Leistenhernie (Hernia inguinalis) – Operation einer Leistenhernie
Bei der Leistenhernie (Hernia inguinalis; Leistenbruch) handelt es sich um die häufigste Form eines Eingeweidebruchs.
Sie kommt beim Mann wesentlich häufiger vor als bei der Frau (6-8:1). Beim Mann liegt die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) bei circa zwei Prozent.
Das bevorzugte Alter liegt im sechsten Lebensjahrzehnt und bei Säuglingen. Bei Frühgeborenen liegt die Prävalenz bei 5-25 %.
Man kann einen direkten und einen indirekten Leistenbruch unterscheiden, wobei mehr als 70 % zu den indirekten Hernien zählen:
- Direkte Hernien passieren im Gegensatz zu den indirekten Hernien nicht den Leistenkanal.
- Indirekte Leistenhernien können angeboren oder erworben sein, direkte Hernien sind immer erworben.
Weiterhin kann man die Leistenhernie nach ihrer Größe unterscheiden:
- Hernia incipiens – Vorwölbung des Bruchsackes in den Leistenkanal
- Hernia completa – Hernie mit Bruchsack am äußeren Leistenring
- Hernia scrotalis – Hernie mit Bruchsack im Skrotum (Hodensack)
- Hernia labialis – Hernie, die bis in die Labien (Schamlippen) reicht
Indikation (Anwendungsgebiete)
- Hernia inguinalis
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Allgemeine Gesundheitszustand
- Schwerwiegende kardiopulmonale Erkrankungen, die das Risiko einer Vollnarkose erheblich erhöhen.
- Akute Infektionen, die das Risiko einer postoperativen Komplikation steigern können.
- Spezifische Bedingungen
- Lokale Hautinfektionen im Operationsgebiet.
- Vorliegen von Koagulopathien (Gerinnungsstörungen), die das Blutungsrisiko während der Operation erhöhen.
- Relative Kontraindikationen
- Extreme Adipositas, die den chirurgischen Zugang erschwert.
- Vorliegen von abdominalen Aortenaneurysmen (krankhafte Erweiterung der Aorta) oder anderen vaskulären Erkrankungen, die durch den chirurgischen Eingriff beeinflusst werden könnten.
- Spezielle Patientengruppen
- Bei Säuglingen und sehr alten Patienten ist eine sorgfältige Risikoabwägung erforderlich.
- Bei Patienten mit multiplen Vorerkrankungen ist eine individuelle Bewertung notwendig.
- Hernien-spezifische Faktoren
- Bei sehr kleinen Hernien, die keine Symptome verursachen und ein geringes Risiko für Einklemmungen aufweisen, kann manchmal auf eine Operation verzichtet werden.
Vor der Operation
- Gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung: Um den genauen Typ der Hernie und den Gesundheitszustand des Patienten zu bestimmen.
- Bildgebende Diagnostik: Häufig werden Ultraschalluntersuchungen durchgeführt, um die Hernie genauer zu beurteilen.
- Aufklärungsgespräch: Der Chirurg informiert den Patienten über das Verfahren, die möglichen Risiken und den erwarteten Heilungsverlauf.
- Medizinische Vorbereitung: Der Patient wird auf die Narkose vorbereitet, und es wird geprüft, ob Medikamente abgesetzt werden müssen, die die Blutgerinnung beeinflussen könnten.
Die Operationsverfahren
Die Herniotomie (Synonym: Bruchoperation) ist eine Operation zur Entfernung bzw. Korrektur einer Hernie.
Bei der Operation der Hernia inguinalis (Inguinalhernie; Leistenburch) unterscheidet man zwischen einer offenen Operation und einer Operation im Sinne eines Schlüssellochverfahren (Laparoskopie; minimalinvasives Verfahren).
Bei der offenen Operation (nach Shouldice) wird ein Schnitt in der Leiste gemacht, um die betroffenen Strukturen freizulegen. Danach wird meist ein Kunststoffnetz eingelegt und die einzelnen Schichten werden gut vernäht.
Als Komplikationen bei der offenen Operation können Wundheilungsstörungen, Infektionen, Blutungen, Nerven- und Gefäßschädigungen oder Verletzungen der inneren Organe vorkommen (siehe unten unter mögliche Komplikationen). Des Weiteren kann es zur Sterilität und zu einem Hodenhochstand kommen. Auch kann ein Rezidiv, das heißt ein Wiederauftreten einer Leistenhernie, auftreten.
Bei der laparoskopischen Hernienoperation werden kleine Schnitte angelegt, um die Instrumente einführen zu können, mit denen dann per Videokamera operiert wird. Auch bei dieser Form der Operation wird meistens ein Kunststoffnetz eingelegt.
Bei dieser Form der Operation kann es neben den oben bereits genannten Komplikationen vermehrt zu Dysästhesien (Missempfindungen), Orchitis (Hodenentzündung), Skrotalemphysem (Luftansammlung im Hodensack) und zur Hydrozele (Wasserbruch) kommen (siehe unten unter mögliche Komplikationen.
Welche Form der Operation gewählt wird, hängt vom Zustand, dem genauen Befund und den Begleiterkrankungen des Patienten ab.
Die Operation wird überwiegend in Allgemeinanästhesie (Vollnarkose) durchgeführt. Bei Säuglingen jedoch häufig mit einer Spinalanästhesie ("Rückenmarksbetäubung").
