Chronische Nierenschwäche (Chronische Niereninsuffizienz) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die chronische Nierenschwäche oder chronische Niereninsuffizienz ist eine progrediente (fortschreitende) Erkrankung, bei der die Nierenfunktion allmählich abnimmt. Dieser Verlust der Nierenfunktion führt zu einer Kaskade von kompensatorischen und pathologischen Mechanismen, die letztlich die Nieren weiter schädigen.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Glomeruläre Hypertrophie und erhöhter Filtrationsdruck
Im Verlauf der chronischen Niereninsuffizienz nimmt die Anzahl funktionstüchtiger Nephrone (Nierenkörperchen) kontinuierlich ab. Um die Restfunktion der Niere aufrechtzuerhalten, wird in den verbleibenden Glomeruli ein gesteigerter Filtrationsdruck aufgebaut. Dieser Mechanismus wird durch das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) vermittelt, insbesondere durch das Hormon Angiotensin II.
- Angiotensin II: Dieses Gewebshormon spielt eine Schlüsselrolle bei der Regulation von Blutdruck und Wasserhaushalt und führt zu einer Hypertrophie (Größenzunahme) der verbleibenden Glomeruli. Diese Vergrößerung soll die Filtrationsrate aufrechterhalten, verursacht jedoch langfristig eine Schädigung der Glomeruli.
Erhöhte glomeruläre Permeabilität und Proteinurie
Durch die erhöhte Aktivität von Angiotensin II kommt es nicht nur zur Hypertrophie der Glomeruli, sondern auch zu einer vermehrten glomerulären Permeabilität (Durchlässigkeit). Diese abnorme Durchlässigkeit führt zur Proteinurie, bei der Eiweiße (insbesondere Albumin) über den Urin verloren gehen.
- Proteinurie: Der Verlust von Proteinen im Urin ist nicht nur ein Diagnosekriterium, sondern auch ein pathologischer Mechanismus, der die Nieren weiter schädigt. Proteine, die in die Nierenkanälchen gelangen, lösen eine entzündliche Reaktion und Fibrosierung (Vernarbung) aus, was letztlich zur Glomerulosklerose führt.
Glomerulosklerose
Die Glomerulosklerose ist eine chronische Erkrankung, bei der es zu einer Vernarbung der Kapillarschlingen in den Glomeruli kommt. Diese Vernarbungen führen zu einer irreversiblen Einschränkung der Nierenfunktion. Der Mechanismus der Glomerulosklerose wird durch den fortschreitenden Proteinverlust, die entzündliche Reaktion und die Hypertrophie der Glomeruli weiter verstärkt.
Sekundäre pathophysiologische Mechanismen
- Hypertonie (Bluthochdruck): Ein erhöhter Blutdruck ist nicht nur eine Ursache, sondern auch eine Folge der chronischen Niereninsuffizienz. Der Filtrationsdruck in den Nieren steigt weiter an, was die Glomeruli zusätzlich schädigt und die Erkrankung beschleunigt.
- Elektrolytstörungen: Mit fortschreitendem Verlust der Nierenfunktion kommt es zu Störungen im Elektrolythaushalt (z. B. Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss), Azidose (Übersäuerung)), was die Gesundheit des Patienten weiter beeinträchtigt.
- Metabolische Azidose: Bei einer verminderten Nierenfunktion kann die Säure-Basen-Regulation nicht mehr aufrechterhalten werden, was zu einer Azidose führt. Diese verstärkt die Knochenentkalkung und führt zu weiteren Komplikationen.
Risikofaktoren für das Fortschreiten der chronischen Niereninsuffizienz
Nephrotoxische Medikamente
Eine Vielzahl von Arzneimitteln kann die Nierenfunktion weiter beeinträchtigen. Die 500-50-50-Regel beschreibt das Risiko von medikamenteninduzierten Nierenschäden:
- 500 essentielle Arzneimittel werden renal (über die Niere) eliminiert.
- 50 % dieser Medikamente bergen ein Risiko für nephrotoxische Nebenwirkungen.
