Interstitielle Zystitis – Einleitung

Interstitielle Zystitis (IC) ist eine chronische, abakterielle Entzündung der Blasenwandschichten, die durch andauernde urogenitale Beckenschmerzen sowie mindestens eine begleitende Harnblasensymptomatik wie Algurie (Schmerzen beim Wasserlassen) oder Pollakisurie (häufiges Wasserlassen in kleinen Mengen) charakterisiert ist.

Synonyme und ICD-10: Blasenschmerz-Syndrom; chronische interstitielle Zystitis; Hunner-Zystitis; Hunnersche Variante; interstitielle Cystitis; nicht bakterielle Blasenentzündung; abakterielle Zystitis; schmerzhaftes Blasen-Syndrom; engl.: bladder pain syndrome (BPS); ICD-10-GM N30.1: Interstitielle Zystitis (chronisch)

Bislang existiert weltweit keine einheitliche Definition des Krankheitsbildes [1, 2].

Formen der Erkrankung

Unter Berücksichtigung der pathologischen Veränderungen werden zwei Haupttypen der interstitiellen Zystitis unterschieden:

  • Hunner-Typ (ulzerative Form)
    • Definition: Gekennzeichnet durch das Vorhandensein von Hunner-Läsionen, die als ulzerative ("geschwürige") Veränderungen an der Blasenwand auftreten. Diese Form betrifft etwa 10 % der Patienten. Betroffene sind in der Regel etwa 10 Jahre älter als jene des nicht-ulzerativen Typs.
  • Charakteristika: Chronische, schmerzhafte Ulzera (Geschwüre) in der Blase, oft mit Blutungen und fortschreitenden Schäden der Blasenwand verbunden.
  • Nicht-Hunner-Typ (nicht-ulzerative Form)
    • Definition: Es liegen keine sichtbaren Läsionen oder Ulzera vor, aber die Patienten leiden dennoch unter den typischen Symptomen der IC.
    • Charakteristika: Diffuse Beschwerden ohne spezifische sichtbare Veränderungen der Blasenwand.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer, im Verhältnis von etwa 5-8:1.

Häufigkeitsgipfel: Die Diagnose wird meist im 4. Lebensjahrzehnt gestellt.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Frauen: 52-500 pro 100.000 Einwohner in Deutschland.
  • Männer: 8-41 pro 100.000 Einwohner in Deutschland.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Langsamer, progredienter Verlauf: Die interstitielle Zystitis entwickelt sich schleichend, mit zunächst milden Beschwerden, die im Laufe der Zeit an Intensität zunehmen. Die Symptome verschlimmern sich häufig eine Woche vor der Menstruation und können durch sexuelle Aktivität verstärkt werden.
  • Undulierender Verlauf: Charakteristisch ist ein schwankender Verlauf, bei dem Phasen starker Beschwerden von Perioden relativer Symptomfreiheit abgelöst werden können.
  • Fortgeschrittene Stadien: In fortgeschrittenen Stadien treten Ulzerationen (Geschwüre) der Blasenwand auf, was zur Entwicklung einer Schrumpfblase führen kann. Dies führt zu einer weiteren Verschlechterung der Symptome und zu schwerwiegenden Einschränkungen der Lebensqualität.
  • Psychosomatische Einflüsse: Emotionale Belastungen können sowohl ein Aufflammen der Symptome als auch deren Remission beeinflussen. Die ständige Beeinträchtigung durch die Erkrankung wirkt sich oft negativ auf die psychische Gesundheit der Betroffenen aus.
  • Diagnosestellung: Im Durchschnitt vergehen etwa neun Jahre bis zur korrekten Diagnose, da die Symptome oft anderen Erkrankungen zugeschrieben werden, wie Harnwegsinfekten oder Harninkontinenz [1, 2].

Prognose

  • Chronischer Verlauf: Die interstitielle Zystitis ist eine chronische Erkrankung mit einem langwierigen und belastenden Verlauf. Eine Heilung ist bislang nicht möglich, weshalb der Fokus der Therapie auf der Linderung der Symptome und der Verbesserung der Lebensqualität liegt.
  • Therapieoptionen: Schnelle Therapieerfolge sind selten, und die Behandlung erfordert oft einen multimodalen Ansatz, der sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Maßnahmen umfasst. Psychologische Unterstützung kann notwendig sein, um die emotionale Belastung der Patienten zu verringern.
  • Komplikationen: In fortgeschrittenen Fällen kann es zur Entwicklung einer Schrumpfblase kommen, die zu einer erheblichen Einschränkung der Blasenkapazität und zu noch häufigeren, schmerzhaften Miktionen führt.
  • Langfristige Betreuung: Aufgrund der psychischen Belastung, die durch die Erkrankung entsteht, ist eine langfristige psychologische oder psychiatrische Betreuung oft notwendig, um das Krankheitsmanagement zu unterstützen.

Komorbiditäten

Begleiterkrankungen, die häufig mit der interstitiellen Zystitis assoziiert sind, umfassen [S2k-Leitlinie]:

  • Apoplex (Schlaganfall): Erhöhtes Risiko um 52 % [S2k-Leitlinie].
  • Endometriose: Bis zu 50 % der Patientinnen mit IC haben gleichzeitig Endometriose (Vorkommen von endometriumähnlichem Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle) [S2k-Leitlinie].
  • Fibromyalgie: Häufige Assoziation mit generalisierten Schmerzen.
  • Reizdarmsyndrom (RDS): Häufig bei IC-Patienten vorhanden.
  • Urothelkarzinom*: Erhöhtes Risiko im Vergleich zur Normalbevölkerung 

*maligne (bösartige) Tumoren des Übergangsgewebes, das die ableitenden Harnwege auskleidet

Literatur

  1. Goldman HB: Interstitial cystitis—the great enigma. J Urol 2000;164(6):1921
  2. Homma Y et al.: Clinical guidelines for interstitial cystitis and hypersensitive bladder updated in 2015. Int J Urol 2016;23(7):542-549 doi: 10.1111/iju.13118. Epub 2016 May 24.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Interstitiellen Zystitis. (AWMF-Registernummer: 043-050), September 2018 Langfassung