Mittelohrentzündung (Otitis media) – Medikamentöse Therapie

Therapieziele

  • Eliminierung der Erreger
  • Vermeidung von Komplikationen

Therapieempfehlungen

Auf eine Antibiotikagabe kann im Normalfall verzichtet werden, wenn:

  • eine unkomplizierte Otitis media vorliegt (siehe Tabelle unten)
  • keine Komplikationen vorliegen, wie z. B.:
    • Immundefizienz (Abwehrschwäche)
    • Influenza (Grippe)
    • Lippen-Kiefergaumenspalte
    • schwere Grunderkrankungen
    • Cochlea-Implantat-Träger (Hörprothese)
  • eine gute Kontrolle durch den Arzt innerhalb der ersten drei Tage gesichert ist

Antibiotikatherapie versus abwartende Therapie („watch and wait“) (bei unkomplizierter Otitis media) (modifiziert nach [1, 2])

Alter
Leicht (unilateral, ohne Otorrhoe)

Mittel (bilateral, ohne Otorrhoe) Schwer
bilateral, mit schwerer Symptomatik (Temperatur > 39 °C während der letzten 48 h, persistierende Otalgie > 48 h) oder Otorrhoe
< 6 Monate  Antibiotikatherapie (AB-Therapie) für 10 Tage
6-24 Monate 
  • Abwartendes Verhalten
    Ggf. nach 48-72 h AB-Therapie für 10 Tage
  • AB-Therapie für 10 Tage
  • AB-Therapie für 10 Tage
2-5. Lebensjahr
  • Abwartendes Verhalten
    Ggf. nach 48-72 h AB-Therapie für 10 Tage
  • Abwartendes Verhalten
    Ggf. nach 48-72 h AB-Therapie für 7 Tage 
  •  AB-Therapie für 10 Tage
≥ 6. Lebensjahr
  • Abwartendes Verhalten
    Ggf. nach 48-72 h AB-Therapie für 5-7 Tage
  • Abwartendes Verhalten
    Ggf. nach 48-72 h AB-Therapie für 5-7 Tage
  •   AB-Therapie für 10 Tage

Beachte:  Eine Antibiotikatherapie zeigt den größten Nutzen bei Kindern < 2 Jahren.

Weitere Hinweise

  • Ohrentropfen gelten als obsolet (nicht mehr gebräuchlich).
    Hinweis: Möglicherweise führen anästhetisch-analgetische Ohrentropfen (betäubende und schmerzstillende Ohrentropfen) als "first line"-Analgesie (Schmerzstellung) zu einem geringeren Antibiotikaverbrauch. Studien sind diesbezüglich abzuwarten.
  • Nasentropfen können evtl. die Belüftung des Mittelohres verbessern (z. B. bei begleitender Rhinosinusitis/gleichzeitige Entzündung der Nasenschleimhaut („Rhinitis“) und der Schleimhaut der Nasennebenhöhlen (Sinusitis)), es gibt jedoch keine nachgewiesene Wirksamkeit auf den Heilungsprozess.
  • Es wenig Evidenz dafür, dass der sich Einsatz von Antibiotika bei Kindern mit einer akuten Otitis media mit Erguss auf das Hörvermögen positiv auswirkt [6].
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

Antibiotikatherapie inkl. symptomatische Therapie (Antipyretika/Arzneimittel, die eine fiebersenkende Wirkung haben: Paracetamol, Mittel der ersten Wahl bei Kindern):

  • Akute Otitis media (AOM):
    • Amoxicillin (Penicillin mit ß-Laktamaseinhibitor; Aminopenicilline), Ampicillin + Sulbactam (Mittel der ersten Wahl)
    • Ceftriaxon (Cephalosporine), Clindamycin (Lincosamide) (Mittel der zweiten Wahl)
    • Anwendung bei eindeutig stattgehabter anaphylaktischer Reaktion auf Penicillin: Azithromycin, Erythromycin, Clarithromycin (Makrolide)
    • Therapiedauer (außer Azithromycin):
      • Kinder < 2. Lebensjahr und Kinder mit schweren Erkrankungen: Therapie > 10 d
        Beachte: Eine Verkürzung der Antibiotikatherapie von zehn auf fünf Tage hat die Zahl der Therapieversager oder Rückfälle in einer randomisierten Studie verdoppelt [3].
      • Kinder 2-6. Lebensjahr: Therapie > 7 d
      • ab dem 6. Lebensjahr: Therapie 5-7 d
      Antibiose erst beginnen, wenn am 3. Tag nach Symptombeginn keine Besserung aufgetreten ist (Kinder < 2 Jahre: am 2. Tag)
  • Chronische Otitis media:
    • Piperacillin + Tazobactam (Acylaminopenicillin mit ß-Laktamaseinhibitor), Cefepim oder Ceftazidim (Cephalosporine), Clindamycin 