- 50 % der Menschen über 70 Jahre sind bereits niereninsuffizient, wodurch das Risiko einer medikamentösen Nierenschädigung erheblich ansteigt.
Diabetes mellitus
Diabetes mellitus ist eine der häufigsten Ursachen für chronische Nierenschwäche. Die Hyperglykämie (erhöhter Blutzuckerspiegel) führt zu strukturellen Veränderungen in den Glomeruli, die die Nierenfunktion langfristig beeinträchtigen.
Hypertonie (Bluthochdruck)
Ein ungünstig eingestellter Bluthochdruck beschleunigt die Glomerulosklerose und verstärkt die Nierenschädigung.
Genetische Prädisposition
Bei einigen Patienten besteht eine genetische Veranlagung, die das Risiko für chronische Nierenschäden erhöht.
Klinische Manifestation
Leitsymptome
- Müdigkeit und Schwäche: Durch die eingeschränkte Nierenfunktion können Toxine und Stoffwechselprodukte nicht mehr adäquat eliminiert werden, was zu Müdigkeit führt.
- Ödeme: Der Verlust von Eiweißen im Urin führt zu einem Abfall des kolloidosmotischen Drucks, was Wasseransammlungen in den Beinen, Lungen oder Bauchhöhle verursacht.
- Hypertonie: Häufig tritt Bluthochdruck als Folge der eingeschränkten Nierenfunktion auf.
Fortgeschrittene Symptome
- Elektrolytstörungen: Hyperkaliämie (erhöhter Kaliumspiegel) und Azidose (Übersäuerung) treten bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz auf.
- Urämie (Harnvergiftung): Der Anstieg von Harnstoff und anderen Abfallstoffen im Blut kann zu einem urämischen Syndrom führen, das lebensbedrohlich sein kann.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die chronische Niereninsuffizienz ist eine progrediente Erkrankung, die durch den Verlust der glomerulären Funktion und eine Proteinurie charakterisiert ist. Angiotensin II spielt eine zentrale Rolle in der Pathogenese, indem es die glomeruläre Hypertrophie und die Erhöhung der Permeabilität fördert, was letztlich zur Glomerulosklerose führt. Unbehandelt führt die chronische Niereninsuffizienz zu Nierenversagen, das eine Dialyse oder eine Nierentransplantation erforderlich macht.
Die 500-50-50-Regel verdeutlicht das hohe Risiko von medikamenteninduzierten Nierenschäden, insbesondere bei älteren Patienten, die bereits eine eingeschränkte Nierenfunktion haben. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen und Komplikationen zu vermeiden.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
- Genetische Erkrankungen/Missbildungen
- Alport-Syndrom (auch progressive hereditäre Nephritis genannt) – genetische Erkrankung mit sowohl autosomal-dominantem als auch autosomal-rezessivem Erbgang, mit fehlgebildeten Kollagenfasern, die zur Nephritis (Nierenentzündung) mit fortschreitender Niereninsuffizienz (Nierenschwäche), Innenohrschwerhörigkeit und verschiedenen Augenerkrankungen wie beispielsweise einen Katarakt (grauer Star) führen kann
- Dysplastische Nieren (Fehlentwicklung der Nieren) (Erbgang: meist sporadisch)
- Morbus Fabry (Synonyme: Fabry-Krankheit oder Fabry-Anderson-Krankheit) – X-chromosomal vererbte lysosomale Speicherkrankheit, die auf einem Defekt im Gen für das Enzym Alpha-Galaktosidase A beruht, die zu einer progredienten Akkumulation des Sphingolipids Globotriaosylceramid in den Zellen führt; mittleres Manifestationsalter: 3-10 Jahre; Frühsymptome: intermittierende Brennschmerzen, eine verminderte oder fehlende Schweißproduktion sowie gastrointestinale Probleme; unbehandelt kommt es im weiteren Verlauf zu einer zunehmenden Nephropathie (Nierenerkrankung) mit Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin) und fortschreitender Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) sowie einer hypertrophen Kardiomyopathie (HCM; Erkrankung des Herzmuskels, der durch eine Verdickung der Herzmuskelwände gekennzeichnet ist).
