, da es den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.

Erwähnt werden soll allerdings, dass zunehmend durch neue Techniken des kanülenfreien Tracheostomas (Atemöffnung im Hals) und der frühen Verwendung einer HME-Casette (= Heat and Moisture Exchanger, Wärme-Feuchtigkeitsfilter), zur verbesserten pulmonalen Rehabilitation, die Operation in ihrem Ergebnis verbessert worden ist.

Wichtig für das Operationsverfahren ist das Verständnis der Funktion des Larynx (Kehlkopf), der im Wesentlichen die Aufgabe hat, Speise- und Luftwege voneinander zu trennen. So kann durch den Mund eingeatmete Luft in die Trachea (Luftröhre) gelangen und ebenfalls über den Mund aufgenommene Speise gelangt direkt in den Öophagus (Speiseröhre).

Nach der Laryngektomie, d. h. nach der Entfernung des Kehlkopfes, führt der Mund und damit die Speise nur noch in den Ösophagus (Speiseröhre). Die Luft wird nur noch über das Tracheostoma in die Trachea (Luftröhre) geleitet.

Anästhesieverfahren: Allgemeinanästhesie (Vollnarkose)
Operationsdauer: je nach Umfang 2-6 Stunden.

Nach der Operation

Ernährung

  • Magensonde oder PEG-Sonde: Während der Heilungsphase, die in der Regel 10 bis 14 Tage dauert, erfolgt die Ernährung über eine Magen- oder PEG-Sonde. Dies ermöglicht eine angemessene Ernährung, während der operierte Bereich heilt.

Weiterführende Therapie

  • Adjuvante Therapie bei fortgeschrittenem Krebs: Bei Patienten mit Larynx- oder Hypopharynxkarzinom im Stadium UICC III oder höher wird in der Regel eine adjuvante Radiotherapie oder Radiochemotherapie empfohlen. Diese sollte laut den Leitlinien des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) von 2018 spätestens sechs Wochen nach der Operation beginnen.

Rehabilitation und Anpassung

  • Stimmrehabilitation: Da der Kehlkopf eine zentrale Rolle bei der Stimmproduktion spielt, erfordert die postoperative Phase eine Anpassung an neue Methoden der Kommunikation, wie z. B. elektronische Sprechhilfen oder eine Ösophagusersatzstimme.
  • Physiotherapie: Ziel ist es, die Atmung zu optimieren und Schluckbeschwerden zu behandeln.
  • Psychosoziale Unterstützung: Die Anpassung an die veränderte Lebenssituation kann auch psychologische Betreuung erfordern.

Überwachung und Nachsorge

  • Regelmäßige medizinische Kontrollen: Diese dienen der Überwachung der Wundheilung und dem Management möglicher Komplikationen. Zusätzlich sind regelmäßige Nachuntersuchungen zur Krebsnachsorge wichtig.
  • Komplikationsmanagement: Mögliche Komplikationen wie Nachblutungen, Infektionen oder Probleme im Bereich des Tracheostomas müssen frühzeitig erkannt und behandelt werden.

