Nierenzellkarzinom (Hypernephrom) – Medikamentöse Therapie

Therapieziel

  • Verlängerung des Überlebens beim metastasierten Nierenzellkarzinom (mNZK)

Therapieempfehlungen

  • Therapieverfahren der ersten Wahl ist die Operation.
    • komplett reseziertes Nierenzellkarzinom bei Patienten mit intermediärem oder hohem Rückfallrisiko → Pembrolizumab (Checkpoint-Inhibitor; PD-1-Inhibitor) (KEYNOT-564-Studie) [11]
  • Beim metastasierten klarzelligen Nierenzellkarzinom (ca. 75-80 % der Fälle) [1]:
    • soll die Erstlinientherapie bei metastasiertem Nierenzell-Ca (mNZK) risikoadaptiert erfolgen [S3-Leitlinie]
      Kriterien dafür sind: 6 
      Kriterien des International Metastatic RCC Database Consortium (IMDC): Anämie (Blutarmut), Neutrophilie (Anstieg der Zahl der neutrophilen Granulozyten im Blut), Thrombozytose (erhöhte Anzahl Thrombozyten (Blutplättchen) im Blut), Hypercalcämie (Calciumüberschuss), Karnofsky-Index 80 %, Zeit bis zum Rückfall nach Erstdiagnose (12 Monate). 
      • Mediane Gesamtüberlebenszeit:
        • ohne Risikofaktoren: 43 Monate
        • intermediäres Risikoprofil (ein oder 2 Risikofaktoren): 22,5 Monate
        • > 2 Risikofaktoren: 7,8 Monate
    • soll eine alleinige Zytokintherapie basierend auf subkutanem IL-2 und/oder IFN nicht durchgeführt werden [Empfehlungsgrad A]
      Standard ist stets eine Kombitherapie aus zwei Immuntherapeutika oder aus einem Immuntherapeutikum und einem Tyrosinkinaseinhibitor (TKI)
      • niedrigem oder intermediärem Risiko sollen in der Erstlinientherapie Sunitinib, Pazopanib oder Bevacizumab + INF verwendet werden
        • Die Zweitlinientherapie ist eine TKI-basierte Therapie.
        • Nur nach Versagen von mindestens einem VEGF-Inhibitor soll Everolimus eingesetzt werden.
    • Aktueller Stand (Kombinationen aus Checkpoint- und Tyrosinkinase-Inhibitoren sind heute der Standard beim metastasierten Nierenzellkarzinom):
      • Pembrolizumab (Immun-Checkpoint-Inhibitor) + Axitinib (Tyrosinkinase-Hemmer) sowie Avelumab + Axitinib für alle Risikogruppen; des Weiteren Nivolumab + Cabozantinib (CheckMate-9ER-Studie) sowie Pembrolizumab + Lenvatinib (CLEAR-Studie)
      • Nivolumab + Ipilimumab bei intermediärem und hohem Risiko
  • Treten metachron ("zu verschiedenen Zeiten auftretend") mehrere Metastasen (Tochtergeschwülste) in nur einem Organsystem auf, sollte eine lokale (örtliche) Behandlung geprüft werden.
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

Weitere Hinweise zum klarzelligen Nierenzellkarzinom [6]

  • Zur Planung der ersten Therapielinie erfolgt eine Stratifizierung in Patienten mit günstiger Prognose auf der einen Seite und intermediärer bzw. ungünstiger Prognose auf der anderen Seite erfolgen.
    • Patienten mit günstiger Prognose: 
      • Erstlinientherapie: Bevacizumab/IFN; Pazonib, Sunitinib, Tivozanib
      • Zweitlinientherapie: VEGFR-Versagen: Cabozantinib, Nivolumab, Lenvatinib/Everolismus
      • Drittlinientherapie:  s. u.
    • Patienten mit intermediärer Prognose:
      • Erstlinientherapie: Nivolumab + Ipilimumab, Carbozantinib
      • Zweitlinientherapie: CPI-Versagen: kein Standard, Cabozantinib, Lenvatinib/Everolismus, andere TKI
      • Drittlinientherapie: s. u. 
    • Patienten mit ungünstiger Prognose:
      • Erstlinientherapie: Nivolumab + Ipilimumab, Cabozantinib, Temsirolismus
      • Zweitlinientherapie: mTor Versagen: kein Standard, Cabozantinib, Nivolumab, Lenvatinib/Everolismus, andere TKI
      • Drittlinientherapie: s. u. 
    • Drittlinientherapie:
      • Nach TKI + TKI: Cabozantinib, Nivolumab, Everolismus
      • Nach TKI + mTort: kein Standard, Cabozantinib, Nivolumab
      • Nach TKI + CPI: kein Standard, Cabozantinib, Lenvatinib/Everolismus
      • Nach CPI + TKI: kein Standard, andere TKI, Everolismus, Lenvatinib/Everolismus

