Lebertransplantation (LTx)
Die Lebertransplantation (LTx) ist ein etabliertes chirurgisches Verfahren zur Behandlung terminaler Lebererkrankungen (endgültiges Leberversagen). Sie stellt die einzige kurative Therapieoption (heilende Behandlungsmöglichkeit) für Patienten mit irreversibler Leberinsuffizienz (nicht umkehrbare Leberfunktionsstörung) oder bestimmten hepatischen Malignomen (bösartigen Lebertumoren) dar. Die komplexe Operation erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Hepatologen (Leberfachärzten), Abdominalchirurgen (Bauchchirurgen), Anästhesisten (Narkoseärzten) und Intensivmedizinern (Spezialisten für Intensivmedizin).
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Die Indikation (Gründe für eine Behandlung) zur LTx wird gestellt, wenn die erwartete Überlebensrate mit Transplantation höher ist als ohne. Kriterien umfassen:
- Fulminantes Leberversagen (plötzliches, schweres Leberversagen)
- Massive hepatische Nekrose (ausgedehntes Absterben von Lebergewebe)
- Schwere Koagulopathie (schwere Gerinnungsstörung) – INR > 2,0 trotz Vitamin-K-Gabe
- Hepatische Enzephalopathie (Gehirnfunktionsstörung durch Leberversagen) – Stadium III-IV nach West-Haven-Klassifikation
- Hyperbilirubinämie (erhöhter Bilirubinspiegel) – Bilirubin > 20 mg/dl
- Dekompensierte Leberzirrhose (fortgeschrittene, nicht mehr ausgleichbare Lebervernarbung)
- Aszites (Bauchwassersucht) – therapierefraktär (nicht auf Behandlung ansprechend), rezidivierend (wiederkehrend)
- Ösophagusvarizenblutung (Blutung aus erweiterten Speiseröhrenvenen) – unstillbare oder rezidivierende Blutungen
- Child-Pugh-Klasse C – MELD-Score > 15
- Maligne Lebererkrankungen (bösartige Leberkrankheiten)
- Hepatozelluläres Karzinom (Leberkrebs) – innerhalb der Mailand-Kriterien
- Cholangiokarzinom (Gallengangskrebs) – selektive Indikation
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Absolute Kontraindikationen (absolute Gegenanzeigen):
- Multiorganversagen (Versagen mehrerer Organe) – Leber, Niere, Lunge, Herz
- Pulmonalarterielle Hypertonie (Lungenhochdruck) – mPAP > 50 mmHg
- Aktive Sepsis (schwere Blutvergiftung)
- Unreparierbare vaskuläre Anomalien (nicht korrigierbare Gefäßfehlbildungen)
Relative Kontraindikationen (relative Gegenanzeigen):
- BMI > 40 kg/m² (schwere Adipositas)
- Schweres kardiopulmonales Risiko (erhöhtes Risiko für Herz- und Lungenkomplikationen)
- Aktiver Substanzmissbrauch (laufender Drogen- oder Alkoholmissbrauch)
Vor der Operation
Präoperative Diagnostik (Untersuchungen vor der Operation):
- Bildgebung (radiologische Untersuchung): Computertomographie (CT) der Lebergefäße
- Kardiopulmonale Abklärung (Herz- und Lungenuntersuchung): Echokardiographie, Rechtsherzkatheter
- Labordiagnostik (Blutuntersuchungen): Gerinnung, Transaminasen (Leberwerte), Nierenparameter
Organallokation (Zuteilung von Spenderorganen):
- MELD-basiertes System (Model for End-Stage Liver Disease zur Priorisierung der Transplantation)
- High-Urgency-Kriterien (Dringlichkeitskriterien) für akutes Leberversagen
Operationsverfahren
Die LTx erfolgt als orthotope Transplantation (Einsetzen der neuen Leber an die Stelle der alten). Technische Schritte umfassen:
- Explantation der erkrankten Leber (Entfernung der alten Leber)
- Mobilisation mit Ligatur der Lebergefäße (Vorbereitung der Gefäße)
- Exzision (Herausschneiden der Leber) unter Erhalt der Vena cava inferior oder als Cava-Ersatztechnik
- Implantation der Spenderleber (Einsetzen des neuen Organs)
- Vaskuläre Anastomosen (Gefäßerneuerungen)
- V. cava inferior oder Piggyback-Technik
- V. portae (Pfortader)
- A. hepatica (Leberarterie) mit Mikrogefäßnaht
- Biliäre Anastomose (Wiederherstellung der Gallengänge)
- Choledocho-Choledochostomie oder Roux-en-Y Hepaticojejunostomie
- Reperfusion (Wiederherstellung des Blutflusses)
- Perfusionstestung, Hämodynamik-Stabilisierung
- Kontrolle der Galleproduktion
Nach der Operation
Intensivmedizinische Überwachung (postoperative Betreuung auf der Intensivstation):
- Invasives hämodynamisches Monitoring (kontinuierliche Überwachung des Blutkreislaufs)
- Engmaschige Gerinnungs- und Leberwertkontrollen (häufige Blutuntersuchungen)
- Immunsuppressive Induktionstherapie (Behandlung zur Verhinderung der Abstoßung)
Langfristige Nachsorge:
- Regelmäßige Biopsien (Gewebeentnahmen) zur Früherkennung einer chronischen Abstoßung
- Tumorscreening (Früherkennung bösartiger Erkrankungen), metabolische Überwachung (Kontrolle des Stoffwechsels)
Mögliche Komplikationen
Frühkomplikationen:
- Primäre Transplantatdysfunktion (unzureichende Organfunktion nach Reperfusion)
- Vaskuläre Komplikationen (Gefäßthrombosen oder -stenosen)
- Biliäre Komplikationen (Gallengangleckagen, Strikturen)
- Infektionen (z. B. nosokomiale Pneumonien, Wundinfektionen)
- Akute Abstoßungsreaktion (T-Zell-vermittelte Immunantwort gegen das Transplantat)
Spätkomplikationen:
- Chronische Abstoßung (fortschreitende Transplantatschädigung)
- Posttransplantations-Diabetes (durch Immunsuppression bedingter Diabetes)
- De-novo-Malignome (neu auftretende Tumoren, z. B. Haut- oder Lymphome)
- Kardio-vaskuläre Erkrankungen (z. B. Hypertonie, koronare Herzkrankheit)
Fazit
Die Lebertransplantation ist ein technisch anspruchsvoller Eingriff mit hohen Anforderungen an die perioperative Betreuung. Fortschritte in der Organallokation, der Immunsuppression und der chirurgischen Technik verbessern langfristig die Prognose und Lebensqualität der Patienten.
Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Lebertransplantation. (AWMF-Registernummer: 021-029), Dezember 2023 Langfassung