Gehörgangsentzündung (Otitis externa) – Symptome – Beschwerden
Folgende Symptome und Beschwerden können auf eine Otitis externa (Gehörgangsentzündung) hinweisen:
In der Regel akuter Beginn innerhalb von 48 Stunden.
Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf eine Gehörgangsentzündung und werden oft zuerst bemerkt:
- Otalgie: Starke Schmerzen in der Ohrmuschel und im Gehörgang, besonders beim Sprechen und Kauen; tritt in ca. 80-90 % der Fälle auf; meistens einseitig, selten beidseitig (10 %)
- Druckschmerzhafter Tragus (kleine Knorpelmasse vor dem Gehörgang): Schmerzen beim Druck auf den Tragus oder beim Zug an der Ohrmuschel; typisches Symptom bei ca. 70-80 % der Patienten
- Pruritus (Juckreiz) im Ohr (bei ca. 40-50 %): Dabei auch an Mykosen (Pilzinfektionen) denken, die eher Juckreiz hervorrufen
Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild einer Gehörgangsentzündung:
- Schwellung des Gehörgangs: Führt zu einem eingeschränkten Gehör und verstärktem Druckgefühl (50-60 %)
- Rötung des Gehörgangs: Sichtbare Entzündung, häufig mit Schmerzempfindlichkeit (40-50 %)
Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:
- Hörminderung/Schwerhörigkeit: Durch Schwellung des Gehörgangs oder Sekretansammlung (tritt in ca. 30-40 % der Fälle auf)
- Otorrhoe (Ohrenlaufen): Sekretabfluss (schleimig oder eitrig) aus dem Ohr (bei ca. 20-30 %)
- Lymphadenopathie (vergrößerte oder schmerzhafte Lymphknoten) in der Nähe des Ohres (bei ca. 10-20 %)
- Entzündung im Bereich des Gehörgangseingangs oder der Ohrmuschel/ödematöse (angeschwollene) Ohrmuschel
- Schüppchenbildung: Zeichen von trockener Haut oder Schuppenbildung im Gehörgang
Differentialdiagnostische Kriterien bei Entzündungen des Gehörgangs [modifiziert nach 1]
Otitis externa diffusa | Otitis externa circumscripta | Otitis externa mycotica (feuchte Otomykose) | |
Verlauf | lang, rezidivierend | kurz | lang |
Allgemeinbefinden | oft nicht gestört, kein Fieber | gestört, Fieber | nicht gestört |
Schmerz | mäßig bis stark | stark, pulsierend | nur Juckreiz |
Sekretion (Otorrhoe) | wässrig, süßlich-fad | eitrig | bröckelig |
Klinische Besonderheiten | wie oben beschrieben |
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Erreger |
Pseudomonas aeruginosa (20-60 %), auch Staphylococcus aureus (10-70 %) |
hämolysierenden Staphylokokken, häufig auch Staphylococcus aureus |
Aspergillusarten; häufig auch Candida albicans |
Beachte: In seltenen Fällen treten auch Viruserkrankungen des äußeren Ohres auf (z. B. Herpes zoster oticus und Herpes simplex).
Otitis externa necroticans
(Synonyme: maligne Otitis externa; Otitis externa maligna)
Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf eine Otitis externa necroticans und werden oft zuerst bemerkt:
- Otalgie: Starke Schmerzen in der Ohrmuschel und im Gehörgang; besonders beim Sprechen und Kauen; meist einseitig, selten beidseitig (in ca. 10 % der Fälle)
- Otorrhoe, fötide: Stinkender, schleimig-eitriger Ausfluss aus dem Ohr (in ca. 50-70 % der Fälle)
Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild einer Otitis externa necroticans:
- Granulationen im Gehörgang: Deutliche Gewebeveränderungen; typisch für den fortgeschrittenen Verlauf (in ca. 60-70 % der Fälle)
- Ausfälle von Hirnnerven: Besonders häufig betroffen ist der N. facialis (VII. Hirnnerv), gelegentlich auch andere Hirnnerven (in ca. 30-40 % der Fälle)
Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:
- Reduzierter Allgemeinzustand: Häufig mit starker Schwäche und Erschöpfung verbunden (in ca. 40-50 % der Fälle)
- Fieber: Kann in einigen Fällen auftreten (in ca. 20-30 % der Fälle)
Entscheidungsalgorithmus
Akute Otitis externa, die zum HNO-Arzt überwiesen werden muss: „Evidence-based Acute Otitis Externa Referral Score“ (EAR-Score) [2]
Risikofaktoren | Punktzahl | |
Eines dieser Merkmale | Alter > 65 | 1 Punkt |
Chemo- oder Radiotherapie (Strahlentherapie) | ||
Gut kontrollierter Diabetes mellitus | ||
Otitis-externer-Rezidiv | ||
Entweder ... | Immunsuppression (Unterdrückung des Immunsystems) | 2 Punkte |
...oder | Schlecht kontrollierter Diabetes mellitus (HbA1c > 8,0 %) | |
Dauer der Behandlung | 3 Punkte | |
Entweder... | Nicht geplante wieder Vorstellung in den ersten 10 Therapietagen | |
...oder | Andauernde Otitis externa trotz 14-tägiger Behandlung | |
Red Flags (Warnzeichen) | ||
Einer dieser Faktoren |
Hirnnervenlähmung | 5 Punkte |
Übermäßige ipsilateral (auf derselben Körperseite oder -hälfte gelegene) Kopfschmerzen | ||
Erythem (flächenhafte Hautrötung) oder Schwellung der Ohrmuschel oder des Gesichts | ||
Vollständig stenosierter (eingeengt) Gehörgang (Spekulum nicht einführbar) |
Interpretation
- 0 Punkte: Notwendigkeit fachärztlicher Behandlung unwahrscheinlich. Patient kann nach initialer Konsultation mit Rezept und Instruktionen über Warnsymptome (hier: Red Flgs) entlassen werden.
- 1-2 Punkte: Aktives Monitoring ist erforderlich. Der Patient sollte während und nach der Behandlung allgemeinärztlich nachuntersucht werden.
- 3-4 Punkte: Dringende Überweisung zum HNO-Arzt binnen zwölf bis 48 Stunden ist ratsam.
- ≥ 5 Punkte: Sofortige Notfallüberweisung zum HNO-Arzt
Der EAR-Score erreichte eine Sensitivität von 100 % und eine Spezifität von 90 %, bezogen auf das Heraufziehen von Komplikationen, die eine fachärztliche Behandlung erfordern. Der negative Vorhersagewert lag bei 100 % [2].
Literatur
- Böheim K. (1992) Diagnose und Therapie der infektiösen Otitis externa – Eine Übersicht für den Nicht-HNO-Arzt WMW 20/21, 481-484, 1992
- Selwyn D, Lau A: When to refer: validating the Evidence-based Acute Otitis Externa Referral Score (EARS). Our experience of 287 cases of otitis externa in Primary Care. Clin Otolaryngol 2019; https://doi.org/10.1111/coa.13320