Tinnitus – Weitere Therapie

Allgemeine Maßnahmen

  • Nikotinrestriktion (Verzicht auf Tabakkonsum)
  • Begrenzter Alkoholkonsum (Männer: max. 25 g Alkohol pro Tag; Frauen: max. 12 g Alkohol pro Tag)
  • Normalgewicht anstreben!
    Bestimmung des BMI (Body-Mass-Index, Körpermasse-Index) bzw. der Körperzusammensetzung mittels der elektrischen Impedanzanalyse und ggf. Teilnahme an einem ärztlich betreuten Abnehmprogramm bzw. Programm für Untergewichtige
    • BMI-Rechner – ermitteln Sie Ihren gesunden Gewichtsbereich! (Anzeige)
  • Überprüfung der Dauermedikation wg. möglicher Auswirkung auf die vorhandene Krankheit
  • Vermeidung psychosozialer Belastungen:
    • Psychische Belastungen
    • Stress
  • Vermeidung von Umweltbelastungen:
    • Explosionstrauma, Knalltrauma

Konventionelle nicht-operative Therapieverfahren

  • Die Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) ist ein wissenschaftlich begründeter Ansatz zur Therapie des chronisch dekompensierten Tinnitus. Ziel der Therapie ist die Habituation (Gewöhnung) an den Tinnitus.
    Die TRT ist eine Langzeittherapie (von
    12 bis 24 Monaten) und zielt auf eine langfristig angelegte Besserung des individuellen Zustandes ab. Sie besteht aus einem Vier-Säulen-Konzept:
    • Counseling (Tinnitus-Counseling) – Beratung über Tinnitus: dabei soll der Patient über die Entstehung des Tinnitus informiert werden, die Bedeutung für den Körper und den Umgang mit dem Ohrgeräusch im Alltag vermittelt bekommen, umso eine langfristige Desensibilisierung oder Reduktion der Belastung dauerhaft zu erreichen [Basis jeder Therapie]
    • psychologische Betreuung
    • Entspannungstechniken (s. u.)
    • Hörgeräte und/oder eine Hörtherapie/Geräteversorgung (s. u. "Komplementäre Behandlungsmethoden/Tinnitusmasker")
      Für die Effektivität von Hörgeräten bei chronischem Tinnitus liegen nur Publikationen mit mäßigen oder schwachen Evidenzgraden vor [S3-Leitlinie].
  • In der aktuellen S3-Leitlinie wird die TRT nicht mehr empfohlen[1].
  • Hörgeräteversorgung (HG) i. S. einer Hörtherapie bei Tinnitus und Schwerhörigkeit; bei niedrigen und mittleren Tinnitusfrequenzen (bis 6 KHz) ist der Nutzen höher als bei hochfrequentem Tinnitus
  • Hyperbare Oxygenierung (HBO; Synonyme: hyperbare Sauerstofftherapie, HBO-Therapie; engl.: hyperbaric oxygen therapy; HBO2, HBOT); Therapie, bei der medizinisch reiner Sauerstoff unter einem erhöhten Umgebungsdruck zur Anwendung kommt

Regelmäßige Kontrolluntersuchungen

  • Regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen

Ernährungsmedizin

  • Ernährungsberatung auf der Grundlage einer Ernährungsanalyse
  • Ernährungsempfehlungen gemäß einem Mischköstler unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkrankung. Das bedeutet u. a.:
    • täglich insgesamt 5 Portionen frisches Gemüse und Obst (≥ 400 g; 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst)
    • ein- bis zweimal pro Woche frischen Seefisch, d. h. fette Meeresfische (Omega-3-Fettsäuren) wie Lachs, Hering, Makrele
    • ballaststoffreiche Ernährung (Vollkornprodukte)
  • Beachtung folgender spezieller Ernährungsempfehlungen:
    • Ernährung reich an:
      • Vitaminen (Cobalamin/Vitamin B12)
      • Spurenelementen (Zink)
  • Auswahl geeigneter Lebensmittel auf Grundlage der Ernährungsanalyse
  • Siehe auch unter "Therapie mit Mikronährstoffen (Vitalstoffe)" – ggf. Einnahme eines geeigneten Nahrungsergänzungsmittels
    Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
    Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
  • Detaillierte Informationen zur Ernährungsmedizin erhalten Sie von uns

Sportmedizin

  • Ausdauertraining (Cardiotraining) und Krafttraining (Muskeltraining)
  • Erstellung eines Fitness- bzw. Trainingsplans mit geeigneten Sportdisziplinen auf der Grundlage eines medizinischen Checks (Gesundheitscheck bzw. Sportlercheck)
  • Detaillierte Informationen zur Sportmedizin erhalten Sie von uns.

