Störungen der Vestibularfunktion – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Das Vestibularorgan ist ein Teil des Innenohrs und spielt eine zentrale Rolle bei der Steuerung des Gleichgewichts. Es besteht aus den drei Bogengängen (zuständig für die Wahrnehmung von Drehbewegungen) und den Maculaorganen (Sacculus und Utriculus), die lineare Beschleunigungen erfassen. Die Sinnesinformationen werden über den VIII. Hirnnerv (Nervus vestibulocochlearis) zu den Vestibulariskernen im Hirnstamm weitergeleitet, wo sie verarbeitet werden.
Bilaterale Vestibulopathie (BV)
Bei der bilateralen Vestibulopathie handelt es sich um eine beidseitige Funktionsminderung oder einen Ausfall des Nervus vestibularis und/oder des Vestibularorgans. Dies führt zu Schwindel, Unsicherheit beim Gehen und Stehen, besonders im Dunkeln oder auf unebenem Boden. Die genaue Ursache ist oft unklar, kann aber mit alterungsbedingten Veränderungen, toxischen Einflüssen (z. B. durch Medikamente) oder neurologischen Erkrankungen in Verbindung stehen.
Akute Unilaterale Vestibulopathie
Diese Form betrifft einen einseitigen Ausfall des Vestibularsystems. Es wird angenommen, dass eine Reaktivierung einer latenten Herpes-simplex-Virus-1-Infektion eine Rolle spielt. Der plötzliche Ausfall führt zu heftigem Drehschwindel, Übelkeit und einem unsicheren Gang, da die asymmetrische Funktion des Vestibularsystems das Gleichgewicht stark beeinträchtigt.
Benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV)
Der BPPV ist die häufigste Ursache für peripheren Schwindel. Er wird durch Otolithen (kleine Kalziumkarbonatkristalle), die sich aus den Maculaorganen gelöst haben und in die Bogengänge wandern, verursacht. Diese Kristalle stören die normale Endolymphbewegung, was bei bestimmten Kopfbewegungen zu kurzzeitigen, intensiven Schwindelanfällen führt.
Morbus Menière
Morbus Menière ist durch endolymphatischen Hydrops gekennzeichnet, eine pathologische Flüssigkeitsansammlung im Vestibularorgan. Dies führt zu Schwindel, Hörverlust und Tinnitus. Die genaue Ursache ist unbekannt, jedoch wird eine gestörte Endolymphresorption vermutet.
Vestibularisparoxysmie
Bei der Vestibularisparoxysmie kommt es zu einer kurzzeitigen, paroxysmalen Erregung oder Hemmung des Nervus vestibularis. Als Ursache wird ein Gefäß-Nerv-Kontakt vermutet, wobei eine Kompression durch ein Blutgefäß die Funktion des Nervs stört. Diese kann aber auch bei Gesunden ohne Beschwerden auftreten.
Alterungsbedingte Vestibularstörungen
Mit dem Alter nehmen die Funktionen des Vestibularorgans ab:
- Sensorische Epithelien und Otolithen im Vestibularorgan altern, was die Effizienz der Wahrnehmung von Bewegungen und Gleichgewichtsreaktionen beeinträchtigt.
- Die Zahl der Neuronen in den Vestibulariskernen nimmt ab dem 40. bis 50. Lebensjahr um etwa 3 % pro Dekade ab, was die Fähigkeit zur Verarbeitung von Gleichgewichtsinformationen verringert.
- Kardiovaskuläre Einschränkungen: Mit zunehmendem Alter können die Fähigkeit zur Kompensation von Gleichgewichtsstörungen beeinträchtigen, da der Blutfluss zum Gehirn reduziert wird.
Diese altersbedingten Veränderungen können zu einem erhöhten Risiko für Schwindel, Unsicherheit beim Gehen und eine allgemeine Verschlechterung des Gleichgewichtssinns führen.
Ätiologie (Ursachen)
Peripher-vestibuläre Ursachen (Störung des Labyrinths und/oder des retrolabyrinthären Bereiches)
- Bilaterale Vestibulopathie (BV), z. B.
