Nächtliches Wasserlassen (Nykturie) – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Nykturie (nächtliches Wasserlassen) dar.
Familienanamnese
- Wie ist der allgemeine Gesundheitszustand Ihrer Angehörigen?
- Gibt es in Ihrer Familie urologische Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Stoffwechselstörungen wie Diabetes?
- Sind Autoimmunerkrankungen oder Nierenerkrankungen in Ihrer Familie bekannt (z. B. Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew, Glomerulonephritis (entzündliche Erkrankung der Nierenkörperchen), polyzystische Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus)?
Soziale Anamnese
- Beruf:
- Welchen Beruf üben Sie aus?
- Arbeiten Sie im Schichtdienst oder unter hoher körperlicher Belastung?
- Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Stress im beruflichen oder familiären Umfeld?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Seit wann besteht der nächtliche Harndrang?
- Wie oft müssen Sie nachts auf die Toilette?
- Ist die Urinmenge bei jedem Toilettengang groß oder eher gering?
- Wie häufig müssen Sie tagsüber zur Toilette?
- Wie viel trinken Sie täglich? Was genau trinken Sie?
- Trinken Sie abends oder vor dem Schlafengehen größere Mengen? Was trinken Sie dann?
- Haben Sie Veränderungen im Urin festgestellt (Farbe, Geruch, Menge, Beimengungen)?
- Ist Ihnen Blut im Urin aufgefallen?*
- Haben Sie weitere Symptome, wie:
- geschwollene Knöchel (abends)?
- Atemnot, insbesondere im Liegen*?
- Fieber?*
- Abgeschlagenheit?
- Schmerzen im Bereich der Nieren?*
- Brennen oder Schmerzen beim Wasserlassen?*
- Kopfschmerzen?
- vermehrter Durst?
- Sehstörungen?*
- Schlafstörungen?
- Tagesmüdigkeit?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Haben Sie Veränderungen in Ihrem Appetit oder Ihrem Körpergewicht bemerkt?
- Schlafen Sie gut und ausreichend?
Eigenanamnese
- Vorerkrankungen:
- Urologische Erkrankungen (z. B. chronische Zystitis (Blasenentzündung), Prostataerkrankungen, Harnwegsinfekte)?
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz (Herzschwäche), Hypertonie (Bluthochdruck))?
- Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Hyperkalzämie (erhöhter Calciumspiegel im Blut))?
- Nierenfunktionsstörungen oder chronische Niereninsuffizienz?
- Hatten Sie bisher Operationen (z. B. Eingriffe im Urogenitalbereich)?
- Haben Sie eine Strahlen- oder Chemotherapie erhalten?
- Leiden Sie unter Allergien?
- Sind Sie derzeit schwanger oder waren Sie es in der Vergangenheit?
Medikamentenanamnese
- Antibiotika
- Gentamycin
- Tetracyclin
- Amphotericin B (Antimykotikum)
- Anticholinergika (Polydipsie!/wg. vermehrten Trinkens) – Wirkstoffgruppe, die die Wirkung des Transmitters Acetylcholin hemmt
- Antidepressiva (MAO-Hemmer; SSRI = Selective Serotonin Reuptake Inhibitor) – Nykturie durch zentralnervöse Effekte
- Antiepileptika – Nykturie durch zentralnervöse Effekte
- Antihypertensiva
- Bronchodilatatoren
- Calciumantagonisten (Calciumkanalblocker; Wirkstoffgruppe, die bei Bluthochdruck eingesetzt wird) ‒ führt zur Polyurie
- Chlorpromazin (Polydipsie!) – Wirkstoff aus der Gruppe der Antipsychotika (Neuroleptika)
- Diuretika (Arzneimittel zur Ausschwemmung von Wasser) – insbesondere bei abendlicher Einnahme
- Thiazide (Chlortalidon, HCT, Xipamid, Indapamid)
- Schleifendiuretika (Furosemid, Torasemid)
- Aldosteronantagonisten (Spironolacton, Eplerenon)
- kaliumsparende Diuretika (Triamteren)
- Dopaminantagonisten – Nykturie durch zentralnervöse Effekte
- Drogen: Cannabis (Haschisch und Marihuana), Ecstasy, Heroin, Kokain oder Speed (Amphetamine)
- Glibenclamid (orales Antidiabetikum)
- Hormone
- Glucocorticoide (Polyurie)
- Schilddrüsenhormone (Thyroxin)
- Glucocorticoide (Polyurie)
- Hyponatriämie-begünstigende Medikamente
- ACE-Hemmer (u. a. Lisinopril, Ramipril)
- Antidiuretika (Desmopressin, Terlipressin)
- Antiepileptika (Carbamazepin)
- Diuretika, insbesondere Thiazid-Diuretika (s. o.)
- SSRIs (Citalopram)
- Theophyllin – Wirkstoff, der zu den Xanthinderivaten gehört und vor allem im Rahmen der Therapie des Asthma bronchiale eingesetzt wird
- Thioridazin (Polydipsie!) – Wirkstoff aus der Gruppe der Antipsychotika (Neuroleptika)
- Lithiumkarbonat – Wirkstoff, der einen renalen Diabetes insipidus begünstigen kann
- Psychopharmaka (atypische Neuroleptika, Valproinsäurederivate, trizyklische Antidepressiva)
- Stimulanzien – z. B. Alkohol, Koffein, Nikotin, Ephedrin, Kokain, Speed (Amphetamine)
- Sympathomimetika (Medikamente, welche die Wirkung des Sympathikus verstärken)
Hinweis zum Führen eines Tagesbuches
Es sollte ein Tagebuch (Miktionsprotokoll; Harntagebuch; Blasentagebuch) über 2/14 Tage geführt werden, mit folgenden Eintragungen:
- Miktionsfrequenz an 2 Tagen
- Miktionsvolumen
- 1. Morgenurin
- maximales Miktionsvolumen (ohne Berücksichtigung des 1. Morgenurins)
- mittleres Miktionsvolumen (ohne Berücksichtigung des 1. Morgenurins)
- nächtliche Urinmenge (1. Morgenurin + nächtliche Urinmenge)
- Trinkmenge/24 h an 2 Tagen
- Einschlafzeit und Aufstehzeit
- Beschwerden wie Inkontinenz, Drang oder Schmerzen
- Harnkontinenzereignisse in 14 Tagen
- Stuhlinkontinenzereignisse in 14 Tagen
* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)
Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.