Minimal-Change-Glomerulonephritis – Einleitung
Die Minimal-Change-Glomerulonephritis (MCGN) ist eine Form der Glomerulonephritis, bei der es zu glomerulären Minimalläsionen kommt, die nur im Elektronenmikroskop nachweisbar sind. Sie ist die häufigste Ursache des nephrotischen Syndroms im Kindesalter.
Synonyme und ICD-10: Minimal-change-Glomerulonephritis; Minimalglomerulonephritis; minimal change Glomerulopathie (disease) = MCD; ICD-10-GM N05.0: Nicht näher bezeichnetes nephritisches Syndrom: Minimale glomeruläre Läsion
Anatomie und Funktionen
- Glomeruli: Die Glomeruli sind Kapillarknäuel in den Nierenkörperchen, die für die Filtration des Blutes verantwortlich sind und so den Primärharn bilden. Sie spielen eine zentrale Rolle in der Regulation des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts.
- Nierenkörperchen: Jeder Glomerulus ist Teil eines Nierenkörperchens, das aus dem Glomerulus und der Bowman-Kapsel besteht, welche den Primärharn aufnimmt.
Charakteristische Laborbefunde
- Proteinurie: Massiver Verlust von Eiweiß über den Urin, häufig > 3,5 g/Tag.
- Hypoproteinämie: Erniedrigte Konzentration von Albumin und anderen Proteinen im Blut.
- Hyperlipoproteinämie: Erhöhte Blutfettwerte, insbesondere Cholesterin und Triglyceride.
- Hypoalbuminämie: Niedrige Albuminkonzentration im Serum, typischerweise < 2,5 g/dl.
- Normale Nierenfunktion: In der Regel bleibt die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) normal, es sei denn, es tritt ein Komplikationsrezidiv auf.
Formen der Erkrankung
- Idiopathische MCGN: Ohne erkennbare Ursache, häufigste Form.
- Sekundäre MCGN: Tritt im Zusammenhang mit hämatologischen Neoplasien (z. B. Leukämien, Lymphome), Medikamenteneinnahme (z. B. NSAR, Gold, Penicillamin, Lithium, Quecksilber) oder systemischen Erkrankungen auf.
Ursachen
- Primäre Form: Unklare Ätiologie, vermutlich immunologisch bedingt.
- Sekundäre Form: Assoziation mit malignen (bösartigen) Erkrankungen (insbesondere hämatologische/Erkrankungen des Blutes), Medikamenten, Infektionen und systemischen Erkrankungen.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.
Häufigkeitsgipfel: Vorwiegend bei Kindern im Alter von 2 bis 6 Jahren. Erwachsene sind seltener betroffen, bei ihnen tritt die Erkrankung in etwa 10 % der Fälle auf, die ein nephrotisches Syndrom entwickeln.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Häufigste Ursache des nephrotischen Syndroms im Kindesalter.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Spontanremission: Bei Kindern kann die Minimal-Change-Glomerulonephritis (MCGN) in einigen Fällen spontan ausheilen. Etwa ein Drittel der betroffenen Kinder erreicht eine vollständige Remission, d. h. vorübergehende oder dauerhafte Nachlassen von Krankheitssymptomen, ohne langfristige Komplikationen.
- Therapieinduzierte Remission: Bei adäquater Therapie, insbesondere mit Corticosteroiden, zeigen viele Kinder eine deutliche Besserung und Remission der Symptome. Die Therapie führt bei den meisten Patienten zu einer schnellen Reduktion der Proteinurie und einer Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands.
- Rezidive: Die MCGN ist bekannt für ihre hohe Rezidivrate (Wiederauftreten der Erkrankung), die bei etwa 30 % liegt. Rezidive können nach einer initialen Remission auftreten und erfordern oft eine erneute Behandlung. Wiederholte Rezidive können das Risiko für chronische Nierenfunktionsstörungen erhöhen.
- Schwere Verläufe: Obwohl die meisten Patienten gut auf die Therapie ansprechen, gibt es Fälle, in denen die MCGN zu einer fortschreitenden Verschlechterung der Nierenfunktion führt. Dies tritt jedoch eher selten auf.
Prognose
- Terminale Niereninsuffizienz: Innerhalb von 25 Jahren entwickeln etwa 5 % der Patienten eine terminale Niereninsuffizienz (Nierenversagen), die eine Dialyse oder Nierentransplantation erforderlich macht. Dieses Risiko ist höher bei Patienten mit häufigen Rezidiven oder unzureichender Therapieantwort.
- Langzeitprognose: Die Langzeitprognose ist bei den meisten Patienten gut, insbesondere bei jenen, die eine vollständige Remission erreichen. Eine sorgfältige Überwachung und Behandlung von Rezidiven ist entscheidend, um eine langfristige Erhaltung der Nierenfunktion sicherzustellen.
- FSGS-Transformation: In einigen Fällen kann die MCGN in eine fokal-segmentale Glomerulosklerose (FSGS) übergehen, was die Prognose verschlechtern kann. Dieser Übergang ist zwar selten, aber bekannt und sollte bei der langfristigen Nachsorge berücksichtigt werden.
- Rezidivmanagement: Regelmäßige Kontrolluntersuchungen und frühzeitige therapeutische Interventionen bei Rezidiven sind entscheidend, um eine Chronifizierung und die Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz zu vermeiden.