- Cogan Syndrom: Cogan-I-Syndrom – seltene Erkrankung mit vestibulocochleären Symptomen und einer nichtsyphilitischen interstitiellen Keratitis (Hornhautentzündung)
- bilateraler Morbus Menière
- familiäre Vestilopathie
- Meningitis (Hirnhautentzündung)
- kongenitale (angorene) Fehlbildungen
- Akute oder subakute unilaterale vestibuläre Funktionsausfall (das Labyrinth und/oder den Nervus vestibularis betreffend)
- Inadäquate paroxysmale Reizphänome des peripheren vestibulären Systems, z. B. des Labyrinths:
- Benigne paroxysmale Lagerungsschwindel (BPLS)
- Vestibularisparoxysmie des Nervus vestibularis
Zentral-vestibuläre Schwindelform (Läsionen entlang vestibulärer Verbindungen von den Vestibulariskernen in der Medulla oblongata zu den okulomotorischen Kernen und Integrationszentren im rostralen Mittelhirn sowie zum Vestibulozerebellum, Thalamus und vestibulären Kortex im temporoparietalen Großhirn (Brandt et al., 2004))
- Hirnstammläsionen
- Morbus Parkinson (Schüttelkrankheit; Schüttellähmung)
- Multiple Sklerose (MS)
- Zerebrovaskulär – durch Störungen der Durchblutung des zentralen Nervensystems
- Zerebelläre Läsionen – Schädigungen des Kleinhirns
Nicht-vestibuläre organische Ursachen
- Chronische Hypoxie (Sauerstoffmangel)
- Dumping-Syndrom (Sturzentleerung flüssiger und fester Nahrung vom Magen in den Dünndarm)
- Elektrolytstörungen, Dehydratation (Flüssigkeitsmangel)
- Hämatopoetische Erkrankungen (Bluterkrankungen)
- Intoxikationen (Alkohol, Drogen und andere Noxen)
- Kardiovaskuläre Ursachen (Herzkreislauf-Erkrankungen)
- bradykarde (Herzschlag unter 60 Schläge pro Minute) und tachykarde (Herzschlag über 100 Schläge pro Minute) Herzrhythmusstörungen
- hypotone ("mit niedirgen Blutdruck einhergehend") Regulationsstörungen
- Strombahnhindernisse
- basiläre Migräne
- vertebrobasilären Insuffizienz
- Subclavian-Steal-Syndrom
- strukturellen Herzerkrankungen mit vermindertem Herzminutenvolumen (HMV)
- Ophthalmologische ("augenbedingte") Ursachen
- Katarakt (grauer Star)
- Okulärer Schwindel ("vom Auge ausgelöster Schwindel)
- Retinopathie (Erkrankungen der Netzhaut)
- Pharmakogene Ursachen (siehe unter "Schwindel durch Medikamente")
- Polyneuropathie
- Stoffwechselerkrankungen
- z. B. Hypoglykämie (Unterzuckerung)
- Trauma induzierter Schwindel (Schädel-Hirn-Trauma (SHT); HWS-Distorsionen)
Menière-Krankheit
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Der genaue Auslöser des Morbus Menière ist bis heute unbekannt, jedoch geht man von einer multifaktoriellen Störung der Innenohrhomöostase aus. Im Zentrum dieser Erkrankung steht die Bildung eines endolymphatischen Hydrops, bei dem es zu einer übermäßigen Ansammlung von Endolymphe (eine kaliumreiche Flüssigkeit) im häutigen Labyrinth des Innenohrs kommt.
Endolymphatische Rückresorptionsstörung
Eine der zentralen Annahmen ist eine Rückresorptionsstörung der Endolymphe, die normalerweise im endolymphatischen Sack reguliert wird. Wenn diese Funktion gestört ist, kommt es zu einem Überdruck im Vestibularsystem und Cochlea. Dieser Druck führt zu einem endolymphatischen Hydrops, bei dem die Ansammlung der Flüssigkeit das Gleichgewichtssystem und das Hörorgan beeinträchtigt.