- Harnwegsmissbildungen
- Polyzystische Nierenerkrankungen – Nierenerkrankung aufgrund multipler Zysten (flüssigkeitsgefüllte Hohlräume) in den NIeren
- teils mit autosomal-dominantem wie auch autosomal-rezessivem Erbgang (s. u. Zystischer Nierenkrankheit)
- Sichelzellenanämie (med.: Drepanozytose; auch Sichelzellanämie, engl.: sickle cell anemia) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) betrifft; sie gehört zur Gruppe der Hämoglobinopathien (Störungen des Hämoglobins; Bildung eines irregulären Hämoglobins, dem sogenannten Sichelzellhämoglobin, HbS)
- Genetische Erkrankungen/Missbildungen
- Lebensalter – insb. durch persistierende Entzündung und zelluläre Seneszenz (Zellalterung)
- Sozioökonomische Faktoren – niedriger sozioökonomischer Status
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Erhöhter Salzkonsum – Essen regelmäßig nachzusalzen, geht mit einem signifikant erhöhten Risiko einher, langfristig eine chronische Nierenerkrankung zu entwickel [15]
- Genussmittelkonsum
- Tabak (Rauchen) – begünstigt das Fortschreiten einer Niereninsuffizienz
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) – HDL-Werte und glomeruläre Filtrationsrate nahmen mit steigendem BMI ab; die chronische Nierenerkrankung (definiert als geschätzte glomeruläre Filtrationsrate unter 60 ml/min/1,73 m2) wurde bei Untergewichtigen 2,6 Jahre später als bei Normalgewichtigen, dagegen wurde diese bei Übergewichtigen 1,1 und bei Adipösen 2,0 Jahre früher diagnostiziert [7]
Krankheitsbedingte Ursachen
- Abakterielle chronische interstitielle Nephritis – chronische Entzündung des Bindegewebes (Gewebe zwischen Glomeruli (Nierenkörperchen) und Tubuli) der Niere (immunologisch)
- Akute Nierenschädigung (engl.: acute kidney injury (AKI)) [eigenständiger Risikofaktor]
- Analgetikanephropathie (tubulo-interstitielle Nephropathie; s. u. Medikamente)
- ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV) – ANCA steht für anti-neutrophile cytoplasmatische Antikörper. ANCA-assoziierte Vaskulitiden sind Systemerkrankungen, das heißt, sie können annähernd alle Organsysteme befallen
- Amyloidose – extrazelluläre ("außerhalb der Zelle") Ablagerungen von Amyloiden (abbauresistente Proteine), die u. a. zu einer Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung), Neuropathie (Erkrankung des peripheren Nervensystems) und Hepatomegalie (Lebervergrößerung) führen können.
- Anorexia nervosa (Magersucht)
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED: Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) – in den folgenden 10 Jahren Entwicklung einer CKD mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 10 % [13].
