Harnröhrenentzündung (Urethritis) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Urethritis ist eine Entzündung der Harnröhre (Urethra), die durch eine Vielzahl von Ursachen ausgelöst werden kann. Man unterscheidet zwischen infektiöser und nicht-infektiöser Urethritis. Die Pathogenese der Urethritis ist komplex und hängt von direkten Infektionen sowie von indirekten, immunologischen oder hormonellen Faktoren ab.
Infektiöse Urethritis
Die infektiöse Urethritis wird durch verschiedene mikrobielle Erreger ausgelöst, die entweder durch sexuell übertragbare Infektionen (STIs) oder durch andere bakterielle oder virale Infektionen der Harnwege in die Harnröhre gelangen. Diese Erreger lösen eine direkte Entzündungsreaktion aus, die durch die Schädigung des Urothels (mehrschichtiges Epithel der Harnröhre) gekennzeichnet ist.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
- Mikrobielle Pathogenität
- Sexuell übertragbare Erreger: Zu den häufigsten Erregern der infektiösen Urethritis zählen Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken) und Chlamydia trachomatis. Diese Mikroorganismen können sich an das Urothel anheften und in die Schleimhaut eindringen. Dort führen sie zur Zellschädigung, was eine entzündliche Reaktion des Immunsystems auslöst.
- Ungleichgewicht der vaginalen Mikroflora: Bei Frauen kann eine Verminderung von Laktobazillen in der Vaginalflora das Risiko einer Infektion erhöhen. Laktobazillen haben eine schützende Funktion und hemmen das Wachstum pathogener Keime. Ein Ungleichgewicht kann zur Vermehrung von pathogenen Organismen führen, die eine Infektion und damit eine Urethritis auslösen.
- Toxinproduktion
- Bestimmte bakterielle Erreger, wie z. B. Neisseria gonorrhoeae, produzieren Toxine, die die Urothelzellen direkt schädigen. Diese Toxine führen zu einer Zerstörung der Zellmembranen, was die Entzündungsreaktion verstärkt.
Klinische Manifestation der infektiösen Urethritis
- Dysurie (Schmerzen beim Wasserlassen): Häufigstes Symptom, das durch die Entzündung der Harnröhre verursacht wird.
- Eitriger oder schleimiger Ausfluss: Typisch bei Gonokokken- oder Chlamydieninfektionen.
- Juckreiz und Brennen: Oft begleitet von einem starken Harndrang.
Nicht-infektiöse Urethritis
Die nicht-infektiöse Urethritis wird durch nicht-mikrobielle Faktoren ausgelöst, wie mechanische Reizungen, chemische Irritationen, hormonelle Veränderungen oder Immunreaktionen. Diese Form der Urethritis ist seltener und resultiert häufig aus hormonellen Ungleichgewichten oder mechanischen Einflüssen, die zu einer Entzündung der Harnröhre führen.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
- Mechanische Reizung
- Katheterisierung oder andere medizinische Eingriffe: Mechanische Reizungen durch Blasenkatheter oder invasive Untersuchungen der Harnwege können zu mikroskopischen Verletzungen der Urethra führen. Diese Verletzungen lösen eine lokale Entzündungsreaktion aus.
- Fremdkörper oder Trauma: Verletzungen oder Fremdkörper in der Harnröhre können zu einer nicht-infektiösen Entzündung führen.
- Chemische Irritation
- Chemikalien und Medikamente: Der Kontakt mit chemischen Substanzen, z. B. in Spermiziden, Seifen oder Hygieneprodukten, kann die Urothelzellen reizen und eine Entzündung hervorrufen.
- Medikamenteninduzierte Urethritis: Bestimmte Medikamente können eine lokale Reizung oder eine allergische Reaktion auslösen, was zur Entzündung der Harnröhre führt.
- Hormonelle Einflüsse
- Östrogenmangel: Besonders bei Frauen nach der Menopause kann ein Östrogenmangel die Struktur und Funktion der Harnröhre beeinträchtigen. Östrogen spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Mikroflora der Vagina und der Integrität der Urethra. Ein Östrogenmangel führt zu einer Abnahme der Laktobazillen, was die Anfälligkeit für Infektionen erhöht und das Schleimhautepithel anfälliger für mechanische oder chemische Reizungen macht.
- Veränderungen im Hormonspiegel können auch bei Schwangerschaft, Menstruation oder durch Hormonersatztherapien eine Rolle spielen.
- Immunreaktion
- Autoimmunerkrankungen: In seltenen Fällen kann eine Urethritis durch eine überschießende Immunantwort ausgelöst werden, selbst wenn keine direkte Infektion vorliegt. Diese Form tritt häufig im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen auf, bei denen das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Zellen angreift.
Klinische Manifestation der nicht-infektiösen Urethritis
- Reizsymptome: Ähnlich wie bei der infektiösen Urethritis treten Dysurie, Brennen und Juckreiz auf, jedoch ohne infektiöse Ursache.