Vermischung von Endolymphe und Perilymphe
Bei einer ausgeprägten Druckerhöhung im Innenohr kann es zu Rissen in der Reissner-Membran kommen. Diese Membran trennt die kaliumreiche Endolymphe von der natriumreichen Perilymphe. Die Vermischung der beiden Flüssigkeiten stört die elektrochemischen Gleichgewichte im Innenohr, was zu einer Beeinträchtigung der Funktion des Vestibular- und Hörsystems führt und die für Morbus Menière typischen Symptome wie Schwindel, Tinnitus und Hörverlust auslöst.
Schädigung der Nervenfasern
Die gestörte Homöostase und der erhöhte Druck im Innenohr können auch zu einer Schädigung der Nervenfasern des Hörnervs führen, was zum fortschreitenden Hörverlust beiträgt. Die wiederholten Episoden der endolymphatischen Druckerhöhung und Flüssigkeitsmischung verursachen schrittweise Schäden an den empfindlichen Strukturen des Innenohrs.
Multifaktorielle Genese
Die genauen Mechanismen hinter der Entstehung des endolymphatischen Hydrops sind nicht vollständig verstanden, doch es wird angenommen, dass genetische, vaskuläre, autoimmunologische und infektiöse Faktoren eine Rolle spielen könnten. Die Symptome treten oft spontan und episodisch auf, was die Diagnose und Behandlung der Krankheit erschwert.
Der endolymphatische Hydrops gilt als zentrales Merkmal der Pathogenese von Morbus Menière, doch die genaue Ursache dieser Störung bleibt weiterhin Gegenstand der Forschung.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Vegetativ labile Personen
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Salzaufnahme reduzieren – Eine natriumarme Ernährung unterstützt die Flüssigkeitsregulation im Innenohr.
- Vermeidung von koffeinhaltigen Lebensmitteln und Getränken – Kann Symptome durch nervale Stimulation verstärken.
- Ausreichende Hydration – Fördert einen stabilen Flüssigkeitshaushalt und beugt Symptomen vor.
- Genussmittelkonsum
- Alkoholabusus (Alkoholabhängigkeit) – Kann die Regulation des Flüssigkeitshaushalts im Innenohr beeinträchtigen.
- Nikotinabusus (Nikotinabhängigkeit) – Fördert vasokonstriktive Effekte, die das Innenohr schädigen können.
- Drogenkonsum – Psychoaktive Substanzen können das zentrale Nervensystem beeinträchtigen und Symptome wie Schwindel verstärken.
- Psycho-soziale Situation
- Stressbewältigung – Stress kann Symptome verschärfen; Entspannungstechniken wie Yoga oder progressive Muskelentspannung können hilfreich sein.
Krankheitsbedingte Ursachen
- Allergien, nicht näher bezeichnet
- Virusreaktivierung, nicht näher bezeichnet
Benigne paroxysmale Lagerungsschwindel (BPLS)
Synonym: benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV)
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel (BPLS/BPPV) entsteht durch die Kanalolithiasis oder Kupulolithiasis. Dabei handelt es sich um das Vorhandensein von kleinen Otolithen (Kristallen/Steinchen), die sich von den Otolithorganen (Utriculus und Sacculus) im Innenohr gelöst haben und in einen der Bogengänge des Gleichgewichtsorgans (meist den posterioren oder horizontalen Bogengang) gewandert sind.
Kanalolithiasis
Bei der Kanalolithiasis schwimmen die gelösten Otolithen frei in der Endolymphe der Bogengänge und bewegen sich bei bestimmten Kopfbewegungen. Diese Bewegung der Otolithen führt zu einer abnormalen Reizung der Haarzellen im Bogengang, was das Gehirn als Drehschwindel wahrnimmt.
Kupulolithiasis
Bei der Kupulolithiasis haften die Otolithen an der Cupula (gelartige Struktur innerhalb der Bogengänge). Dies führt dazu, dass die Cupula bei Kopfbewegungen träger reagiert als normal, was ebenfalls zu einer übermäßigen Reizung der Haarzellen führt und Schwindel verursacht.
