Mittelohrentzündung (Otitis media) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Eine akute Otitis media (Mittelohrentzündung) tritt in der Regel im Zusammenhang mit einer viralen Infektion der oberen Atemwege auf. Der häufigste Erreger ist das Respiratory-Syncytial-Virus (RSV). Weitere mögliche Ursachen sind bakterielle Infektionen oder, seltener, ein hämatogener Infektionsweg oder eine direkte Ausbreitung durch einen Trommelfelldefekt.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Verschluss der Tuba auditiva (Ohrtrompete)
Die Tuba auditiva (Eustachische Röhre) verbindet das Mittelohr mit dem Nasenrachenraum und sorgt normalerweise für einen Druckausgleich und die Drainage von Sekreten aus dem Mittelohr. Eine virale Infektion der oberen Atemwege kann eine Schwellung der Schleimhäute und einen relativen Verschluss der Ohrtrompete verursachen. Dadurch wird der normale Druckausgleich behindert.
- Unterdruck im Mittelohr: Da die Schleimhaut des Mittelohres Luft absorbiert, führt der Verschluss der Ohrtrompete zu einem Unterdruck im Mittelohr, was den Austritt von seröser Flüssigkeit aus den Kapillaren begünstigt.
- Sekretstau und mikrobielles Wachstum: Die angesammelte Flüssigkeit schafft ein günstiges Milieu für das Wachstum von Bakterien und Viren, wodurch der Entzündungsprozess ausgelöst oder verstärkt wird.
Infektion und Entzündungsreaktion
Die in das Mittelohr eingedrungenen Viren oder Bakterien verursachen eine Entzündungsreaktion. Dabei kommt es zu einer vermehrten Sekretbildung und Schwellung der Schleimhäute. Dies verstärkt den Druck auf das Trommelfell und verursacht die typischen Schmerzen und Hörstörungen.
Chronifizierung und Komplikationen
Bleibt die Entzündung unbehandelt oder heilt sie nicht vollständig aus, kann dies zu einer chronischen Otitis media führen. In schwereren Fällen kann eine Trommelfellperforation auftreten oder die Entzündung breitet sich auf die luftgefüllten Räume des Mastoids aus, was eine Mastoiditis zur Folge haben kann.
Erreger der Otitis media
Etwa 60-80 % der akuten Mittelohrentzündungen werden durch Bakterien und 20-40 % durch Viren verursacht.
Häufige bakterielle Erreger:
- Haemophilus influenzae
- Moraxella catarrhalis
- Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken)
- Streptococcus pyogenes (Vertreter von Gruppe A-Streptokokken)
- Staphylococcus aureus
- Mycoplasma species (zellwandlose Bakterien)
Häufige virale Erreger:
- Respiratory-Syncytial-Virus (RSV)
- Parainfluenzaviren
- Influenzaviren
- Adenoviren
- Enteroviren
- Rhinoviren
Sekundäre pathophysiologische Mechanismen
- Perforation des Trommelfells: Eine lang andauernde oder besonders schwere Entzündung kann zu einer Perforation des Trommelfells führen, wodurch Eiter aus dem Mittelohr abfließen kann.
- Mastoiditis: Bei Ausbreitung der Entzündung auf die luftgefüllten Mastoidzellen kann es zu einer schmerzhaften Mastoiditis kommen, die eine antibiotische Therapie oder sogar eine operative Drainage erfordert.
Klinische Manifestation
Leitsymptome
- Starke Ohrenschmerzen (Otalgie)
- Druckgefühl im Ohr
- Hörminderung durch Sekretansammlung im Mittelohr
- Fieber bei ausgeprägter Entzündungsreaktion
Fortgeschrittene Symptome
- Trommelfellperforation mit eitrigem Ausfluss
- Gleichgewichtsstörungen bei Beteiligung des Innenohrs
- Mastoiditis bei Ausbreitung der Infektion auf das umliegende Knochengewebe
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die akute Otitis media ist eine häufige Erkrankung, die meist im Rahmen einer viralen Infektion der oberen Atemwege auftritt und häufig von bakteriellen Erregern begleitet wird. Eine frühzeitige Diagnose und gezielte Therapie sind essenziell, um Komplikationen wie eine Trommelfellperforation oder eine Mastoiditis zu vermeiden.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Anatomische Varianten – Anatomischen Anomalien im Bereich des Pharynx (Rachen)
- Große Rachenmandeln oder angeborene Gaumenspalten können dazu führen, dass die Belüftung des Mittelohres und der Abfluss von Flüssigkeit aus dem Mittelohr gestört ist
- Familienanamnese – Otitis media bei anderen Familienmitgliedern
- Lebensalter – Kinder sind häufiger betroffen, insbesondere im Alter zwischen 6 Monaten und 3 Jahren, was immunologischen (Mangel an Antikörpern gegenüber Pneumokokken) und anatomischen (niedriger Winkel der Eustachischen Tube) Faktoren zuzuschreiben ist
- Fehlendes Stillen – Kinder, die in den ersten drei Lebensmonaten gestillt wurden, sind seltener betroffen
- Schnullergebrauch – Kinder, die ständig am Schnuller nuckeln, leiden häufiger an Mittelohrentzündung
Verhaltensbedingte Ursachen
- Genussmittelkonsum
- Tabak (Rauchen) und Passivrauchen
- Kontakt mit vielen Menschen erhöht die Infektionsgefahr
Krankheitsbedingte Ursachen
- Gastroösophageale Refluxkrankheit (Synonyme: GERD, Gastro-oesophageal reflux disease; Gastroesophageal Reflux Disease (GERD); Gastroösophageale Refluxkrankheit (Refluxkrankheit); Gastroösophagealer Reflux; Reflux-Ösophagitis; Refluxkrankheit; Refluxösophagitis; peptische Ösophagitis) – entzündliche Erkrankung der Speiseröhre (Ösophagitis), die durch den krankhaften Rückfluss (Reflux) von saurem Magensaft und anderen Mageninhalten hervorgerufen wird → chronische Otitis media
- Immundefekte wie z. B. HIV-Erkrankung
- Infektionen der oberen Atemwege wie beispielsweise Erkältung, Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung), Pharyngitis (Rachenentzündung) oder Influenza (Grippe)