Harnröhrenverengung (Harnröhrenstriktur) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Harnröhrenstriktur ist eine Verengung der Harnröhre, die durch eine narbige Umwandlung des Urethragewebes (Harnröhre) bedingt ist. Diese Verengung führt zu einer Behinderung des Harnflusses und kann zu Symptomen wie Harnverhalt, schmerzhaftem Wasserlassen und Harnwegsinfektionen führen. Die Pathogenese der Harnröhrenstriktur kann auf verschiedene traumatische, entzündliche oder iatrogene Ursachen (durch medizinische Eingriffe hervorgerufen) zurückgeführt werden.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
1. Narbige Umwandlung des Urethragewebes
Der Hauptmechanismus, der zur Harnröhrenstriktur führt, ist eine Fibrosierung (Vermehrung von Bindegewebe) in der Urethra. Diese narbige Umwandlung entsteht als Folge von Verletzungen, Entzündungen oder medizinischen Eingriffen, die das normale Urothel (Schleimhautgewebe) der Harnröhre schädigen. Das Bindegewebe, das sich bei der Heilung bildet, verengt das Lumen der Harnröhre, was zu einer mechanischen Blockade des Harnflusses führt.
- Traumatische Verletzungen: Besonders häufig sind traumatische Verletzungen der Harnröhre, wie sie z. B. bei Beckenfrakturen, Stürzen oder Stößen auf den Dammbereich auftreten. Diese Verletzungen können das Urothel und die umgebende Muskulatur schädigen, was zu einer narbigen Heilung und Verengung führt.
- Iatrogene Ursachen: Medizinische Eingriffe wie die Einführung eines Blasenkatheters, endoskopische Eingriffe oder Operationen können eine mechanische Verletzung der Harnröhre verursachen, die sich nach der Heilung in Form einer Striktur manifestiert. Auch nach einer Radiotherapie (Strahlentherapie) bei Prostatakrebs kann eine narbige Verengung der Harnröhre auftreten.
- Entzündliche Prozesse: Chronische Entzündungen, insbesondere nach sexuell übertragbaren Infektionen wie Gonorrhoe oder Chlamydien, können zur Entstehung einer Harnröhrenstriktur beitragen. Diese Infektionen verursachen eine Entzündung des Urothels, die im Heilungsverlauf zur Fibrosierung führt.
2. Häufig betroffene Lokalisationen
Die Harnröhrenstriktur kann je nach Lokalisation in verschiedene Formen unterteilt werden:
- Bulbäre Harnröhrenstriktur: Diese Form tritt im Bereich zwischen dem Schließmuskel und dem mobilen Teil des Penis auf und macht etwa 50 % der Fälle aus. Sie ist oft die Folge eines Traumas, wie einer Beckenverletzung oder eines stumpfen Traumas des Damms.
- Penile Harnröhrenstriktur: Diese Form betrifft den mobilen Teil des Penis und tritt in etwa 30 % der Fälle auf. Sie kann ebenfalls durch Traumen oder Infektionen verursacht werden.
- Striktur im Bereich der Fossa navicularis: Diese betrifft die ampullenförmige Erweiterung der Harnröhre nahe der Glans penis (Eichel) und tritt in etwa 20 % der Fälle auf. Sie kann durch Entzündungen oder traumatische Katheterisierungen verursacht werden.
- Striktur im Bereich der posterioren Urethra: Diese sehr seltene Form tritt im Bereich der prostatischen und membranösen Harnröhre auf, z. B. nach einem Harnröhrenabriss bei Beckenfrakturen oder nach einer Radiotherapie im Rahmen der Behandlung eines Prostatakarzinoms.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
Beeinträchtigung des Harnflusses
Die Verengung der Harnröhre führt zu einer mechanischen Obstruktion des Harnflusses, was zu einer erhöhten Blasenbelastung und in schweren Fällen zu einer Blasenwandverdickung und Blasendysfunktion führen kann. Der Betroffene verspürt häufig Schmerzen beim Wasserlassen (Dysurie) und kann nur unter erschwertem Harnabfluss urinieren.
- Restharnbildung: Durch die unvollständige Entleerung der Harnblase bleibt Restharn zurück, was das Risiko für Harnwegsinfektionen und die Bildung von Blasensteinen erhöht.
Chronische Entzündung und Fibrosierung
Der gestörte Harnfluss kann eine chronische Entzündungsreaktion in der Harnröhre und der Blase auslösen, die wiederum den Prozess der Fibrosierung und Narbenbildung verstärkt. Dieser Teufelskreis kann zu einer weiteren Verengung der Harnröhre und einer Verschlechterung der Symptome führen.