Operationsdauer: 0,5-1 Stunde
Nach der Operation
- Überwachung: Unmittelbar nach der Operation erfolgt eine Überwachung, um Komplikationen wie Blutungen oder Infektionen frühzeitig zu erkennen.
- Schmerzmanagement: Schmerzmittel werden verabreicht, um den postoperativen Schmerz zu lindern.
- Frühmobilisation: Patienten werden ermutigt, so früh wie möglich aufzustehen und sich zu bewegen, um das Risiko von Thrombosen zu verringern.
- Wundpflege: Die Wunde muss sauber und trocken gehalten werden, um Infektionen zu verhindern.
- Nachsorgeuntersuchungen: Regelmäßige Nachsorgetermine sind notwendig, um den Heilungsprozess zu überwachen und mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen.
Mögliche Komplikationen
- Bei Verengung der Bruchpforte durch Nähte oder durch Vernarbungen kann es beim Leistenbruch des Mannes zu einer Schädigung der blutversorgenden Gefäße bzw. des Samenleiters kommen. Dieses kann zu einer vorübergehenden Schwellung der Hoden führen. In sehr seltenen Fällen kann es zu einer Hodenatrophie (Hodenschrumpfung) oder sogar zu einem Hodenverlust führen.
- Häufig kommt es zu einer Blauverfärbung der Haut bis ins Skrotum (Hodensack) durch Bildung eines Hämatoms (Bluterguss), der sich im Regelfall innerhalb von Tagen bis Wochen selbst zurückbildet.
- Bei Rückverlagerung von sehr großen Brüchen kann es aufgrund eines massiven Druckanstiegs intraabdominal (in der Bauchhöhle) zu einem sogenannten abdominellen Kompartmentsyndrom kommen. Dieses kann durch die druckbedingte Minderung der Durchblutung zu Schädigungen der im Kompartiment
liegenden Gewebe und Organe (Herz, Lunge, Leber, Nieren, Darm) führen und es kann damit ggf. bis zu einem Multiorganversagen (MOV) kommen.
- Bei Operation einer Hernia femoralis (Femoralhernie; femorale Hernie; Schenkelhernie) kann es in sehr seltenen Fällen zu einer zu einer Thrombose (Bildung eines Blutgerinnsels in einem Blutgefäß), mit der Folge einer Durchblutungsstörung des Beines kommen.
- Bei der laparoskopischen Hernienoperation sind folgende weitere Komplikationen möglich:
- Pneumothorax – Anwesenheit von Luft im Pleuraspalt (eigentlich luftleerer Raum zwischen dem Rippen- und Lungenfell)
- Hautemphysem – übermäßiges Vorkommen von Luft in der Haut durch eine Verletzung während der Laparoskopie
- Wundheilungsstörungen
- Verletzungen innerer Organe (Darm, Harnblase, Harnleiter, Samenleiter) oder großer Blutgefäße (Aorta (große Körperschlagader) oder Arteria iliaca communis (Beckenschlagader) und große Venen) sind selten
- Bruch der Bauchnaht (Platzbauch) (sehr selten)
- Adhäsionen (Verwachsungen) im Bauchraum. Dieses kann nach längerer Zeit zu einem Ileus (Darmverschluss) führen.
- Wie nach jedem operativen Eingriff kann es zu einer Thrombose (Bildung eines Blutgerinnsels) kommen, mit der möglichen Folge einer Embolie (Verschluss eines Blutgefäßes) und damit einer Lungenembolie (Lebensgefahr). Eine Thromboseprophylaxe führt zu einer Risikoreduktion.
- Durch die Verwendung von elektrischen Geräten (z. B. Elektrokoagulation) kann es zu Kriechströmen kommen, die zu Haut- und Gewebeschäden führen können.
- Durch die Lagerung auf dem Operationstisch kann es zu Lagerungsschäden (z. B. Druckschäden an Weichteilen oder auch an Nerven, mit der Folge von Empfindungsstörungen kommen; in seltenen Fällen dadurch auch zu Lähmungen des betroffenen Gliedes).
- Bei Überempfindlichkeit bzw. Allergien (z. B. Betäubungs-/Narkosemittel, Medikamente etc.) kann es vorübergehend zu folgenden Beschwerden kommen: Schwellung, Hautausschlag, Juckreiz, Niesen, tränende Augen (Augentränen), Schwindel oder Erbrechen.
- Infektionen, nach denen schwere lebensbedrohliche Komplikationen betreffend Herz, Kreislauf, Atmung etc. auftreten, sind sehr selten. Ebenso sind bleibende Schäden (z. B. Lähmungen) und lebensbedrohende Komplikationen (z. B. Sepsis/Blutvergiftung) nach Infektionen sehr selten.
- Mortalität (Sterberate) bei Herniotomien ohne gleichzeitige Darmoperation: 0,13 % (Deutschland; Zeitraum: 2009-2013) [1]
Literatur
- Nimptsch U, Mansky T: Deaths Following Cholecystectomy and Herniotomy: An Analysis of Nationwide German Hospital Discharge Data From 2009 to 2013. Dtsch Arztebl Int 2015; 112(31-32): 535-43. doi: 10.3238/arztebl.2015.0535