Alterungsprozesse und Ursachen
Die Ablösung der Otolithen wird häufig mit Alterungsprozessen in Verbindung gebracht, die zu einer Degeneration der Otolithmembran führen können. Andere mögliche Ursachen umfassen Kopfverletzungen, Infektionen oder entzündliche Prozesse im Innenohr. Auch längere Bettruhe oder Operationen können das Risiko für die Entwicklung von BPPV erhöhen.
Das Hauptsymptom des BPPV ist kurzzeitiger Drehschwindel, der durch bestimmte Kopfbewegungen ausgelöst wird. Die Schwindelanfälle sind in der Regel kurz (wenige Sekunden bis Minuten) und verschwinden nach einer kurzen Ruhepause.
In 95 % der Fälle bleibt die Ätiologie unklar.
Ätiologie (Ursachen)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr – Unterstützt die physiologische Funktion des Innenohrs.
- Drogenkonsum – Konsum psychoaktiver Substanzen kann die Funktion des Gleichgewichtsorgans beeinflussen und das Risiko für Schwindel erhöhen.
- Verhaltensanpassungen
- Langsame Kopfbewegungen – Vermeidung plötzlicher Bewegungen, insbesondere beim Aufstehen oder Hinlegen.
- Schlafen mit erhöhtem Oberkörper – Reduziert das Risiko der Otolithenbewegung.
- Therapeutische Ansätze
- Lagerungsmanöver (z. B. Epley-Manöver) – Unterstützt die Rückführung der Otolithen im Innenohr.
Krankheitsbedingte Ursachen
Ohren – Warzenfortsatz (H60-H95)
- Morbus Menière
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Migräne, vestibuläre
Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Schädel-Hirn-Trauma (SHT) – hier relativ oft ein bilateraler BPLS: jeder fünfte entwickelt innerhalb von zwei Wochen nach dem Ereignis einen BPLS; 40 % mit moderatem SHT entwickeln einen BPLS [2]
Weiteres
- Zustand nach akuter einseitiger Vestibulopathie ("postinfektiöser BPLS“)
- Längere Bettlägerigkeit
Neuropathia vestibularis
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Neuritis vestibularis ist gekennzeichnet durch einen akuten, meist einseitigen Ausfall des Vestibularorgans, der durch eine Entzündung des Nervus vestibularis (VIII. Hirnnerv, Gleichgewichtsnerv) verursacht wird. Diese Entzündung führt zu einer Funktionsstörung des Gleichgewichtsorgans im Innenohr, was sich in plötzlichem, schwerem Drehschwindel, Übelkeit und Gleichgewichtsstörungen äußert.
Entzündlicher Prozess
Die Entzündung des Nervus vestibularis führt zu einer Blockade der Nervenleitung, was den Ausfall der Gleichgewichtsfunktion zur Folge hat. Der Grad des Funktionsverlustes kann unterschiedlich stark sein: von einem vollständigen bis zu einem teilweisen Ausfall der Funktion des betroffenen Vestibularorgans.
Zentrale Kompensation
Nach dem initialen Ausfall setzt eine zentrale Kompensation ein, bei der das zentrale Nervensystem versucht, die Funktionsstörung durch Anpassung der vestibulären Bahnen zu kompensieren. Diese Kompensationsprozesse dauern in der Regel mehrere Tage bis Wochen, sodass der Schwindel mit der Zeit abnimmt und sich das Gleichgewicht verbessert.
Unbekannte Ursache
Die genaue Ätiologie der Neuritis vestibularis ist nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass virale Infektionen, insbesondere eine Reaktivierung des Herpes-simplex-Virus (HSV), eine Rolle bei der Entzündung des Nervus vestibularis spielen könnten. Andere mögliche Ursachen wie autoimmune Prozesse oder vaskuläre Faktoren werden ebenfalls diskutiert.
Symptome und Verlauf
Patienten mit Neuritis vestibularis erleben einen plötzlichen Drehschwindel, der oft von Übelkeit, Erbrechen und Gleichgewichtsstörungen begleitet wird. Im Gegensatz zu anderen vestibulären Störungen, wie dem Morbus Menière, tritt bei der Neuritis vestibularis in der Regel kein Hörverlust oder Tinnitus auf.
Die Symptome sind anfangs stark ausgeprägt, bessern sich jedoch im Verlauf der zentralen Kompensation, die einige Wochen dauern kann.