Legende: IFNI: Interferon, TKI: Tyrosinkinaseinhibitor, CPI: Checkpointinhibition, VEGFR: vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor-Rezeptor, mTOR: Mechanistic Target of Rapamycin

Weitere Hinweise

  • In einer Studie mit Hoch-Risiko-Hypernephrom-Patienten erlitten Patienten, die mit Sunitinib behandelt wurden, in 6,8 Jahren ein Rezidiv. In der Placebo-Gruppe trat nach 5,4 Jahren ein Rezidiv auf [3].
  • Zweitlinientherapie mit dem PD-1-Hemmer (Checkpoint-Inhibitor) Nivolumab als weitere Säule der immuntherapeutischen Behandlung: Dieser blockiert den Rezeptors PD-1 auf aktivierte T-Lymphozyten und verhindert so die Wechselwirkung mit dem Liganden PD-L1 auf anderen Immun- und Tumorzellen. Dieses führt dazu, dass die ursprünglich ausgebremsten T-Zellen den Tumor wieder angreifen können. In einer Studie konnte im Vergleich zur Therapie mit Everolimus ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben gezeigt werden [2].
  • Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA hat eine positive Zulassungsempfehlung für Avelumab in Kombination mit Axitinib für die Erstlinientherapie von erwachsenen Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom abgegeben (Grundlage der Empfehlung sind positive Ergebnisse der Phase-III-Studie JAVELIN Renal 101: signifikante Verlängerung des medianen 
  • Eine Kombinationstherapie aus VEGF- und Checkpointhemmern als First-line-Therapie bei fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom [8-10]: 
    • Avelumab/Axitinib verlängerte das progressionsfreie Überleben (progression free survival, PFS)
    • Pembrolizumab/Axitinib verlängerte das Gesamtüberleben (overall survival, OS)
    Beide Kombinationen haben das Potential, zu neuen Standards in der Erstlinientherapie zu werden.
  • Für die Erstlinientherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinoms (RCC) steht für die Kombination Checkpoint- plus VEGF(R)-Inhibitor Pembrolizumab und Lenvatinib zur Verfügung. Dieses hat das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) dieser Patientengruppe im Vergleich zu einer Monotherapie mit Sunitinib signifikant von 9,2 auf 23,9 Monate reduziert und zugleich das Progressions- oder Sterberisiko um 61 Prozent [12].
  • Bei Knochenmetastasen sollten Bisphosphonate eingesetzt werden; neben lokaler Radiatio (Strahlentherapie).

Wirkstoffe (Hauptindikation)

Wirkstoffgruppe Wirkstoffe Besonderheiten
Interferone Interferon alpha (IFN-alfa) Immuntherapie
Kombination mit Interleukin-2 (IL-2)
Kontraindikationen bei Nieren- und schwerer Leberinsuffizienz

Tyrosinkinaseinhibitoren (TKi)/VEGF (Vascular endothelial growth factor)

 

   
Axitinib
Zweitlinientherapie
In der Zweitlinientherapie nach Sunitinib oder Zytokinen kann Axitinib verwendet werden [1]
Bevacizumab Erstlinientherapie in Kombination mit Interferon-alpha (IFN-alfa)
Cabozantinib  Erstlinientherapie von Erwachsenen mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (NZK) bei mittlerem oder hohem Risiko 
Zweitlinientherapie nach antiangiogenetischer Therapie 
Pazopanib

Erst- und Zweitlinie

Erstlinientherapie bei geringem oder intermediärem Risiko
Zweitlinientherapie nach Zytokintherapie

Sorafenib

Erst- und Zweitlinie

Zweitlinientherapie
Indikation bei
 Kontraindikation bzw. Versagen einer Immuntherapie

Sunitinib

Erst- und Zweitlinie

Erstlinientherapie mit hoher Ansprechrate [4] 

Tivozanib

Erst- und Zweitlinie

Multikinase-Inhibitor Lenvatinib Ind.: fortgeschrittenes Nierenzellkarzinom

in Kombination mit Everolimus
mTOR-Inhibitoren Everolimus

Zweitlinientherapie

Nach Versagen von mindestens einem VEGF-Inhibitor kann Everolimus eingesetzt werden [1].