- Chronische tubulo-interstitielle Nierenerkrankungen (TIN)
- Diabetische Nephropathie (Synonym: diabetesassoziierte Nephropathie (DNP)) – Folgeerkrankung des Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), bei der die Nieren durch Mikroangiopathie (Gefäßveränderungen, die kleinen Gefäße betreffend) geschädigt werden (ca. 30-40 % der Diabetiker weisen eine Nephropathie auf)
- Glomerulonephritiden – Nierenerkrankungen mit Entzündung der Glomeruli (Nierenkörperchen) (diffuse, fokale oder rapid progressive Glomerulonephritis, fokal-segmentale Glomerulosklerose, membranöse Glomerulonephritis, Minimal-change-Glomerulonephritis)
- Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) – Trias aus mikroangiopathischer, hämolytischer Anämie (MAHA; Form der Blutarmut, bei der die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) zerstört werden), Thrombozytopenie (krankhafte Verminderung der Thrombozyten/Blutplättchen) und akuter Nierenfunktionseinschränkung (acute kidney injury, AKI); meist bei Kindern im Rahmen von Infektionen auftretend; häufigste Ursache des akuten, dialysepflichtigen Nierenversagens im Kindesalter
- HIV-Nephropathie – Nierenerkrankung durch die HIV-Infektion
- Hypertonie (Bluthochdruck) bzw. hypertensive Nephropathie (bluthochdruckbedingte Nierenerkrankung) – nephrologische Fachverbände schätzen, dass ein chronisches Nierenversagen in Deutschland zu 24 Prozent auf den Bluthochdruck zurückzuführen ist
- Hyperurikämie (Gicht)
- Kardiovaskuläre Erkrankungen (engl. cardiovascular disease, CVD) – im ersten drei Monaten nach Diagnose einer CVD ist das Risiko für eine terminale Niereninsuffizienz bis um den Faktor 100 erhöht; erst drei Jahre später normalisiert sieht sich das Risiko, dass eine Dialyse oder Nierentransplantation notwendig wird; besonders gefährdet sind Personen mit Herzinsuffizienz/Herzschwäche (Risiko in den ersten drei Monaten am höchsten) [14].
- Kollagenosen (Gruppe von Bindegewebserkrankungen, die durch Autoimmunprozesse bedingt sind) – systemischer Lupus erythematodes (SLE), Polymyositis (PM) bzw. Dermatomyositis (DM), Sjögren-Syndrom (Sj), Sklerodermie (SSc) und Sharp-Syndrom ("mixed connective tissue disease", MCTD)
- Leukämie (Blutkrebs)
- Nephrolithiasis (Nierensteinleiden), rezidivierende
- Obstruktive Nephropathien – Nierenerkrankungen aufgrund von Verengungen oder Verschlüssen der ableitenden Harnwege
- Paraproteinämie – Proteine aus unkontrolliert vermehrten Zellen treten bei verschiedenen Erkrankungen wie dem Plasmozytom (bösartige Systemerkrankung) vermehrt im Blut auf (z. B. Morbus Waldenström/Makroglobulinämie Waldenström)
- Polyzystische Nierenerkrankungen – Nierenerkrankungen, die durch das Vorkommen vieler Zysten (flüssigkeitsgefüllte Hohlräume) gekennzeichnet sind
- Polyzythämie – krankhafte Vermehrung von Blutzellen (insbesondere betroffen sind Erythrozyten, in geringerem Maße auch Thrombozyten und Leukozyten); stechender Juckreiz nach Kontakt mit Wasser (Aquagener Pruritus)
- Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung)
- Systemischer Lupus erythematodes (SLE) – Systemerkrankung, die die Haut und das Bindegewebe der Gefäße betrifft und so zu Vaskulitiden (Gefäßentzündungen) zahlreicher Organe wie Herz, Nieren oder Gehirn führt
- Vaskuläre Nephropathie – Nierenerkrankung aufgrund von Veränderungen an den Nierengefäßen, meist Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung)
Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten
- Hypercalcämie (Calciumüberschuss)
- Hypercholesterinämie (LDL-Cholesterin-Anstieg)
- Hyperurikämie – zu hohe Harnsäurewerte im Blut
- Magnesiumspiegel – Patienten mit einem Serum-Magnesium unter 1,8 mg/dl (0,79 mmol/l) hatten ein um 61 % höheres Mortalitätsrisiko (Sterberisiko) als Patienten mit Werten über 2,2 mg/dl (0,90 mmol/l) [1]
Medikamente (nephrotoxische – nierenschädigende – Arzneimittel/nephrotoxische Medikamente)
- ACE-Hemmer (Benazepril, Captopril, Cilazapril, Enalapril, Fosinopril, Lisinopril, Moexipril, Peridopril, Quinapril, Ramipril, Spirapril) und AT1-Rezeptorantagonisten (Candesartan, Eprosartan, Irbesartan, Losartan, Olmesartan, Valsartan, Telmisartan) (akut: Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (GFR), verbunden mit einem Kreatinin-Anstieg: ACE-Hemmer ebenso wie AT1-Rezeptorantagonisten heben die Vasokonstriktion (Gefäßverengung) im Vas efferens auf, und es resultieren ein Abfall der GFR und ein Kreatinin-Anstieg im Serum. Bis 0,1 bis 0,3 mg/dl ist dies in der Regel tolerierbar.