Bilaterale Vestibulopathie
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die bilaterale Vestibulopathie ist eine vestibuläre Erkrankung, die durch den kompletten Ausfall oder ein inkomplettes Defizit beider Labyrinthe (das Gleichgewichtsorgan im Innenohr) und/oder der Vestibularisnerven (Nervus vestibularis) gekennzeichnet ist. Dies führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gleichgewichtssinns und der Raumwahrnehmung.
Funktionsverlust der Labyrinthe und/oder Vestibularisnerven
Der zentrale Mechanismus der bilateralen Vestibulopathie ist der Verlust der Funktion beider Labyrinthe (die Bogengänge und die Maculaorgane im Innenohr) oder der Nervus vestibularis auf beiden Seiten. Dieser Funktionsverlust kann entweder vollständig oder unvollständig sein, was zu einer stark beeinträchtigten vestibulären Wahrnehmung führt. Die betroffenen Personen haben Schwierigkeiten, die Position und Bewegung des Kopfes im Raum korrekt wahrzunehmen.
Idiopathische und bekannte Ursachen
In etwa 50 % der Fälle ist die Ursache der bilateralen Vestibulopathie idiopathisch, das heißt, sie bleibt unbekannt. In den anderen Fällen können verschiedene Faktoren zur Entwicklung der Erkrankung beitragen:
- Ototoxische Medikamente: Der Einsatz von Medikamenten wie Aminoglykosid-Antibiotika (z. B. Gentamicin) kann die Haarzellen im Vestibularorgan schädigen, was zu einem bilateralen Funktionsausfall führt.
- Alterungsprozesse: Im fortgeschrittenen Alter kann es zu einer degenerativen Veränderung der vestibulären Haarzellen kommen, was das Risiko einer bilateralen Vestibulopathie erhöht.
- Autoimmunerkrankungen: Autoimmunreaktionen gegen das Innenohr können zu einer bilateralen Schädigung der Labyrinthe und/oder der Vestibularisnerven führen.
- Meningitis: Eine Infektion der Hirn- und Rückenmarkshäute kann die peripheren Gleichgewichtsnerven schädigen und zu einem beidseitigen Vestibularausfall führen.
Symptome und zentrale Kompensation
Die bilaterale Vestibulopathie führt zu Symptomen wie Unsicherheit beim Gehen, besonders auf unebenem Untergrund oder im Dunkeln, sowie zu einem verminderten Gleichgewichtssinn. Patienten haben oft kein Schwindelgefühl, da es keinen asymmetrischen Ausfall des Vestibularsystems gibt, aber sie fühlen sich instabil und können Bewegungen des Kopfes nicht korrekt wahrnehmen.
Im Verlauf setzt eine zentrale Kompensation ein, bei der das Gehirn versucht, den vestibulären Verlust durch visuelle und propriozeptive Informationen zu kompensieren. Dies ist jedoch nur teilweise erfolgreich, und viele Patienten bleiben dauerhaft eingeschränkt.
Ätiologie (Ursachen) der sekundären Form der bilateralen Vestibulopathie
Krankheitsbedingte Ursachen
Ohren – Warzenfortsatz (H60-H95)
- Morbus Menière
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Meningitis (Hirnhautentzündung)
Medikamente
- Aminoglykoside – Wirkstoffe aus der Gruppe der Antibiotika (Medikamente, die gegen bakterielle Infektionen eingesetzt werden)
Vestibularisparoxysmie
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Vestibularisparoxysmie ist eine Erkrankung, die durch kurze, wiederkehrende Schwindelanfälle charakterisiert ist. Ursächlich liegt eine Kompression des VIII. Hirnnerven (Nervus vestibulocochlearis) im Bereich des Hirnstamms vor. Diese Kompression führt zu einer abnormen Erregung oder Funktionsstörung des Nervs, die das Gleichgewichtssystem beeinträchtigt.
