Hörverlust (Hypakusis) – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Dysakusis (Hörverlust) dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie häufig Probleme mit Schwerhörigkeit?
- Gab es in Ihrer Familie Fälle von frühzeitigem Hörverlust oder angeborener Taubheit?
- Leiden Angehörige an Erkrankungen wie Otosklerose (einseitige Abnahme des Hörvermögens) oder Morbus Menière?
Soziale Anamnese
- Beruf:
- Welchen Beruf üben Sie aus?
- Sind oder waren Sie beruflich oder privat Lärmbelastungen wie Militär- oder Baustellenlärm ausgesetzt?
- Tragen Sie Lärmschutz, wenn es nötig ist, zum Beispiel bei der Arbeit an Maschinen?
- Hatten Sie Kontakt zu Blei, Kohlenmonoxid, Quecksilber, Schwefelkohlenstoff, Zinn oder sonstigen chemischen Verbindungen?
- Halten Sie sich oft in einer lauten Umgebung auf, wie in Produktionsstätten, Diskotheken oder Ähnlichem?
- Nutzen Sie häufig Kopfhörer oder In-Ear-Geräte mit hoher Lautstärke?
- Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Belastungen auf Grund Ihrer familiären Situation?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie den Fernseher oder das Radio lauter stellen müssen, als dies früher der Fall gewesen ist?
- Entgehen Ihnen Informationen, wenn viele Menschen durcheinander reden?
- Ist die Schwerhörigkeit plötzlich aufgetreten?
- Sind Ihnen noch weitere Symptome aufgefallen, wie:
- Austreten von Flüssigkeit aus dem Ohr?*
- Ohrenschmerzen?
- Schwindel?*
- Ohrgeräusche (Tinnitus)?*
- Druckgefühl im Ohr?
- Gleichgewichtsstörungen?*
- Veränderungen der Klangwahrnehmung (z. B. dumpfes oder verzerrtes Hören)?*
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Bewegen Sie sich täglich ausreichend?
Eigenanamnese
- Vorerkrankungen:
- Erkrankungen der Ohren, wie chronische oder häufige Otitis media (Mittelohrentzündungen), Otosklerose, Morbus Menière, akustisches Trauma?
- Haben Sie in der Vergangenheit Infektionskrankheiten wie Mumps oder Masern gehabt?
Medikamentenanamnese
Folgende Medikamente/Wirkstoffe können eine ototoxische (gehörschädigende) Wirkung haben:
- Analgetika (Schmerzmittel)
- Nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID): Acetylsalicylsäure (ASS) [Hörschaden: > 1,95 g, dosisabhängig und reversibel nach kurzer Zeit [1]; Hörstörungen: > 10 g/d; Ohrgeräusche: ab 6-8 g]; Salicylate (Innenohrschwerhörigkeit)
- Antibiotika
- Aminoglycosidantibiotika (Aminoglykoside; Störungen besonders im Bereich der höheren Frequenzen) – Amikazin, Gentamycin (Gentamicin), Kanamycin, Neomycin, Netilmicin, Paromomycin, Streptomycin, Tobramycin
- Glykopeptid-Antibiotika (Vancomycin, Teicoplanin)
- Gyrasehemmer (Ciprofloxacin, Ofloxacin)
- Makrolide (Störungen im Bereich des kompletten Frequenzspektrums) – Azithromycin, Erythromycin, Clarithromycin
- Ein Hörverlust tritt unter Makroliden nicht häufiger auf als mit Amoxicillin und Fluorchinolonen [2].
- Anti-Malaria-Mittel wie Chloroquin oder Chinin (Chininalkaloide)
- Antikonvulsiva wie Carbamazepin, Phenytoin, Streptomycin
- Diuretika (entwässernde Medikamente)
- Carboanhydrasehemmer (Acetazolamid)
- Schleifendiuretika (Bumetanid; Etacrysäure; Furosemid – hier tritt die Nebenwirkung vor allem bei schneller intravenöser Injektion bei gleichzeitig bestehender Niereninsuffizienz auf)
- Phosphodiesterase-5-Hemmer (Avanafil, Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil)
- Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – Omeprazol
- Thalidomidschäden durch Einnahme des Medikaments Contergan® in den 1960er Jahren
- Zytostatika wie Cisplatin, Carboplatin, Bleomycin, Vincristin
Umweltanamnese
- Explosionstrauma
- Lärm – So besteht bei konstantem oder jahrelangem Schallpegel von 85 dB(A) die Gefahr der Lärmschwerhörigkeit. Auch kurzzeitiger starker Lärm wie laute Diskomusik (110 dB) sollte vermieden werden. Unter den anerkannten Berufskrankheiten ist die Lärmschwerhörigkeit mit ca. 40 % die häufigste Berufserkrankung.
- Gewerbliche Stoffe wie Arsen, Blei, Cadmium, Quecksilber, Zinn; Kohlenmonoxid; Fluorkohlenstoffverbindungen; Schwefelkohlenstoff; Kohlenstoffdisulfid; Styrol; Tetrachlorkohlenstoffverbindungen; Toluol; Trichlorethylen; Xylol
* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)
Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.
Literatur
- Kyle ME et al.: Ubiquitous Aspirin A Systematic Review of Its Impact on Sensorineural Hearing Loss. Otolaryngol Head Neck Surg October 30, 2014 0194599814553930, doi: 10.1177/0194599814553930
- Etminan M et al.: Risk of Sensorineural Hearing Loss With Macrolide Antibiotics: A Nested Case-Control Study. Laryngoscope 2016, online 6. August; doi: 10.1002/lary.26190