Bei einer hämodynamisch relevanten Nierenarterienstenose (bei Patienten mit Atherosklerose/Arteriosklerose nicht selten) wird die GFR aber ausgeprägt Angiotensin-II-abhängig eingeschränkt, und die Gabe eines ACE-Hemmers oder AT1-Rezeptorantagonisten kann ein akutes Nierenversagen (ANV) zur Folge haben!) - Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Antagonisten (ARNI) – duale Wirkstoffkombination: Sacubitril/Valsartan
- Allopurinol
- Antiphlogistische und antipyretische Analgetika (Non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAID), nichtsteroidale Entzündungshemmer) bzw. Nicht-Steroidale Antirheumatika (NSAR)
- Nachteilige Auswirkungen auf die Nierenfunktion vor allem bei älteren Menschen und Patienten mit vorgeschädigter Niere oder entsprechenden Risikofaktoren.
Auch jüngere, körperlich aktive Erwachsene haben bei häufiger NSAR-Einnahme (> 7 definierte Tagesdosen NSAR pro Monat) ein erhöhtes Risiko für akute und chronische Nierenschäden [9].
NSAR-abhängiges Risiko für Nierenschäden waren noch höher bei: BMI ≥ 30, Hypertonie oder Diabetes mellitus oder männliches Geschlecht [9]. - Achtung: Die Kombination eines Diuretikums, eines RAS-Blockers und eines NSAR ist mit einem signifikanten Risiko einer akuten Nierenschädigung assoziiert [4].
- Nicht-Steroidale Antirheumatika (NSAR):
- Acetylsalicylsäure (ASS)
- Diclofenac
- Ibuprofen/Naproxen
- Indometacin
- Nichtsaure Analgetika [keine Nephrotoxizität]
- Metamizol (Novaminsulfon) ist ein Pyrazolon-Derivat und Analgetikum aus der Gruppe der nichtsauren Nichtopioid-Analgetika (höchste analgetische und antipyretische Wirkung. Nebenwirkungen: Kreislaufschwankungen, Überempfindlichkeitsreaktionen, sowie sehr selten eine Agranulozytose. [Erwähnung wegen oben genannter Kombination; keine Nephrotoxizität, nur geringe renale Elimination]
- Paracetamol/Acetaminophen [Erwähnung wegen oben genannter Kombination; keine Nephrotoxizität, keine renale Elimination]
- Phenacetin (Phenacetin-Nephritis)
- Selektive COX-2-Hemmer wie Rofecoxib, Celecoxib (Nebenwirkungen: verringerte Natrium- und Wasserausscheidung, Blutdruckanstieg sowie periphere Ödeme. Damit einher geht in der Regel eine Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss)!)
- Nachteilige Auswirkungen auf die Nierenfunktion vor allem bei älteren Menschen und Patienten mit vorgeschädigter Niere oder entsprechenden Risikofaktoren.
