Neurogene Blase – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der neurogenen Blase dar.

Familienanamnese

  • Gibt es in Ihrer Familie Fälle von Erkrankungen des Nervensystems, die mit Blasenfunktionsstörungen einhergehen (z. B. Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, spinale Muskelatrophie (fortschreitenden Abbau der Muskeln aufgrund eines Defekts in den Nervenzellen des Rückenmarks))?
  • Liegen in Ihrer Familie Fehlbildungen der Wirbelsäule oder des Rückenmarks vor (z. B. Spina bifida)?
  • Gibt es in Ihrer Familie Stoffwechselerkrankungen, die mit Nerven- und Blasenschädigungen assoziiert sind (z. B. Diabetes mellitus)?

Sozialanamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aus?
    • Besteht eine Exposition gegenüber neurotoxischen Substanzen?
  • Haben Sie Probleme im Alltag oder bei der Arbeit aufgrund der Blasenfunktionsstörung?
  • Fühlen Sie sich durch die Blasenbeschwerden belastet?
  • Haben Sie Schwierigkeiten mit der Intimpflege oder benötigen Sie Unterstützung im täglichen Leben?
  • Wie ist Ihre Wohnsituation? Leben Sie alleine oder mit Unterstützung?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Haben Sie Veränderungen beim Wasserlassen bemerkt:*
    • Müssen Sie stark pressen oder spüren Sie eine verzögerte Blasenentleerung?
    • Haben Sie Schmerzen oder ein Brennen beim Wasserlassen?
    • Müssen Sie häufiger als gewöhnlich zur Toilette?
    • Werden Sie nachts oft durch Harndrang geweckt?
    • Kommt es zu plötzlichen Stopps während des Wasserlassens?
    • Können Sie trotz gefüllter Blase nicht urinieren?
  • Harninkontinenz:
    • Dranginkontinenz (plötzlich auftretender Harndrang mit unkontrolliertem Urinverlust)?
    • Überlaufinkontinenz (ständiges Tröpfeln von Urin bei voller Blase)?
    • Reflexinkontinenz (keine bewusste Steuerung der Blasenentleerung)?
    • Belastungsinkontinenz (Urinverlust bei Husten, Lachen oder körperlicher Belastung)?
  • Miktionsfrequenz:
    • Sehr seltene Harnblasenentleerungen mit großen Harnvolumina?
    • Oder sehr häufige kleine Urinmengen?
  • Kommt es häufig Fieber oder blutigem Urin?*
  • Haben Sie Schmerzen im Bereich der Blase oder des Unterbauchs?*
  • Haben Sie Blut im Urin bemerkt?*
  • Seit wann bestehen diese Beschwerden?
  • Haben Sie Veränderungen des Stuhlgangs bemerkt:
    • Verstopfung?
    • Stuhlinkontinenz?
    • Veränderte Konsistenz des Stuhls?
    • Gefühl einer unvollständigen Entleerung?
  • Sind Ihnen weitere Symptome aufgefallen:
    • Schwäche oder Lähmungserscheinungen?
    • Gefühlsstörungen, Taubheit oder Kribbeln in Beinen, Becken oder Genitalbereich?*
    • Gangunsicherheit oder Gleichgewichtsstörungen?*
    • Spastik oder unkontrollierte Muskelzuckungen?*
    • Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule oder der unteren Extremitäten?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Haben Sie Appetitveränderungen festgestellt?
  • Wie viel trinken Sie täglich?

Eigenanamnese inkl. Medikamentenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Chronische Blasenentzündungen oder Harnwegsinfekte?
    • Diabetes mellitus oder andere Stoffwechselerkrankungen? 
    • Fehlbildungen der Wirbelsäule oder des Rückenmarks (Spina bifida, Syringomyelie, Tethered Cord Syndrom)?
    • Neurologische Erkrankungen (Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Apoplex (Schlaganfall), Querschnittlähmung)?
    • Rückenmarksverletzungen oder Wirbelsäulenerkrankungen (Bandscheibenvorfälle, Tumoren, Trauma)?
    • Tumorerkrankungen des Nervensystems oder Beckens?
  • Operationen:
    • Operative Eingriffe oder Bestrahlungen im Beckenbereich?
    • Haben Sie Operationen an der Wirbelsäule oder im Beckenbereich durchgemacht?
    • Wurden bei Ihnen Eingriffe an der Blase oder der Harnröhre durchgeführt?
  • Wurden Sie im Beckenbereich bestrahlt? Falls ja, wann und in welcher Dosis?
  • Bestehen Allergien auf Medikamente oder Kontrastmittel?

Medikamentenanamnese

  • Nehmen Sie Medikamente, die die Blasenfunktion beeinflussen können?
    • Anticholinergika oder andere neurologische Medikamente?
    • Diuretika (z. B. zur Blutdrucksenkung)?
    • Opioide oder Psychopharmaka?
  • Haben Sie kürzlich Medikamente abgesetzt oder neue Medikamente eingenommen?

Hinweis auf Führen eines Tagesbuches

Es sollte ein Tagebuch (Miktionsprotokoll; Harntagebuch; Blasentagebuch) über 2 bis 14 Tage geführt werden, mit folgenden Eintragungen:

  • Miktionsfrequenz an 2 Tagen
  • Miktionsvolumen
    • 1. Morgenurin
    • maximales Miktionsvolumen (ohne Berücksichtigung des 1. Morgenurins)
    • mittleres Miktionsvolumen (ohne Berücksichtigung des 1. Morgenurins)
    • nächtliche Urinmenge (1. Morgenurin + nächtliche Urinmenge)
  • Trinkmenge/24 h an 2 Tagen
  • Einschlafzeit und Aufstehzeit
  • Beschwerden wie Inkontinenz, Drang oder Schmerzen
  • Harnkontinenzereignisse in 14 Tagen
  • Stuhlinkontinenzereignisse in 14 Tagen

* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.