Wassereinlagerungen (Ödeme) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Ödeme (Wassereinlagerungen) entstehen durch ein Ungleichgewicht zwischen Filtration und Resorption von Flüssigkeit in und aus dem Interstitium (Zellzwischenraum). Die Pathogenese der Ödembildung ist komplex und wird durch verschiedene Mechanismen beeinflusst, die zu einer vermehrten Flüssigkeitsansammlung im Gewebe führen können.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

1. Erhöhter hydrostatischer Druck

Ein erhöhter hydrostatischer Druck in den Kapillargefäßen führt dazu, dass mehr Flüssigkeit aus den Kapillaren ins Interstitium übertritt. Dies tritt häufig bei folgenden Erkrankungen auf:

  • Rechtsherzinsuffizienz (Rechtsherzschwäche): Der Rückstau des Blutes erhöht den Druck im venösen System, was die Filtration von Flüssigkeit ins Gewebe fördert.
  • Venöse Insuffizienz (Venenschwäche): Eine gestörte Funktion der Venenklappen führt zu erhöhtem venösen Druck, der insbesondere in den Beinen die Entstehung von venösen Ödemen begünstigt.

2. Verminderter onkotischer Druck

Der onkotische Druck (auch kolloidosmotischer Druck) wird durch Plasmaeiweiße, insbesondere Albumin, aufrechterhalten. Ein Abfall des onkotischen Drucks führt dazu, dass weniger Flüssigkeit aus dem Interstitium ins Gefäßsystem zurückgezogen wird.

  • Leberzirrhose (Schrumpfleber): Bei Lebererkrankungen wird die Produktion von Plasmaeiweißen reduziert, was den onkotischen Druck abfallen lässt.
  • Nephrotisches Syndrom: Hier führt der Verlust von Plasmaeiweißen über den Urin zu einer Hypoalbuminämie (niedrigem Albuminspiegel), wodurch weniger Flüssigkeit ins Gefäßsystem zurückkehrt.
  • Unterernährung: Ein Mangel an Proteinen in der Ernährung führt zu einer unzureichenden Produktion von Plasmaeiweißen, was die Entstehung von Ödemen begünstigt.

3. Gesteigerte Kapillarpermeabilität

Eine erhöhte Kapillarpermeabilität (Durchlässigkeit der Kapillaren) kann bei entzündlichen Erkrankungen oder allergischen Reaktionen auftreten. Die gesteigerte Permeabilität ermöglicht es, dass neben Wasser auch Plasmaproteine ins Interstitium gelangen, was eine Flüssigkeitsansammlung verursacht.

  • Entzündungen: Entzündliche Prozesse führen zu einer Erhöhung der Gefäßpermeabilität, was den Austritt von Flüssigkeit und Proteinen ins Gewebe verursacht.
  • Allergische Reaktionen: Die Histaminausschüttung und andere Entzündungsmediatoren erhöhen die Gefäßdurchlässigkeit, was bei allergischen Reaktionen wie einem Quincke-Ödem zu Schwellungen führen kann.

4. Störungen des Lymphabflusses

Ein gestörter Lymphabfluss behindert den Abtransport von überschüssiger Flüssigkeit aus dem Gewebe, was zur Entstehung von Lymphödemen führt.

  • Lymphangitis (Lymphgefäßentzündung): Eine Entzündung der Lymphgefäße kann den Lymphfluss blockieren.
  • Chirurgische Eingriffe: Nach Operationen kann es zu einer Schädigung der Lymphgefäße kommen, was den Abfluss von Lymphe behindert.
  • Tumoren: Tumorwachstum kann zu einer mechanischen Verengung der Lymphgefäße führen, was den Lymphabfluss blockiert und zu Lymphödemen führt.

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen

  • Vermehrte Flüssigkeitsansammlung im Interstitium: Durch die oben beschriebenen Mechanismen sammelt sich überschüssige Flüssigkeit im Interstitium, was sich als Ödem äußert. Diese Flüssigkeit kann nicht ausreichend durch das venöse oder lymphatische System abtransportiert werden.
  • Gewebeschäden: Bei länger bestehendem Ödem kann es zu Gewebeschäden kommen, die die Mikrozirkulation verschlechtern und das Risiko für sekundäre Infektionen erhöhen.

Klinische Manifestation

Leitsymptome

  • Schwellungen: Häufig an den unteren Extremitäten, im Gesicht oder in den Händen.
  • Schwere- und Spannungsgefühl: Im betroffenen Gewebe.
  • Dellenbildung (Godet-Zeichen): Bei Druck auf die betroffene Region hinterlässt das Ödem eine sichtbare Delle.

Fortgeschrittene Symptome

  • Atemnot: Tritt bei Lungenödemen durch Herzinsuffizienz oder Nierenschwäche auf.
  • Aszites: Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum, häufig bei Leberzirrhose.
  • Pleuraerguss: Flüssigkeitsansammlung zwischen den Lungen und der Brustwand, was die Atmung beeinträchtigen kann.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Entstehung von Ödemen ist ein multifaktorieller Prozess, der durch ein Ungleichgewicht der Kräfte verursacht wird, die den Flüssigkeitsaustausch zwischen den Kapillaren und dem Interstitium regulieren. Zu den wichtigsten Mechanismen zählen erhöhter hydrostatischer Druck, verminderter onkotischer Druck, erhöhte Kapillarpermeabilität und Störungen des Lymphabflusses. Eine frühzeitige Erkennung der zugrunde liegenden Ursachen ist entscheidend, da die Behandlung je nach Ätiologie (Ursache) variiert.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Faktoren

  • Gravidität (Schwangerschaft)

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

  • Ernährung
    • Hohe Aufnahme von Natrium und Kochsalz dauerhaft erhöhte Natriumzufuhr kann zu Ödemen führen [1].