Temsirolimus Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms bei Patienten mit schlechter Prognose

Nach Temsirolimus Axitinib Pazopanib Sorafenib Sunitinib
PD-1-Inhibitor Nivolumab

Zweitlinientherapie

Ind.: fortgeschrittenes Nierenzellkarzinom nach Vortherapie

Beachte: Engmaschig und bis zu zwölf Monate nach Therapieende auf immunvermittelte Nebenwirkungen (s. u.) überwachen! [1]

Die Kombination Nivolumab/Ipilimumab ist als Erstlinientherapie für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom mit intermediärem oder ungünstigem Risikoprofil zugelassen.
Hinweis: Ipilimumab ist ein vollständig humanisierter monoklonaler Antikörper, der in der Behandlung von Melanomen eingesetzt wird und sich gegen das Protein CTLA-4 richtet.

  Pembrolizumab 

Nach einer medianen Beobachtungszeit von 12,8 Monaten lebten in der Pembrolizumab-Axitinib-Gruppe noch 89,9 % der Patienten versus 78,3 % der Patienten in der Sunitinibgruppe [5]

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für das Immunsystem sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
  • Spurenelemente (Chrom, Eisen, Kupfer, Mangan, Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Flavonoide (Citrusfrüchte), Lycopin (Tomaten), Proanthocyanidine (Cranberrys), Polyphenole)
  • Weitere Vitalstoffe (Probiotische Kulturen: Laktobazillen, Bifidobakterien)

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms. (AWMF-Registernummer: 043-017OL), Februar 2023 Kurzfassung Langfassung
  2. Motzer RJ et al.: Nivolumab versus Everolimus in Advanced Renal-Cell Carcinoma. N Engl J Med 2015;373:1803-13. doi: 10.1056/NEJMoa1510665
  3. Ravaud et al.: Adjuvant Sunitinib in High-Risk Renal-Cell Carcinoma after Nephrectomy, New England Journal of Medicine, doi: 10.1056/NEJMoa1611406
  4. Ljungberg B et al. EAU Guidelines on Renal Cell Carcinoma; 2017 update; Eur Urol, 2017 http://uroweb.org/guideline/renal-cell-carcinoma/; zuletzt aufgerufen am 23.11.2107
  5. Rini BI et al.: Pembrolizumab plus Axitinib versus Sunitinib for Advanced Renal-Cell Carcinoma. New Engl J Med February 16, 2019 doi: 10.1056/NEJMoa1816047
  6. Grünwald V: Systemtherapie des Nierenzellkarzinoms. Der Onkologe Ausgabe 6/2019 doi: https://doi.org/10.1007/s00761-019-0566-5
  7. Robert J et al.: Avelumab plus Axitinib versus Sunitinib for Advanced Renal-Cell Carcinoma. N Engl J Med 2019; 380:1103-1115 doi: 10.1056/NEJMoa1816047
  8. Motzer RJ et al.: Avelumab plus Axitinib versus Sunitinib for Advanced Renal-Cell Carcinoma (JAVELIN Renal 101). NEJM 2019. doi: https://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1816047
  9. Rini BI et al.: Pembrolizumab plus Axitinib versus Sunitinib for Advanced Renal-Cell Carcinoma (KEYNOTE-426). NEJM 2019. doi: https://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1816714
  10. Escudier B et al.: Combination Therapy is the New First Line Standard in Metastatic Renal Cell Carcinoma. NEJM 2019. doi: https://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1900887
  11. Choueiri TK et l.: Pembrolizumab versus placebo as post-nephrectomy adjuvant therapy for patients with renal cell carcinoma: Randomized, double-blind, phase III KEYNOTE-564 study. ASCO Meetin Library J Clin Oncol 39, 2021 (suppl 15; abstr LBA5) doi:10.1200/JCO.2021.39.15_suppl.LBA5
  12. Motzer R et al.: Lenvatinib plus Pembrolizumab or Everolimus for Advanced Renal Cell Carcinoma N Engl J Med 2021; 384:1289-1300 doi: 10.1056/NEJMoa2035716

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms. (AWMF-Registernummer: 043-017OL), September 2024 Kurzfassung Langfassung