- Antibiotika
- Aminoglycosidantibiotika (Aminoglykoside) – Amikacin, Gentamycin (Gentamicin), Netilmicin, Streptomycin, Tobramycin, Vancomycin
- Ampicillin (Gruppe der β-Lactam-Antibiotika)
- Cephalosporine (Cefotaxim, Cefotiam, Cefuroxim)
- Amoxicillin
- Carbenicillin
- Ethambutol (Tuberkulostatikum)
- Fenoprofen
- Glykopeptidantibiotika (Vancomycin) – insb. Piperacillin reduziert die Vancomycin-Clearance
- Gyrasehemmer (extrem selten: akute interstitielle Nephritis nach Ciprofloaxin, Ofloxacin und Norfloxacin)
- Lincosamid-Antibiotika (Clindamycin)
- Methicillin (penicillinasefestes Penicillin)
- Oxacillin
- Rifampicin (bakterizides Antibiotikum aus der Gruppe der Ansamycine)
- Sulfonamide wie Sulfadiazin, Cotrimoxazol (feste Kombination aus: Trimethoprim + Sulfamethoxazol)
- Tetracycline (Doxycyclin)
- Antimykotika
- Polyene (Amphotericin B, Natamycin)
- Calciumantagonisten vom Diyhdropyridin-Typ und Abwesenheit eines RAS-Blockers
- Chloralhydrat
- Colchicin
- Dihydrouridin-Calciumkanalblocker (DCCB): Unter DCCB ist das Risiko für eine Albuminurie signifikant höher als unter Thiaziden, insbesondere ohne begleitende RAS-Hemmung [17].
- Diuretika
- Thiaziddiuretika (Hydrochlorothiazid (HCT), Benzthiazid, Clopamid, Chlortalidon (CTDN), Chlorothiazid, Hydroflumethiazid, Indapamid, Methyclothiazid, Metolazon, Polythiazid und Trichlormethiazid, Xipamid) + ältere Patienten: Rückgang der GFR um mehr als 25 % [3]
- Die Kombination eines Diuretikums, eines RAS-Blockers und eines NSAR ist mit einem signifikanten Risiko einer akuten Nierenschädigung assoziiert [4].
- D-Penicillamin
- Gold – Natriumaurothiomalat, Auranofin
- Immunsuppressiva – Ciclosporin (Cyclosporin A) – insb. Ciprofloxacin plus Ciclosporin A
- Interferon
- Kolloidale Lösung mit Hydroxethylstärke
- Kontrastmittel – Bedeutung haben hier insbesondere gadoliniumhaltige Magnetresonanztomographie (MRT)-Kontrastmittel, die zu einer nephrogenen systemischen Fibrose (NSF) führen können. Besonders betroffen von NSF sind Patienten mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von weniger als 30 ml/min. [CKD-Stadium 4]; jodhaltige Röntgenkontrastmittel; [erfordern bei Niereninsuffizienz ein prophylaktische Wässerung]
EMA (Europäische Arzneimittelagentur): Kategorisierung von GBCAs (Gadolinium-basierten Kontrastmittel) bezüglich des NSF-Risikos (nephrogener systemischer Fibrose), auf der Grundlage der thermodynamischen und kinetischen Eigenschaften [5]:- Hohes Risiko: Gadoversetamid, Gadodiamid (linear/nicht-ionische Chelate) Gadopentetat-Dimeglum (linear/ionisches Chelat)
- Mittleres Risiko: Gadofosveset, Gadoxetsäure-Dinatrium, Gadobenat-Dimeglumin (linear/ionische Chelate)
- Niedriges Risiko: Gadoterat-Meglumin, Gadoteridol, Gadobutrol (makrozyklische Chelate)
- Lithium (Nephrotoxizität bei der Langzeittherapie)
- Onkologische Therapie
- Immuntherapie – Checkpoint-Inhibitoren (monoklonale Antikörper), Bevacizumab (VEGF-Antikörper), Trastuzumab (HER2-Antikörper) – Nivolumab (PD-1-Antikörper)
- Zielgerichtete Therapien – "Targeted therapies", Everolimus (mTOR-Inhibitor), Imatinib (Tyrosinkinaseinhibitor), Vemurafenib (Serin‑/Threoninkinaseinhibitor)
- Zytostatika – Carboplatin, Cisplatin, Cyclophosphamid, Gemcitabin, Iphosphamid (Ifosfamid), Melphalan, Methotrexat (MTX), Mitomycin C, Platin (Cisplatin)
- Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker)
- "Atherosclerosis Risk in Communities" (ARIC): 10-jährige PPI-Anwendung: Erkrankungsrate der chronischen Niereninsuffizienz bei Patienten mit PPI 11,8 %, ohne 8,5 %; Rate der Nierenschädigungen: 64 %; zwei Pillen am Tag führten signifikant häufiger zu Schäden: 62 % [6]
- Geisinger-Health-System: Beobachtungszeit 6,2 Jahre; Erkrankungsrate der chronischen Niereninsuffizienz: 17 %; Rate der Nierenschädigungen: 31 %; zwei Pillen am Tag führten zu signifikant häufiger Schäden: 28 % [6].