Neurovaskuläre Kompression
Die Ursache der Vestibularisparoxysmie ist in der Regel eine neurovaskuläre Kompression: Ein Blutgefäß, oft eine arterielle Schleife, drückt auf den Nervus vestibularis im Bereich des Hirnstamms. Dieser kontinuierliche Druck führt zu einer Reizung oder Demarkierung des Nervs, wodurch es zu Fehlfunktionen bei der Weiterleitung von Gleichgewichtssignalen kommt.
Abnorme Nervenleitung
Die durch die Kompression verursachte Reizung des Nervs führt zu paroxysmalen (anfallsartigen) Entladungen der betroffenen Nervenfasern. Diese Fehlentladungen verursachen die typischen Schwindelattacken, die meist nur einige Sekunden bis Minuten andauern. Dabei kann der Schwindel entweder durch eine verstärkte Erregung oder eine Blockade der Signalübertragung ausgelöst werden.
Einseitige Schwindelattacken
Da die Kompression des Nervus vestibularis meist einseitig ist, tritt der Schwindel in der Regel auch einseitig auf. Betroffene Patienten erleben dabei kurze, plötzliche Schwindelanfälle, die durch Kopfbewegungen oder eine Änderung der Körperposition ausgelöst werden können.
Diagnostik und Bildgebung
Die Kompression des Nervs kann oft mithilfe von MRT-Untersuchungen sichtbar gemacht werden. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass eine Gefäß-Nerv-Kontakt auch bei einem Teil der gesunden Bevölkerung nachgewiesen werden kann, ohne dass Symptome auftreten. Dies bedeutet, dass die alleinige Bildgebung nicht ausreicht, um eine Vestibularisparoxysmie sicher zu diagnostizieren; die klinischen Symptome sind entscheidend.
Insgesamt handelt es sich bei der Vestibularisparoxysmie um eine seltene, aber gut charakterisierte Erkrankung, die durch die Kompression des VIII. Hirnnerven im Hirnstammbereich bedingt ist und zu wiederkehrenden Schwindelattacken führt.
Ätiologie (Ursachen)
Krankheitsbedingte Ursachen
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Kompression des VIII. Hirnnerven im Bereich des Hirnstamms
Medikamente (pharmakogene Ursachen eines Schwindels)
- Alpha-2-Agonist (Tizanidin)
- Alphablocker (Doxazosin, Yohimbin)
- Alpha-Sympatholytika (Phenoxybenzamin)
- Analgetika
- Coxibe (COX-2-Hemmer) – Celecoxib, Parecoxib
- Nicht-opioid-Analgetika (Flupirtin)
- Nichtsaure Nichtopioid-Analgetika (Metamizol)
- Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) – Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac, Ibuprofen, Indometacin, Meloxicam, Naproxen, Piroxicam
- Opiate bzw. Opioide (Alfentanil, Apomorphin, Buprenorphin, Codein, Dihydrocodein, Fentanyl, Hydromorphon, Loperamid, Morphin, Methadon, Nalbuphin, Naloxon, Naltrexon, Oxycodon, Pentazocin, Pethidin, Piritramid, Remifentanil, Sufentanil, Tapentadol, Tilidin, Tramadol)
- Angiotension-II-Rezeptor-Antagonisten (AT-II-RB; ARB; Angiotensin-II-Rezeptor-Subtyp-1-Antagonisten; Angiotensin-Rezeptorblocker; AT1-Rezeptorantagonisten, AT1-Rezeptorblocker, AT1-Antagonisten, AT1-Blocker; Angiotensin-Rezeptorblocker, Sartane) – Eprosartan, Candesartan, Irbesartan, Losartan, Olmesartan, Telmisartan, Valsartan
- Anthelminthika (Albendazol, Diethylcarbamazin, Mebendazol, Niclosamid)
- Antiarrhythmika
- Klasse Ic-Antiarrhythmika (Flecainid, Propafenon)
- Ib-Antiarrhythmika (Lidocain)