Krankheitsbedingte Ursachen

Erhöhter hydrostatischer Druck

  • Cushing-Syndrom – erhöhte Konzentration von Cortisol im Plasma
  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Hyperaldosteronismus – übermäßige Aldosteron-Abgabe aus der Nebennierenrinde
  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
  • Idiopathisches Ödem – vermutlich nach langer Therapie mit Diuretika (entwässernde Medikamente)
  • Thrombose – vollständiger oder teilweiser Gefäßverschluss durch ein Blutgerinnsel
  • Corticoidtherapie

Verminderter onkotischer Druck

  • Exsudative Enteropathie (Eiweißverlustsyndrom)
  • Leberparenchymschäden
  • Nephrotisches Syndrom – Sammelbegriff für Symptome, die bei verschiedenen Erkrankungen des Glomerulums (Nierenkörperchen) auftreten; Symptome sind: Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin) mit einem Proteinverlust von mehr als 1 g/m²/Körperoberfläche pro Tag; Hypoproteinämie, periphere Ödeme durch eine Hypalbuminämie von < 2,5 g/dl im Serum, Hyperlipoproteinämie (Fettstoffwechselstörung)

Kapillarwandschäden – Schäden an den kleinen Gefäßen

  • Allergien
  • Glomerulonephritis – Nierenerkrankung, mit Entzündung der Nierenfilterchen (Glomeruli)

Störungen des Lymphabflusses bei

  • Entzündungen – beispielsweise ein Erysipel (akute flächenhafte Hautinfektion, die durch Streptokokken ausgelöst wird ) oder eine Arthritis (Gelenkentzündung)
  • Filariose – Infektion mit Filarien, einer Art der Fadenwürmer
  • Lymphgefäß-Aplasie – ausgebliebene Entwicklung – oder Hypoplasie (Unterentwicklung) von Lymphgefäßen
  • Nach Radiatio (Strahlentherapie)
  • Nach operativen Eingriffen
  • Tumoren

Medikamente

  • ACE-Hemmer (angioneurotisches Ödem; Inzidenz(Häufigkeit von Neuerkrankungen): ca. 1 %; Mortalität (Sterberate): 1 %) – Benazepril, Captopril, Cilazapril, Enalapril, Fosinopril, Lisinopril, Moexipril, Peridopril, Quinapril, Ramipril, Spirapril
  • Alpha-1-Rezeptorenblocker (Prazosin)
  • Analgetika
    • Antirheumatika (NSAR), nicht-steroidale (Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac, Indometacin, Ibuprofen, Meloxicam, Piroxicam)
    • Selektive COX-2-Hemmer (Coxibe) – Celecoxib, Etoricoxib
  • Betamimetika (Synonyme: β2-Sympathomimetika, auch β2-Adrenozeptor-Agonisten) – Fenoterol, Formoterol, Hexoprenalin, Indaceterol, Olodaterol, Ritodrin, Salbutamol, Salmeterol, Terbutalin
  • Calciumantagonisten (vor allem Substanzen vom Dihydropyridin-Typ/Nifedipin-Typ (Amlodipin, Lercanidipin, Nifedipin, Nitrendipin); zweite und dritte Generation wie Lercanidipin sind besser verträglich)
  • Diuretika – vor allem Schleifendiuretika wie Furosemid und Torasemid, die Beinödeme auslösen können
  • Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (Endothelinrezeptorantagonisten) – Bosentan
  • Hormone
    • Androgene (Testosteron, Testosteronenantat, Testosteronundecaonat)
    • Gestagene (Etonogestrel, Desogestrel, Dienogest, Levonorgestrel, Medroxyprogesteronacetat, Medrogeston, Norelgestromin, Norethisteron)
    • Glucocorticoide (Cortison, Dexamethason, Prednisolon, Prednison)
    • Kontrazeptiva (Östrogen-Gestagen-Kombination)
    • Östrogene (Ethinylestradiol, Estradiol)
    • Wachstumshormon (Somatotropes Hormon (STH), Human Growth Hormone (hGH), Growth Hormone (GH), Wachstumshormon (WH), Somatropin (INN))
  • Immunsuppressiva (Thalidomid)
  • Interleukin-2 (IL-2), auch als T-Zell-Wachstumsfaktor (engl. T-cell growth factor, TCGF) bezeichnet
  • Monoklonale Antikörper – Pertuzumab, Trastuzumab
  • Psychopharmaka – atypische Neuroleptika, Lithium, MAO-Hemmer, trizyklische Antidepressiva
  • Thionamide (Carbimazol, Propylthiouracil, Thiamazol)
  • Vasodilatoren (Dihydralazin, Minoxidil)

Operationen

  • Vor allem nach großen Operationen mit Entfernung von größeren Gewebeanteilen kann der Abfluss der Lymphflüssigkeit erschwert werden

Literatur

  1. Kasper H: Ernährungsmedizin und Diätetik. 11. Auflage, Urban & Fischer, München, 2009