- In den folgenden fünf Jahren nach einer PPI-Einnahme trat signifikant häufiger ein chronisches Nierenversagen als bei Patienten, denen H2-Blocker verordnet wurden [8].
- Analyse der Datenbank FAERS, in der die US-Arzneimittelbehörde FDA Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) sammelt [10]:
- Chronische Nierenerkrankungen: 28,4-fach, akute Nierenschäden: 4,2-fach, Nierenerkrankungen im Endstadium (Dialyse): 35,5-fach; unspezifische Nierenfunktionsstörungen: 8-fach häufiger
- Elektrolytstörungen (Abweichungen einer oder mehreren Körperflüssigkeiten von der normalen Elektrolytkonzentration (Salzkonzentration)): Hypomagnesiämie (Magnesiummangel): 78,5-fach häufiger, Hypocalcämie (Calciummangel): 26-fach, Hypokaliämie (Kaliummangel): 6,3-fach, Hyponatriämie (Natriummangel): 2,2-fach häufiger
- Rast-Blocker: Die Kombination eines Diuretikums, eines RAS-Blockers und eines NSAR ist mit einem signifikanten Risiko einer akuten Nierenschädigung assoziiert [4].
- Tacrolismus (Makrolid aus dem gram-positiven Bakterium Streptomyces tsukubaensis. Tacrolimus wird verwendet als Arzneistoff aus der Gruppe der Immunmodulatoren oder Calcineurinhemmer)
- TNF-α-Antikörper – Adalimumab → IgA-Nephropathie (mit 30 % die häufigste Form einer idiopathischen Glomerulonephritis im Erwachsenenalter)
- Virostatika
- Nukleosidanaloga (Aciclovir, Brivudin, Cidofovir, Famciclovir, Foscarnet, Ganciclovir, Valaciclovir)
Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)
- Halogenierte Kohlenwasserstoffe (HKW; Trichlorethen, Tetrachlorethen, Hexachlorbutadien, Chloroform)
- Herbizide (Paraquat, Diquat, chlorierte Phenoxyessigsäuren)
- Hitze (Kombination aus Hitzestress, Dehydrierung und Überanstrengung) [16]
- Metalle (Cadmium, Blei, Quecksilber, Nickel, Chrom, Uran)
- Mykotoxine (Ochratoxin A, Citrinin, Aflatoxin B1)
- Aliphatische Kohlenwasserstoffe (2,2,4-Trimethylpentan, Decalin, bleifreies Benzin, Mitomycin C)
- Melamin
Weitere Faktoren
- Nierenspender
- Erhöhtes Risiko im Vergleich zu Nichtspendern für eine terminale Niereninsuffizienz/das höchste Risiko haben afroamerikanische Spender; das Lebenszeitrisiko ist jedoch geringer als das der Allgemeinbevölkerung [2]
- Nach der Nephrektomie (Entfernung einer Niere) ist die glomeruläre Filtrationsrate (GFR; pro Zeiteinheit von den Glomeruli der Nieren filtrierte Volumen) etwa ein Drittel niedriger als zuvor. Bei jedem dritten Donor lag sie damit unter 60 ml/min/1,73 m2 [11].
- Perkutane Koronarintervention und Kontrastmittel: das Risiko für kontrastmittelassoziierte akute Nierenschäden (CA-AKI) kann mithilfe des „Mehran-2 CA-AKI Risk Score“ besser eingeschätzt werden [12].
Literatur
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