- Klasse II-Antiarrhythmika (Esmolol, Metoprolol)
- Klasse-IV-Antiarrhythmika (Diltiazem, Verapamil)
- Nicht-klassifiziert (Adenosin)
- Antibiotika
- Aminoglykoside (Amikacin, Apramycin, Geneticin, Gentamycin (Gentamicin), Gentamicine, Hygromycin B, Kanamycin, Netilmicin, Neomycin, Paromomycin, Spectinomycin, Streptomycin, Tobramycin)
- Chinolone (Cinoxacin, Ciprofloxacin Clioquinol, Danofloxacin, Difloxacin, Enrofloxacin, Fleroxacin, Flumequin, Gatifloxacin, Grepafloxacin, Ibafloxacin Levofloxacin, Marbofloxacin Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Ofloxacin, Orbifloxacin, Oxolinsäure, Pipemidinsäure, Sarafloxacin, Sparfloxacin, Temafloxacin, Nadifloxacin)
- Nitroimidazole (Metronidazol, Tinidazol)
- Sulfonamide
- Tuberkulostatika (Rifampicin)
- Anticholinergika (Atropin, Butylscopolamin)
- Aclidinium, Biperiden, Darifenacin, Glycopyrronium, Ipratropiumbromid, Metixen, Methantheliniumbromid, Oxybutynin, Phenoxybenzamin, Propiverin, Scopolamin, Solifenacin, Tiotropium, Tolterodin, Trihexyphenidyl, Trospiumchlorid, Umeclidinium
- Antidepressiva
- Atypische Antipsychotika (Neuroleptika) – Quetiapin
- Bupropion
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI = Selective Serotonin Reuptake Inhibitor) – Citalopram, Dapoxetin, Escitalopram, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin
- Serotonin-Rezeptoragonisten – Triptane (Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan, Triptane, Zolmitriptan)
- Trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin, Amitriptylinoxid, Clomipramin, Desipramin, Doxepin, Imipramin, Opipramol, Nortriptylin, Trimipramin)
- Antidiabetika (Glimepirid, Insulin, Repaglinide)
- Antidiarrhoika (Loperamid)
- Antiepileptika
- AMPA-Rezeptor-Antagonist (Perampanel)
- Carboxamid-Derivate (Eslicarbazepinacetat)
- Funktionalisierte Aminosäuren (Lacosamid)
- KCNQ2/3-Öffner (Retigabin)
- Klassische Antiepileptika (Carbamazepin, Gabapentin, Oxcarbazepin, Phenytoin, Pregabalin, Topiramat)
- Antifibrinolytikum (Tranexamsäure)
- Antihistaminika (Cetirizin, Clemastin, Dimetinden, Ketotifen)
- Antimalariamittel (Artemether, Artesunat, Atovaquon, Chinin, Chloroquin, Dihydroartemisinin, Hydroxychloroquin, Lumefantrin, Proguanil)
- Antimykotika (Amphotericin B, Griseofulvin, Ketoconazol)
- Antiparkinsonmittel (Amantadin)
- Antivertiginosa (z. B. Dimenhydrinat, Scopolamin)
- Antisympathikotonika (Urapidil)
- Antitussiva
- Opioide (Codein, Dihydrocodein, Hydrocodon)
- Nicht-opioide Antitussiva (Levodropropizin, Noscapin, Pentoxyverin)
- Benzodiazepinähnliche Substanzen (Buspiron)
- Betablocker, systemische
- Nicht selektive Betablocker (z. B. Carvedilol, Pindolol, Propranolol, Soltalol)
- Selektive Betablocker (z. B. Atenolol, Acebutolol, Betaxolol, Bisoprolol, Celiprolol, Nebivolol, Metoprolol)
- Betamimetika (Synonyme: β2-Sympathomimetika, auch β2-Adrenozeptor-Agonisten) – Fenoterol, Formoterol, Hexoprenalin, Indaceterol, Olodaterol, Ritodrin, Salbutamol, Salmeterol, Terbutalin
- Calciumantagonisten (Amlodipin, Cinnarizin, Diltiazem, Felodipin, Fendilin, Gallopamil, Lacidipin, Lercanidipin, Nitrendipin, Nifedipin, Nimodipin, Nicardipin, Isradipin, Nisoldipin, Nilvadipin, Manidipin, Verapamil)
- Calcium-Sensitizer (Levosimendan)
