Harnsteine (Urolithiasis) – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Urolithiasis (Harnsteine) dar.

Familienanamnese

  • Gibt es in Ihrer Familie häufig Erkrankungen der Harnwege (z. B. Nierensteine)?
  • Gibt es bekannte genetische Stoffwechselerkrankungen oder andere Erbkrankheiten (z. B. Morbus Wilson, Morbus Meulengracht, Phenylketonurie, Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit), Marfan-Syndrom, Thalassämie, polyzystische Nierenerkrankung)?

Soziale Anamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aus?
    • Sind Sie in Ihrem Beruf schädigenden Arbeitsstoffen (z. B. Chemikalien) oder körperlichen Belastungen ausgesetzt?
  • Gibt es psychosoziale Belastungen, die Ihre Beschwerden beeinflussen könnten?

Aktuelle Anamnese / Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Haben Sie wehenartige Bauch- oder Rückenschmerzen (typisch für Nierenkoliken)?
  • Strahlen die Schmerzen in den Unterbauch, die Leiste oder den Genitalbereich aus?
  • Wie stark sind die Schmerzen auf einer Skala von 1 bis 10?
    • 0-2: kein/kaum Schmerz
    • 3-4: bei Ablenkung ist der Schmerz nicht mehr im Mittelpunkt
    • 5-6: Schmerz behindert Gehen, Ein- und Durchschlafen*
    • 7-8: Bedürfnis sich hinzulegen, Ablenkung nicht mehr möglich, gesamtes Denken kreist um den Schmerz*
    • 9-10: unaushaltbare, fürchterliche Schmerzen, der Patient "möchte schreien" oder schreit tatsächlich*
  • Treten die Schmerzen anfallsartig auf oder bleiben sie kontinuierlich bestehen?
  • Haben Sie Übelkeit oder mussten Sie erbrechen?
  • Leiden Sie unter Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen?
  • Hatten Sie in letzter Zeit Fieber oder Schüttelfrost?*
  • Haben Sie Veränderungen des Urins bemerkt? (z. B. Blut im Urin, trüber Urin, übelriechender Urin, verminderte Urinausscheidung)*
  • Wie häufig müssen Sie pro Tag Wasserlassen? Hat sich die Häufigkeit geändert?
  • Hatten Sie schon früher ähnliche Symptome oder eine Kolik? Wenn ja, wie wurde diese behandelt?
  • Seit wann bestehen diese Beschwerden?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Sind Sie übergewichtig oder untergewichtig? Geben Sie bitte uns Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
  • Hat sich Ihr Appetit verändert?
  • Ernähren Sie sich proteinreich (hoher Verzehr tierischer Produkte wie Fleisch, Eier, Fisch)?
  • Verzehren Sie viele oxalsäurehaltige Lebensmittel (z. B. Mangold, Spinat, Rhabarber, Kakaoprodukte)?
  • Nehmen Sie regelmäßig calciumreiche Lebensmittel (z. B. Milchprodukte) zu sich?
  • Haben Sie eine hohe Purinaufnahme (Innereien, Hering, Makrele)?
  • Konsumieren Sie häufig stark salzhaltige Lebensmittel (z. B. Konserven, Fertiggerichte)?
  • Trinken Sie regelmäßig fructosehaltige Getränke (z. B. Softdrinks, Limonade)?
  • Wie viel Flüssigkeit nehmen Sie täglich auf? (Menge in Litern)
  • Bewegen Sie sich täglich ausreichend?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Bestehen chronische oder akute Erkrankungen der Harnwege (z. B. Harnwegsinfekte, Nierenbeckenentzündungen)?
    • Haben Sie Stoffwechselerkrankungen (z. B. Hyperurikämie/Gicht, Diabetes mellitus)?
    • Leiden Sie an Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes oder an Darmerkrankungen, die die Aufnahme von Nährstoffen beeinflussen könnten?
    • Wurden bei Ihnen Tumorerkrankungen diagnostiziert?
  • Hatten Sie in der Vergangenheit urologische Eingriffe (z. B. Harnleiter- oder Nierenoperationen)?
  • Bestehen bei Ihnen Allergien oder Unverträglichkeiten gegen bestimmte Medikamente oder Lebensmittel?

Medikamentenanamnese

  • Chronische Antibiotikatherapie – Medikamente zur Therapie von bakteriellen Infekten; drei bis zwölf Monate nach der Verordnung steigt das Risiko für Nierensteine um 30-130 % [1]:
    • Sulfonamide (z. B. Sulfamethoxazol) (Odds Ratio, OR 2,3)
    • Cephalosporinen (OR 1,9)
    • Fluorchinolonen (OR 1,7)
    • Nitrofurantoin (OR 1,7)
    • Breitspektrum-Penicilline (OR 1,3)
  • Laxantienabusus – Abhängigkeit von Abführmitteln
  • Vitamin D-Intoxikation (z. B. wg. Rachitis-Prophylaxe/Vorbeugung der Knochenerweichung bei Kindern)

*Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.

Literatur

  1. Tasian GE et al.: Oral Antibiotic Exposure and Kidney Stone Disease. J Am Soc Nephrol 2018 Jun;29(6):1731-1740. doi: 10.1681/ASN.2017111213. Epub 2018 May 10