Mögliche Komplikationen

  • Allergische Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock
  • Nachblutungen und Hämatome (Blutergüsse)
  • Blut kann in seltenen Fällen in die Atemwege gelangen und äußerst selten zu Atemproblemen führen
  • Infektionen
  • Beschädigung von Organen und Strukturen in der Nähe des Operationsgebietes (z. B. Schilddrüse, Speiseröhre)
  • Nervenschädigungen, da im Halsbereich viele Nerven verlaufen, die vor allem bei der häufig zusätzlichen Halsweichteilausräumung verletzt werden können. Je nach betroffenem Nerv können unterschiedliche Komplikationen auftreten:
    • Ramus marginalis mandibulae nervi facialis (unterer Ast des Gesichtsnerven): Beeinträchtigung der Unterlippenminik (Schiefstellung des Mundes mit hängendem Mundwinkel auf der betroffenen Seite)
    • Nervus hypoglossus (XII. Hirnnerv): ist für die motorische Innervation der Zunge zuständig (Bewegungseinschränkung der Zunge auf der betroffenen Seite)
    • Halssympathicus (Halsteil des Grenzstrangs des Sympathicus mit den Cervicalganglien und zugehörigen Faser): Horner-Syndrom: Trias einhergehend mit Miosis (Pupillenverengung), Ptosis (Herunterhängen des oberen Augenlids) und Pseudoenophthalmus (scheinbar eingesunkener Augapfel)
    • Plexus brachialis (Armnervengeflecht): Paresen (Lähmungen) im Bereich des Armes und der Hand auf der betroffenen Seite
    • Nervus accessorius (XI. Hirnnerv): motorischer Nerv, der den Musculus trapezius und den Musculus sternocleidomastoideus versorgt (Bewegung des Armes über die Horizontale ist dadurch nur erschwert möglich)
    • Nervus phrenicus (Zwerchfellnerv): Lähmung der betroffenen Seite (Zwerchfellhochstand mit Einschränkung der Lungenausdehnung und möglicher Atembehinderung)
  • Temporäre oder bleibende Weichteilschäden oder Narbenbildung (z. B. Engstellen in der Speiseröhre, Luftröhre oder am Schlund)
  • Hautemphysem (Luft in die Halsweichteile), sodass der gesamte Hals anschwellen kann; meistens wird die Luft innerhalb weniger Tage vom Körper aufgenommen
  • Fistelbildung
    • Pharyngokutane Fistel (PKF; Rachen-Haut-Fistel) – häufigste Komplikation nach der Totalexstirpation des Kehlkopfs
    • Pharyngotracheale Fistel (PTF): durch in die Lunge laufendes Sekret kann es zu einer Pneumonie (Lungenentzündung) kommen
  • Veränderung der Halsform 
  • Wundheilungsstörungen
  • Atemprobleme
  • Dysphagie (Schluckbeschwerden)
  • Riechverluste

Methoden des Stimmersatzes (Stimmrehabilitation) [Erfordernis ist abhängig von der Art der Operation (s. o.)]

  • Elektronische Sprechhilfe: Ein externes mit der Hand gehaltenes Gerät wird genutzt, das Schwingungen erzeugt und durch Anlegen an Hals oder Gesicht diese Schwingungen in den Mundraum überträgt. Der so erzeugte vibrierende Klang wird dann durch Zungen- und Lippenbewegung in Sprache umgewandelt.
  • Ruktusstimme (Synonym: Ösophagusersatzstimme): Der Patient lernt, Luft bewusst in die Speiseröhre zu drücken und diese für die Bildung von Lauten zu nutzen.
  • Stimmfistel, auch Shunt-Ventil (Prothesen-Ösophagusstimme): Meist Kunststoffventile, die chirurgisch zwischen Luft- und Speiseröhre eingebracht werden und die es erlauben, die Atemluft der Lunge (= Sprechluft) für die Stimmgebung zu verwenden.

Die so entstehende Stimme ist auch als "Ersatzstimme" bekannt.

Weitere Hinweise

  • Je höher die Fallzahlen für Laryngektomien in einer Klinik, desto höher die Erfolgsrate. Eine kritische Schwelle ist eine Fallzahl von sechs Larnygektomien pro Jahr. Mit steigender Fallzahl nahmen die Komplikationen weiter ab. Erst ab 28 Eingriffen pro Jahr waren die Ergebnisse gut [2].
  • Nach durchschnittlich einem Jahr treten bei ca. 30 % der Patienten nach Laryngektomie Rezidive (Wiederauftreten der Erkrankung) auf.

Literatur

  1. Schweizerische Gesellschaft für Oto‐Rhino‐Laryngologie, Hals‐ und Gesichtschirurgie Société suisse d’Oto‐Rhino‐Laryngologie et de Chirurgie cervico‐faciale Società Svizzera di Oto‐Rino‐Laringologia e di Chirurgia cervico‐facciale. Teillaryngektomie (Kehlkopfteilentfernung)
  2. Gourin CG et al.: Association of Hospital Volume With Laryngectomy Outcomes in Patients With Larynx Cancer. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2018; https://doi.org/10.1001/jamaoto.2018.2986

Leitlinien

  1. National Comprehensive Cancer Network (2018) NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology (NCCN® guidelines): head and neck cancers. National Comprehensive Cancer Network, Fort Washington (Version 2.2018)