Physikalische Therapie (inkl. Physiotherapie)

  • Vor allem bei Erkrankungen der Halswirbelsäule kann eine Manuelle Therapie (Manipulation und Mobilisation der Gelenke) Linderung verschaffen.
  • Hinweis: Zur Halswirbelsäulen-Therapie liegen aktuell keine ausreichend große kontrollierte Studien vor.
  • Kiefergelenks-Distraktions-Therapie: Bei der sogenannten craniomandibulären Dysfunktion (CMD) kommt es unter anderem durch eine angeborene Zahnfehlstellung, einseitiges Kauen und Zähneknirschen zum Verlust der richtigen Bisshöhe. Dieses führt dazu, dass der Unterkiefer nicht mehr genügend stabilisiert wird und sich der Kiefergelenkkopf verlagert. So entstehen die für CMD typischen Kiefergelenkgeräusche. Da beim Mundschließen der Kiefergelenkkopf weit nach hinten in Richtung Mittelohr geschoben wird, und nimmt der Druck auf die dazwischen liegenden Nerven stark zu. Ein Tinnitus oder auch Kopfschmerzen – insbesondere in der Schläfenregion – können die Folgen dieses Nervenreizes sein.
    Zahnärzte behandeln dieses Problem mithilfe einer hauchdünnen Schiene aus glasklarem Kunststoff, die die Gelenkköpfe wieder in ihre ursprüngliche Position zurückbringen. Der Patient muss mindestens vier Wochen Tag und Nacht die sogenannte Pivotschiene im Oberkiefer, die zum Ausgleich des Fehlbisses hinten leicht erhöht ist, tragen. Dieses soll zu einer Verbesserung der Symptome des Tinnitus führen.
    Bei gesichertem Einfluss der Kiefergelenks-Distraktion-Therapie über einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten ist diese Maßnahme sinnvoll.
  • Hyperbarer Sauerstoff: Der Nutzen der Therapie von chronischem Tinnitus ist nicht belegt [1].

Psychotherapie

  • Verhaltenstherapeutischen Verfahren (z. B. kognitive Verhaltenstherapie, KVT; cognitive behavioral therapy, CBT) zur De-Fokussierung und Stressbewältigung); führt zu signifikanten Verbesserungen der Lebensqualität.
    Die Wirksamkeit der KVT gilt gemäß Leitlinie als nachgewiesen [1].
  • Psychoedukation: Dem Betroffenen werden durch diese Maßnahmen Informationen zu seiner Erkrankung vermittelt.
    Die Psychoedukation kann in Einzelgesprächen, Gruppengesprächen oder als Familienbetreuung durchgeführt werden. Die Einbeziehung der Familienmitglieder ist ein wichtiger Faktor.
    Indikation: Tinnitus mit dem Schweregrad I und II [1]
    Counseling: professionelle psychosoziale Beratung von Einzelnen oder Gruppen mit dem Ziel, Problemlösungs- oder Veränderungsprozesse; gute Evidenzlage [1]
  • Entspannungstechniken wie beispielsweise Progressive Muskelrelaxation, Autogenes Training und Biofeedback.
  • Psychotherapie kann durchgeführt werden bei psychosomatischen Ursachen des Tinnitus oder zur Bewältigung eines chronischen Tinnitus.
  • Detaillierte Informationen zur Psychosomatik (inkl. Stressmanagement) erhalten Sie von uns.

Komplementäre Behandlungsmethoden

  • Ein Tinnitusmasker (Synonyme: Tinnitus-Noiser, "Noiser") wird auch als „Rauschgenerator“ bezeichnet, da er kontinuierlich ein Rauschen, das der Patient ständig wahrnimmt, jedoch nicht als unangenehm empfindet, generiert.
    Dieses Rauschen lenkt den Patienten von seinem Tinnitus ab bzw. maskiert (überdeckt) diesen. Gleichzeitig wird so die Hörbahn "beruhigt". Der Patient lernt somit, das unangenehme Geräusch zu überhören.
    Der Tinnitusmasker wird für jeden Tinnituspatienten individuell angepasst. Es kann, wie ein Hörgerät, sowohl im Ohr als auch dahinter getragen werden.