- Darmtherapeutika (antiphlogistische) – Mesalazin
- Dipeptidyl-Peptidase 4-Inhibitoren (DPP-4-Inhibitoren; Gliptine) – Saxagliptin, Sitagliptin, Vildagliptin)
- Direkter Faktor Xa-Inhibitor – Rivaroxaban
- Diuretika
- Kaliumsparende Diuretika (Triamteren)
- Dopaminantagonisten (Promethazin, Levomepromazin)
- Hormone
- Dopaminagonisten (Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid)
- Dopaminantagonisten (Domperidon, Metoclopramid (MCP)
- Gestagene (Etonogestrel, Medroxyprogesteronacetat, Medrogeston, Norelgestromin, Norethisteron-/Norgestrel-Derivat)
- Glucocorticoide (Prednisolon)
- Kontrazeptiva (Östrogen-Gestagen-Kombination)
- Östrogene
- Prolaktinhemmer (Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Metergolin, Quinagolid)
- Prostanoide (Prostazykline) – Epoprostenol, Iloprost, Treprostinil
- Thyreostatika (Carbimazol, Thiamazol)
- Hypnotika (Phenobarbital)
- Immuntherapeutika (Natalizumab)
- Lokalanästhetika (Lidocain, Mepivacain, Procain)
- Magnesium
- MAO-Hemmer (Tranylcypromin)
- Monoklonale Antikörper – Pertuzumab, Trastuzumab
- Mukolytikum (Guaifenesin)
- Multi-Tyrosinkinaseinhibitor (Vandetanib)
- Muskelrelaxantien (Baclofen, Tizanidin)
- Neurokinin-Antagonisten (Aprepitant, Fosaprepitant)
- Nicotinsäure
- Nitrate (Glycerolnitrat, Glyceroltrinitrat, Isosorbiddinitrat (ISDN), Isosorbit-5-mononitrat, Molsidomin, Nitroglycerin, Nitroprussidnatrium)
- Noradrenalin-Reuptake-Inhibitor (Atomoxetin)
- N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptorantagonist (Memantine)
- Opioidantagonisten (Loperamid, Nalmefen, Naltrexon)
- Phosphodiesterase-V-Hemmer (PDE-5-Hemmer) – Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil
- Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – Esomeprazol, Lansoprazol, Omeprazol, Pantoprazol, Rabeprazol
- Rheologika (Naftidrofuryl, Pentoxifyllin)
- Sedativa (Barbiturate, Benzodiazepine)
- Selektive α1-Adrenozeptor-Antagonisten (selektive Alpha-1-Adrenozeptor-Antagonisten; α1-Blocker) – Alfuzosin, Doxazosin, Tamsulosin, Terazosin
- Sinusknoten-Inhibitor (Ivabradin)
- Sympathomimetika (Noradrenalin, Epinephrin)
- Tranquilizer (Diazepam)
- Tyrosinkinaseinhibitoren (Vandetanib)
- Vasoaktive Substanzen (Cilostazol, Naftidrofuryl, Diazoxid)
- Virostatika
- Fusionsinhibitoren (Enfuvirtid)
- Nukleos(t)idische Polymerase (NS5B)-Inhibitoren (Sofosbuvir)
- Nicht-Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) – Efavirenz, Nevirapin, Rilpivirin
- Nukleosid-Analoga (Aciclovir, Brivudin, Cidofovir, Entecavir, Famciclovir, Foscarnet, Ganciclovir, Telbivudin, Valaciclovir)
- Nukleotid-Analoga (Adefovir, Tenofovir)
- Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) – Abacavir, Didanosin, Entecavir, Lamivudin, Stavudin, Zidovudin)
- Proteaseinhibitoren (PI; Proteasenhemmer) – Boceprevir
- Zytostatika (Methotrexat (MTX))
Siehe ggf. auch unter "Anticholinerge Wirkung durch Medikamente".
Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)
- Drogenkonsum
- Kohlenmonoxid
- Tetrachlormethan
- Quecksilber
Literatur
- Brandt, T., Dieterich, M. & Strupp, M. (2004). Vertigo. Darmstadt: Steinkopf.
- Andersson H et al.: The Risk of Benign Paroxysmal Positional Vertigo After Head Trauma. Laryngoscope 2021; https://doi.org/10.1002/lary.29851