Harnverhaltung (Ischurie) – Einleitung
Ischurie – umgangssprachlich als Harnverhaltung bezeichnet – ist die Unfähigkeit, die Harnblase spontan zu entleeren. Diese kann verschiedene Ursachen haben und wird nach ihrem Verlauf in eine akute und eine chronische Form unterteilt. Die akute Harnverhaltung stellt einen medizinischen Notfall dar, während die chronische Form oft schleichend verläuft und zu zunehmenden Restharnmengen führt.
Synonyme und ICD-10: Harnretention; Harnsperre; Harnverhalt; Ischurie; Retentio urinae; ICD-10-GM R33: Harnverhaltung
Formen der Erkrankung
Man unterscheidet zwischen akuter und chronischer Harnverhaltung:
- Akute Harnverhaltung: Plötzlich auftretende Unfähigkeit, die Blase zu entleeren, meist begleitet von starken Schmerzen und einem dringenden medizinischen Notfall.
- Chronische Harnverhaltung: Schleichende Entwicklung, oft asymptomatisch, mit zunehmender Restharnmenge und abnehmender Miktionsmenge (Harnmenge).
Ursachen
Die Ischurie (Harnverhaltung) kann durch eine Vielzahl von Erkrankungen und Zuständen verursacht werden:
- Subvesikale Obstruktion (unterhalb der Blase):
- Benigne Prostatahyperplasie (BPH; gutartige Prostatavergrößerung)
- Prostatakarzinom (Prostatakrebs)
- Blasenhalssklerose (Verhärtung des Blasenhalses)
- Harnröhrenstriktur (Verengung der Harnröhre)
- Blasenatonie (Blasenschwäche):
- Periphere Polyneuropathie (Erkrankung der peripheren Nerven)
- Arzneimittelnebenwirkungen (z. B. Anticholinergika, Opiate)
Differentialdiagnosen
Es gibt mehrere Differentialdiagnosen, die bei der Ischurie in Betracht gezogen werden sollten:
- Neurologische Ursachen: Multiple Sklerose (MS), Rückenmarksverletzungen, Morbus Parkinson
- Medikamentöse Ursachen: Opiate, Anticholinergika
- Infektiöse Ursachen: Cystitis (Blasenentzündung), Prostatitis
- Urologische Ursachen: Blasensteine, Harnröhrensteine, Tumoren
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger von akuter Harnverhaltung betroffen als Frauen, hauptsächlich aufgrund der Prävalenz der benignen Prostatahyperplasie (BPH).
Häufigkeitsgipfel: Die akute Harnverhaltung tritt meistens bei älteren Männern auf, insbesondere jenseits des 60. Lebensjahres. Bei Frauen ist sie seltener und oft mit neurologischen oder gynäkologischen Ursachen assoziiert.
Prävalenz: Die Prävalenz der chronischen Harnverhaltung ist nicht genau bekannt, variiert jedoch in Abhängigkeit von zugrunde liegenden Erkrankungen und Risikofaktoren wie Diabetes und Neuropathien.
Inzidenz: Die Inzidenz der akuten Harnverhaltung bei Männern über 70 Jahre beträgt etwa 4-6 % pro Jahr.
Verlauf und Prognose
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Akute Harnverhaltung:
- Verlauf: Die akute Form tritt plötzlich auf, oft begleitet von starken Schmerzen und einem drängenden Harndrang. Es besteht die Gefahr einer Blasenruptur, wenn die Harnblase überdehnt wird. Die Ursachen sind häufig mechanischer Natur, wie z. B. eine benigne Prostatahyperplasie (BPH), ein Harnröhrenstein oder Tumoren.
- Prognose: Bei frühzeitiger Erkennung und Behandlung, z. B. durch Katheterisierung, ist die Prognose gut. Eine chronische Harnverhaltung kann jedoch auftreten, wenn die zugrunde liegende Ursache nicht behoben wird.
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Chronische Harnverhaltung:
- Verlauf: Die chronische Form entwickelt sich schleichend, oft ohne Schmerzen. Es kommt zu einer zunehmenden Restharnbildung, die zu einem Rückstau in die Nieren führen und Nierenschäden verursachen kann.
- Prognose: Ohne Behandlung kann es zu einer progressiven Nierenschädigung kommen, die langfristig eine Dialyse erforderlich machen kann. Die Prognose ist abhängig von der rechtzeitigen Behandlung der zugrunde liegenden Ursache.