    Er wird beim subakuten Tinnitus eingesetzt, d. h. nach Durchführung der Akutmaßnahmen.
    Beachte: Experimentelle pathophysiologische Hinweise zeigen, dass durch die Behandlung mit einem Rauschgenerator die Tinnitussymptome verstärkt werden können [4]; die aktuelle S3-Leitlinie "Chronischer Tinnitus" gibt ebenfalls keine Empfehlung für Rauschgeneratoren.
  • Neuromodulatorische Therapie:
    • Auditorische Stimulation – z. B. im Frequenzspektrum modifizierte Musik zur individuellen Kompensation der Hörstörung
      Für akustische Neuromodulation-Verfahren zur Therapie des chronischen Tinnitus liegt keine ausreichende Evidenz vor [S3-Leitlinie].
    • "Coordinated Reset Stimulation" – eine Form der akustischen Stimulation, dabei werden kurze Tönen über und unter der individuellen  Tinnitusfrequenz angeboten
    • Neurofeedback – zeigt in der Tinnitusbehandlung eine signifikante Reduktion der Tinnitusintensität
    • Repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) – Verfahren, bei der mit Hilfe starker Magnetfelder oberflächlich lokalisierte Gehirnregionen sowohl stimuliert als auch gehemmt werden können; die bislang vorliegenden Ergebnisse zeigen eine starke interindividuelle Variabilität in Bezug auf die erzielten Effekte.
      Repetitive transkranielle Magnetstimulation (TMS; Stimulation erfolgt mit einer Impulsfrequenz von einem Herz, dabei werden über 2.000 Impulse über die auf dem Hörkortex links- oder rechtzeitig platzierte Spule abgegeben) – In einer placebokontrollierten Studie konnte ein Nutzen bei mehrfach wiederholten TMS bestätigt werden [2]
      Die US-amerikanische Tinnitus-Leitlinie (Clinical Practise Guideline) spricht für die TMS keine Empfehlung aus [3].
  • Eine weitere Therapie ist die Musiktherapie des Deutschen Zentrums für Musiktherapieforschung e. V. in Heidelberg (DZM).
    Hinweis: Für die sogenannte tinnituszentrierte Musiktherapie, bei der die angewandte Musik in Bezug auf die Tinnitusfrequenz verändert wird, liegen keine Studien vor, die für eine evidenzbasierte Empfehlung ausreichen würden. Bei der aktiven Musiktherapie kann derzeit von einem mäßig validierten Therapieprogramm gesprochen werden [1].
  • Heilverfahren wie Akupunktur, Homöopathie oder medizinische Hypnose (Synonym: Hypnotherapie) können auch individuell durchgeführt werden.
    Der Nutzen der Therapie von chronischem Tinnitus mit Akupunktur ist nicht belegt [1].

Organisationen und Selbsthilfegruppen

  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)
    Postfach 91 01 52, D-51071 Köln
    Telefon: 0221-89920, Fax: 0221-8992300 E-Mail: poststelle@bzga.de, Internet: www.bzga.de
  • Deutsche Tinnitus-Liga e. V.
    Postfach 210351 42353 Wuppertal Hausanschrift: Am Lohsiepen 18 42369 Wuppertal
    Telefon: 0202 24652-0, Telefax: 0202 24652-20, E-Mail: info@tinnitus-liga.de, Internet: www.tinnitus-liga.de

Literatur

  1. S3-Leitlinie: Chronischer Tinnitus. (AWMF-Registernummer: 017-064), September 2021 Langfassung
  2. Folmer RL et al.: Repetitive Transcranial Magnetic Stimulation Treatment for Chronic Tinnitus: A Randomized Clinical Trial. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2015; online 16. Juli; doi: 10.1001/jamaoto.2015.1219
  3. Tunkel DE et al.: Clinical practice guideline: tinnitus. Otolaryngol Head Neck Surg. 2014 Oct;151(2 Suppl):S1-S40. doi: 10.1177/0194599814545325.
  4. Attarha M et al.: Unintended Consequences of White Noise Therapy for Tinnitus – Otolaryngology's Cobra Effect: A Review. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2018: online 30. August. doi: https://doi.org/10.1001/jamaoto.2018.1856

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Chronischer Tinnitus. (AWMF-Registernummer: 017-064), September 2021 Langfassung