Cave! 

  • Die US-Arzneimittelbehörde FDA rät zur Zurückhaltung bei der Verordnung des Antibiotikums Clarithromycin bei Patienten mit kardialen Vorerkrankungen. Die Ergebnisse einer 10-Jahres-Nachbeobachtung nach einer 2-wöchigen Behandlung mit Clarithromycin zeigte eine erhöhte Gesamtmortalität (Hazard Ratio 1,10; 1,00-1,21) und die Rate der zerebrovaskulären Erkrankungen (Hazard Ratio 1,19; 1,02–1,38) war ebenfalls erhöht [12].
  • Cefepim: Bei Cefepim und Kreatinin-Clearance < 50 ml/min besteht die Gefahr einer Enzephalopathie (Sammelbezeichnung für krankhafte Gehirnveränderungen) mit Bewusstseinsstörung, Verwirrung, Halluzinationen, Stupor (Zustand extremer seelischer und motorischer Erstarrung) und Koma; auch ein Myoklonus (kurze unwillkürliche Zuckungen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen) und Krampfanfälle (inkl. nichtkonvulsiver Status epilepticus/lange andauernder epileptischer Anfall) sind möglich [5]
  • (Lincosamide); Therapiedauer 5 d 

Antipyretika (Fiebersenkung und Schmerzlinderung)

Wirkstoffe Besonderheiten
Paracetamol Mittel der ersten Wahl bei Kindern
Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
Ibuprofen KI bei schwerer Nieren-/Leberinsuffizienz
Acetylsalicylsäure Nicht bei Kindern anwenden
→ Reye-Syndrom!
Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
  • Wirkweise: reversible/irreversible Hemmung der Cyclooxygenase → analgetisch, antipyretisch
  • Nebenwirkungen: hepato-/ nephrotoxisch (Paracetamol), gastrointestinal (Übelkeit, Erbrechen, Ulzera (ASS)), allergische Reaktionen
  • Dauer der Therapie: 1-3 Tage

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für das Immunsystem sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
  • Spurenelemente (Chrom, Eisen, Kupfer, Mangan, Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Flavonoide (Citrusfrüchte), Lycopin (Tomaten), Proanthocyanidine (Cranberrys), Polyphenole)
  • Weitere Vitalstoffe (Probiotische Kulturen: Laktobazillen, Bifidobakterien)

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Lieberthal AS, Carrol AE, Chonmaitree T et al.: The diagnosis and management of acute otitis media. Pediatrics 2013;131:e964-99
  2. Liese JG, Berger C, Berner R et al: Akute Otitis media. In: Berner R, Bialek R, Borte M (Hrsg) DGPI Handbuch, 6. Aufl. Thieme, Stuttgart 2013, S 612-618
  3. Hoberman A et al.: Shortened Antimicrobial Treatment for Acute Otitis Media in Young Children. N Engl J Med 2016; 375:2446-2456 December 22, 2016 doi: 10.1056/NEJMoa1606043
  4. FDA Drug Safety Communication: FDA review finds additional data supports the potential for increased long-term risks with antibiotic clarithromycin (Biaxin) in patients with heart disease. Posted 02/22/2018
  5. Rote-Hand-Brief zu Maxipime® (Cefepim): Risiko schwerwiegender neurologischer Nebenwirkungen bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion. BfArM 18.06.2018 Wirkstoff: Cefepim
  6. Mulvaney CA et al.: Antibiotics for otitis media with effusion (OME) in children Cochrane Database of Systematic Review Version published: 23 October 2023 Version history https://doi.org/10.1002/14651858.CD015254.pub2