Übermäßiger Durst (Polydipsie) – Einleitung

Mit dem Begriff Polydipsie bezeichnet man ein pathologisch (krankhaft) gesteigertes Durstgefühl, das mit übermäßiger Flüssigkeitsaufnahme durch Trinken einhergeht.

Synonyme und ICD-10: krankhafter Durst; vermehrter Durst; übermäßiger Durst; ICD-10-GM R63.1: Polydipsie

Anatomie und Physiologie der Flüssigkeitsregulation

  • Die Regulation des Durstgefühls erfolgt über das Durstzentrum im Hypothalamus.
  • Bei Dehydration (Austrocknung) oder erhöhtem osmotischem Druck im Blut wird das Durstzentrum aktiviert.
  • Die Regulation der Harnausscheidung erfolgt über die Nieren, insbesondere durch das Hormon ADH (antidiuretisches Hormon), das die Wasserrückresorption in den Nierenkanälchen steuert.

Pathophysiologie der Polydipsie

  • Bei Diabetes mellitus führt ein erhöhter Blutzuckerspiegel zu einer osmotischen Diurese, was ein gesteigertes Durstgefühl auslöst.
  • Bei Diabetes insipidus liegt ein Mangel an ADH oder eine Unempfindlichkeit der Nieren auf ADH vor, was zu einer unzureichenden Wasserrückresorption führt.
  • Psychogene Polydipsie ist durch ein übermäßiges Trinkverhalten ohne physiologischen Bedarf gekennzeichnet.

Formen der Polydipsie

  • Primäre Polydipsie: Ein gesteigerter Flüssigkeitskonsum ohne Grunderkrankung.
  • Sekundäre Polydipsie: Ein pathologisch gesteigerter Durst als Symptom einer Erkrankung, häufig bei Diabetes mellitus.

Die Polydipsie geht wegen der erhöhten Flüssigkeitsaufnahme in aller Regel mit einer Polyurie (vermehrte Harnausscheidung) einher. 

Charakteristische Laborbefunde

Polydipsie, definiert als übermäßiger Durst und damit verbundene gesteigerte Flüssigkeitsaufnahme, kann verschiedene Ursachen haben, die sich in charakteristischen Laborbefunden widerspiegeln. Die genaue Laboruntersuchung hängt von der zugrunde liegenden Ursache der Polydipsie ab, die oft zwischen primärer Polydipsie (psychogen oder verhaltensbedingt) und sekundärer Polydipsie (aufgrund von Erkrankungen) unterschieden wird.

Diabetes mellitus

  • Blutglukose: Erhöhte Nüchternglukosewerte (Hyperglykämie) sind charakteristisch. Ein Blutzuckerwert von ≥126 mg/dL (7.0 mmol/L) nach einer Nüchternperiode oder ≥200 mg/dL (11,1 mmol/L) zu einem beliebigen Zeitpunkt kann auf Diabetes hinweisen.
  • HbA1c: Erhöhter Wert (> 6,5 %), der die chronische Hyperglykämie anzeigt.
  • Urinosmolalität: Erniedrigt, insbesondere bei stark erhöhter Glukosekonzentration im Urin (Glukosurie).
  • Serumosmolalität: Erhöht aufgrund der osmotischen Diurese.

Diabetes insipidus

  • Serumosmolalität: Erhöht (normale Werte liegen bei 285-295 mOsm/kg), da das Blut durch den Verlust von Wasser konzentriert wird.
  • Urinosmolalität: Deutlich erniedrigt, da die Niere bei Diabetes insipidus nicht in der Lage ist, Urin zu konzentrieren, was zu einer Hypoosmolalität des Urins (<300 mOsm/kg) führt.
  • Serumnatrium: Erhöht (Hypernatriämie) aufgrund des Verlusts von freiem Wasser.
  • ADH (Antidiuretisches Hormon):
    • Zentraler Diabetes insipidus: Niedriger oder nicht nachweisbarer ADH-Spiegel.
    • Nephrogener Diabetes insipidus: Normaler oder erhöhter ADH-Spiegel, aber keine adäquate Reaktion der Nieren auf ADH.

Primäre Polydipsie (psychogen)

  • Serumnatrium: Normal bis leicht erniedrigt (Hyponatriämie) durch übermäßige Wasseraufnahme.
  • Urinosmolalität: Erniedrigt aufgrund der starken Verdünnung durch die hohe Wasseraufnahme.
  • Serumosmolalität: Erniedrigt, da das Blut durch die übermäßige Flüssigkeitsaufnahme verdünnt wird.

Hypercalcämie

  • Serumkalzium: Erhöht (Hypercalcämie), was bei Erkrankungen wie Hyperparathyreoidismus auftreten kann und zu Polydipsie und Polyurie führt.
  • PTH (Parathormon): Erhöht bei primärem Hyperparathyreoidismus.
  • Urincalcium: Erhöht, besonders bei Hyperparathyreoidismus.

Niereninsuffizienz

  • Serumkreatinin: Erhöht, was auf eine eingeschränkte Nierenfunktion hinweist.
  • Harnstoff: Erhöht bei Niereninsuffizienz.
  • Serumosmolalität: Variabel, je nach Grad der Niereninsuffizienz.

Eine Polydipsie kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen").

Diese Laborbefunde helfen dabei, die zugrunde liegende Ursache der Polydipsie zu identifizieren und eine gezielte Therapie einzuleiten. Die Interpretation der Befunde sollte im Kontext der klinischen Präsentation und weiterer diagnostischer Maßnahmen erfolgen.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Normalerweise liegt die tägliche maximale Flüssigkeitsaufnahme eines Erwachsenen ungefähr bei 3,5 Litern.
  • Eine Polydipsie geht wegen der erhöhten Flüssigkeitsaufnahme in aller Regel mit einer Polyurie (vermehrte Harnausscheidung) einher.

Prognose

  • Verlauf und Prognose sind abhängig von der Grunderkrankung.
  • Bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung der zugrunde liegenden Ursache können die Symptome der Polydipsie kontrolliert werden.
  • Wird mehr als die normale Flüssigkeitsmenge getrunken, sollte zur Abklärung ein Arzt aufgesucht werden.