Neurogene Blase – Operative Therapie

Sind die medikamentösen Therapiemaßnahmen erfolglos, so kommen folgende operative Maßnahmen zum Einsatz:

  • Nicht beherrschbarer Detrusorhypertrophie (Trabekulierung und Pseudodivertikelbildung der Blase):
    • Harnblasenaugmentation (Blasenvergrößerung) mit Dünndarm oder einer inkontinenten (Ileumconduit)/kontinenten (katheterisierbares Reservoir) Ableitung
    • Dorsale Rhizotomie ‒ operative Durchtrennung der sensorischen Nervenwurzeln im Bereich des unteren Rückenmarks 
  • Nicht beherrschbarer Sphinkter externus-Spastik:
    • Inzision (Einschneiden) des Sphinkter externus
    • Stentimplantation (kleine, gitterförmige Stütze, die der Aufdehnung dient) zur Weitung des Sphinkter externus (äußere Schließmuskel)
    • Injektion von Botulinustoxin in den Sphinkter
  • Detrusorüberaktivität
    • Harnblasenaugmentation mit Dünndarm oder einer inkontinenten (Ileumconduit)/kontinenten (katheterisierbares Reservoir) Ableitung
    • Harnableitung über Ileumconduit (Harnleiter werden mit einer kurzen Ileumschlinge anastomosiert)/kontinentes katheterisierbares Reservoir
  • Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (DSD; Blasenfunktionsstörung, die durch das gestörte Zusammenwirken der bei der Blasenentleerung beteiligten anatomischen Strukturen gekennzeichnet ist)
    • Sakrale Vorderwurzelstimulation (kombiniert mit dorsaler Rhizotomie: s. u.) Voraussetzung für dieses Verfahren: komplette Rückenmarkverletzung, die seit mindestens 1 Jahr, aber möglichst nicht länger als 5 Jahre besteht.
    • Komplette Sphinkterotomie, d. h. ein Einkerbung des Sphinkter (Schließmuskel) transurethral (durch die Harnröhre")
    • Harnblasenaugmentation mit Dünndarm oder einer inkontinenten (Ileumconduit)/kontinenten (katheterisierbares Reservoir) Ableitung
  • Hypoaktiver Sphinkter (Verlust der reflektorischen Kontraktion des Sphinkters bei Anstieg des abdominellen Druckes)
    • Artifizielles Sphinktersystem (künstliches Schließmuskelsystem)
    • Transurethrale Unterspritzung des Sphinkters mit sog. „bulking agents“  (Silikon, Teflon, Fett, Kollagen); Verfahren kann mittels Lokalanästhesie (örtliche Betäubung) durchgeführt werden.
  • Hypokontraktiler Detrusor
    • Suprapubische Harndauerableitung* über mindestens 12 Wochen. Danach ist festzustellen, ob eine ausreichende Rede Tonisierung des Detrusors mit ausreichender Blasenentleerung vorliegt.
      *
      Blasenkatheter, der oberhalb des Schambeins durch die Bauchwand in die Harnblase eingeführt wird und so den Urin unter Umgehung der Harnröhre ableitet.
    • Sakrale Neuromodulation (SNM; Synonyme: Beckenbodenschrittmacher, sog. "Blasen-Schrittmacher"): minimalinvasives Verfahren zur Hemmung des Miktionsreflex und damit Verminderung autonomer Kontraktionen und Inkontinenz (Blasenschwäche) durch elektrische Stimulation der Hinterwurzel S3 (Sakralnervenstimulation, SNS). Vorteil des Verfahrens im Vergleich zur externen Elektrostimulation ist die größere Nervennähe und permanente Modulation.
  • Persistierende Belastungsinkontinenz (früher: Stressinkontinenz):
    • Einsetzen eines hydraulischen Sphinktersystems

Patienten mit neurogenen Harnblasenfunktionsstörungen müssen langfristig/fortlaufend beobachtet werden, um Komplikationen (siehe unter Folgeerkrankungen) zu vermeiden.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der neurogenen Blasenfunktionsstörungen bei Kindern und Jugendlichen mit spinaler Dysraphie. (AWMF-Registernummer: 043 - 047), März 2019 Langfassung
  2. S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie von neurogenen Blasenstörungen. (AWMF-Registernummer: 030-121), Januar 2020 Langfassung