Klinische Manifestation
Leitsymptome
- Schwierigkeiten beim Wasserlassen: Die Harnröhrenstriktur äußert sich durch erschwertes Wasserlassen (Schwacher Harnstrahl, verlängerte Miktionszeit).
- Restharngefühl: Betroffene haben oft das Gefühl, die Blase nicht vollständig entleeren zu können.
- Dysurie (Schmerzen beim Wasserlassen): Typisch sind brennende oder stechende Schmerzen beim Wasserlassen.
Fortgeschrittene Symptome
- Harnverhalt: In schweren Fällen kann es zu einem kompletten Harnverhalt kommen, bei dem die Harnblase nicht mehr entleert werden kann.
- Harnwegsinfektionen: Die Restharnbildung und der erschwerte Harnfluss erhöhen das Risiko für wiederkehrende Harnwegsinfektionen.
- Hydronephrose: In seltenen Fällen kann eine lang bestehende Harnröhrenstriktur zu einem Rückstau des Harns bis in die Nieren führen, was eine Schädigung der Nieren verursachen kann.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Harnröhrenstriktur ist eine Folge von narbigen Veränderungen in der Harnröhre, die durch Traumata, Infektionen, medizinische Eingriffe oder entzündliche Prozesse verursacht werden. Diese Verengung führt zu einer Behinderung des Harnflusses und kann zu Schmerzen, Harnwegsinfektionen und in schweren Fällen zu Harnverhalt und Blasendysfunktion führen. Die genaue Lokalisation der Striktur bestimmt häufig die Ursache und den Schweregrad der Symptome. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Ätiologie (Ursachen)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Radfahren (3-fach häufiger als bei Nichtradfahrern) [1]
Krankheitsbedingte Ursachen
Haut und Unterhaut (L00-L99)
- Lichen sclerosus (LS) (et atrophicus) (Synonyme: Lichen albus; Lichen atrophicus; Lichen sclerosus; Lichen sclerosus et atrophicans; Lichen sclerosus et atrophicus; Morphoeid scleroderma; Weißfleckenkrankheit; White spot diseas) – eine chronisch, entzündliche, vernarbende Hauterkrankung, die durch eine lymphatische Reaktion gekennzeichnet ist und beide Geschlechter bevorzugt im Genitalbereich betrifft. (circa fünf Prozent der Fälle)
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)
- Bakterielle Urethritis (Harnröhrenentzündung) – bis zu 20 % der Fälle; meist eine unbehandelte Gonorrhoe (Tripper); 70 % der erworbenen Harnröhrenstrikturen sind Gonorrhoe-bedingt
Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)
- Bakterielle Urethritis (Harnröhrenentzündung) – meist eine unbehandelte Gonorrhoe
- Balanitis xerotica obliterans (BXO) – chronisch entzündliche Entzündung der Glans penis (Eichel), deren Ursache nicht bekannt ist
Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Harnröhrenabriss im Rahmen einer Beckenfraktur (Beckenbruch)
Weitere Ursachen
- Iatrogen (Harnröhrenstriktur durch ärztliche Eingriffe verursacht) – in ca. 45 % der Fälle:
- Brachytherapie – Form der Strahlentherapie, bei der die Strahlenquelle direkt in den Tumor eingebracht wird
- Dauerkatheteranlage, traumatische
- Korrektur einer Hypospadie (Fehlbildung der Harnröhre)
- Prostatektomie (Entfernung der Vorsteherdrüse)
- Transurethrale Harnblaseneingriffe (Eingriffe an der Harnblase, die durch die Harnröhre durchgeführt werden), wie z. B. die TUR-P (transurethrale Resektion der Prostata); bis fünf Prozent der Fälle
- Nach einer monopolaren TUR-P kommt es rund doppelt so oft zu einer Urethrastriktur wie nach einer Prostataenukleation (Entfernung des inneren Prostatagewebes) [2]
- Zystoskopie (Blasenspiegelung)
- Idiopathisch (Harnröhrenstrikturen ohne erkennbare Ursache) – bis zu 30 % der Fälle; häufig handelt es sich um ein länger zurückliegendes Bagatelltrauma (z. B. beim Radfahren)
- Trauma (Verletzung)
Literatur
- Awad MA et al.: Cycling and male sexual and urinary function: results from a large, multinational, cross-sectional study. J Urol 2017, online 13. Oktober doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.juro.2017.10.017
- Pirola GM et al.: Urethral stricture following endoscopic prostate surgery: a systematic review and meta‑analysis of prospective, randomized trials. World J Urol 2022;40:1391–1411; https://doi.org/10.1007/s00345-022-03946-z