Tinnitus – Medikamentöse Therapie
Therapieziel
Verbesserung der Symptomatik
Therapieempfehlungen
Eine wirksame tinnitusspezifische medikamentöse Therapie des chronischen Tinnitus steht nicht zur Verfügung [3]; auch die Europäische Leitlinie aus dem Jahre 2018 kommt zum selben Ergebnis [s. u. Leitlinien].
Die US-amerikanische Tinnitus-Leitlinie (Clinical Practise Guideline) spricht keine Empfehlung für Antidepressiva, Antikonvulsiva, Anxiolytika oder intratympanische Medikamente (Injektion in das Mittelohr) zur routinemäßigen Behandlung von Patienten mit anhaltendem, störendem Tinnitus aus.
Hinweis! Weder von der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) noch von der Food and Drug Administration (FDA) ist ein Präparat für die Therapie von Tinnitus zugelassen.
Nachfolgend die aktuellen Therapieempfehlungen:
- Akuter Tinnitus, besonders wenn er mit plötzlichem Hörverlust einhergeht (Therapie orientiert sich dann an der Leitlinie "Hörsturz"):
- systemische oder intratympanale Cortisontherapie (s. u. Hörsturz/Medikamentöse Therapie)
- Obsolet ("nicht mehr gebräuchlich"): Infusionstherapie zur Verbesserung der Fließfähigkeit des Blutes (Rheologika) bzw. durchblutungsfördernde Therapie: niedermolekulare Dextrane, Pentoxifyllin (Vasodilatator/Arzneimittel, das die Gefäße erweitert); Nimodipin (Calciumkanalblocker) kann zur Nachbehandlung gegeben werden (ein gesicherter Wirkungsnachweis ist nicht gegeben!) [1]
- Die einzigen Verfahren, deren Effektivität belegt ist, sind:
- Apherese (Blutwäsche) zur Senkung des Fibrinogenspiegels
- Hyperbare Oxygenierung (HBO; Synonyme: hyperbare Sauerstofftherapie, HBO-Therapie; engl.: hyperbaric oxygen therapy; HBO2, HBOT); Therapie, bei der medizinisch reiner Sauerstoff unter einem erhöhten Umgebungsdruck zur Anwendung kommt [S1-Leitlinie: Hörsturz]
- Chronischer Tinnitus: Es gibt keine anerkannte medikamentöse Therapie des chronischen Tinnitus. Wichtig ist allerdings die Mitbehandlung von Komorbiditäten/Begleiterkrankungen (Insomnie (Schlafstörungen), Angststörungen, Depression), ggf. auch mit Arzneimitteln [3].
- Weitere empfohlene Maßnahmen s. u. "Weitere Therapie".
Weitere Hinweise
- Antiinflammatorische (antientzündliche) Maßnahmen wie intratympanale Dexamethason-Injektionen plus orales Melatonin zeigten die höchsten Ansprechraten. Die stärksten Effekte in der Tinnitusminderung zeigten allerdings zentral wirksame Präparate wie Amitryptilin, Acamprosat und Gabapentin [4].
Keine Wirksamkeit bei chronischem Tinnitus
Auf der Grundlage systematischer Überprüfungen mit hoher Evidenz sind nachfolgende Substanzen nicht wirksam gegen chronischen Tinnitus:
- Antidepressiva
- Benzodiazepine
- Betahistin
- Cannabis
- Gabapentin
- Ginkgo biloba
- Melatonin
- Oxytocin
- Steroide
Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)
Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Gesundheit von Nerven und Psyche sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:
- Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
- Mineralstoffe (Magnesium)
- Spurenelemente (Molybdän, Selen, Zink)
- Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
- Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Grüntee-Polyphenole, Epigallocatechingallate)
- Weitere Vitalstoffe (Coenzym Q10 (CoQ10), Phosphatidylserin)
Bei Vorliegen einer Insomnie (Schlafstörung) infolge eines Tinnitus s. u. Insomnie/Medikamentöse Therapie/Supplemente.
Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.
Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
Literatur
- Probst R et al.: A randomized, double-blind, placebo-controlled study of dextran/pentoxifylline medication in acute acoustik trauma and sudden hearing loss. Acta Otolaryngol, 1992: p. 435-43
- Bennett MH et al.: Hyperbaric oxygen for idiopathic sudden sensorineural hearing loss and tinnitus. Cochrane Database Syst Rev, 2012. 10 : p. CD004739
- Tunkel DE et al.: Clinical practice guideline: tinnitus. Otolaryngol Head Neck Surg. 2014 Oct;151(2 Suppl):S1-S40. doi: 10.1177/0194599814545325.
- Chen JJ et al.: Efficacy of pharmacologic treatment in tinnitus patients without specific or treatable origin: A network meta-analysis of randomised controlled trials. EClinicalMedicine 2021; https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2021.101080
Leitlinien
- S1-Leitlinie: Hörsturz (Akuter idiopathischer sensorineuraler Hörverlust). (AWMF-Registernummer: 017-010), Januar 2014 Langfassung
- Mazurek B et al.: A multidisciplinary European guideline for tinnitus: diagnostics, assessment, and treatment. Date: 18 February 2018 HNO 2019;67(4):1-33. https://doi.org/10.1007/s00106-019-0633-7
- S3-Leitlinie: Chronischer Tinnitus. (AWMF-Registernummer: 017-064), September 2021 Langfassung