- Schleimiger oder wässriger Ausfluss: Kann auftreten, ist jedoch weniger ausgeprägt als bei einer bakteriellen Infektion.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Urethritis ist eine Entzündung der Harnröhre, die durch infektiöse oder nicht-infektiöse Mechanismen verursacht wird. Bei der infektiösen Urethritis sind sexuell übertragbare Erreger, wie Neisseria gonorrhoeae und Chlamydia trachomatis, häufige Ursachen. Diese Mikroorganismen führen zur direkten Schädigung des Urothels und zur Entzündungsreaktion. Die nicht-infektiöse Urethritis kann durch mechanische Reizungen, chemische Substanzen, hormonelle Ungleichgewichte oder immunologische Faktoren ausgelöst werden. Eine frühzeitige Diagnose und die Unterscheidung der zugrunde liegenden Ursache sind entscheidend, um eine geeignete Therapie zu wählen und Komplikationen zu vermeiden.
Ätiologie (Ursachen)
Nach der Ätiologie (Ursache) werden folgende Formen unterschieden:
Infektiöse Urethritis
- gonorrhoische Urethritis (GU; spezifische Urethritis) – verursacht durch den Erreger Neisseria gonorrhoeae*
- nicht-gonorrhoische Urethritis (NGU; unspezifische Urethritis)
Die häufigsten Erreger einer NGU sind:
- Chlamydia trachomatis* (Serotypen D-K; 11-43 %)
- E. coli
- Herpes simplex-Virus (2-3 %)
- Ureaplasma urealyticum (20 %)
- Mycoplasma genitalium* (9-25 %) – spielt eine wichtige Rolle bei der akuten oder persistierend-rezidivierenden Urethritis
- Enterokokken
- Streptokokken
- Staphylokokken (Staphylococcus aureus)
- Trichomonas vaginalis (1-20 %)
*Die drei häufigsten Erreger einer Urethritis
In sehr seltenen Fällen kann auch eine Infektion mit Gardnerella vaginalis (bakterielle Vaginose) beim Mann zu einer nicht-gonorrhoischen Urethritis führen [1]. Des Weiteren gibt es mykotisch- (durch eine Pilzinfektion bedingt) und protozoenbedingte (durch Parasiten bedingt) Urethritiden.
Weitere Formen der Urethritis sind (mod. nach [2]):
- abakteriell
- allergisch
Nicht-infektiöse Ursachen
- Zu den nicht-infektiösen Ursachen können chemische Reizstoffe gehören, z. B. durch die Verwendung bestimmter Seifen oder Spermizide, oder physische Traumata, oft durch sexuelle Aktivität oder medizinische Verfahren (Katheterisierung, Zystoskopie usw.).
- Eine häufig erst spät diagnostizierte Ursache einer nicht-infektiösen Ursache ist der Östrogenmangel der Frau (Urogenitales Menopausensyndrom).
- Ferner können systemische Faktoren wie Diabetes mellitus die Urethra beeinträchtigen und anfälliger für Entzündungen machen.
Biographische Ursachen
- Menopause – Veränderungen im Hormonhaushalt, insbesondere bei Frauen (z. B. Menopause), können die Struktur und Funktion der Urethra beeinflussen und so das Risiko einer Urethritis erhöhen.
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
- Sexuelle Übertragung
- Promiskuität (sexuelle Kontakte mit relativ häufig wechselnden verschiedenen Partnern oder mit parallel mehreren Partnern)
- Prostitution
- Männer, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM))
- Sexuelle Kontakte im Urlaubsland
- Ungeschützter Koitus (Geschlechtsverkehr)
- Das Einbringen von Fremdkörpern in die Harnröhre
- Hygienemängel – dabei kann es, bei Frauen häufiger, zu einer Keimverschleppung vom Darm zur Harnröhre kommen
Krankheitsbedingte Ursachen
- Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
- Harnröhrendivertikel – Ausbildung eines Blindsacks an der Harnröhre
- Harnröhrenstriktur (Harnröhrenverengung)
- Reiter-Krankheit (Synonyme: Reiter-Syndrom; Morbus Reiter; Arthritis dysenterica; Polyarthritis enterica; postenteritische Arthritis; posturethritische Arthritis; undifferenzierte Oligoarthritis; urethro-okulo-synoviales Syndrom; Fiessinger-Leroy-Syndrom; engl. Sexually acquired reactive arthritis (SARA)) – spezielle Form einer "reaktiven Arthritis“ (s. o.); Zweiterkrankung nach gastrointestinalen oder urogenitalen Infekten, die sich durch die Symptomatik der Reiter-Trias auszeichnet; seronegative Spondylarthropathie, die besonders bei HLA-B27 positiven Personen durch eine Darm- oder Harnwegserkrankung mit Bakterien (meistens Chlamydien) ausgelöst wird; kann sich äußern als Arthritis (Gelenkentzündung), Konjunktivitis (Bindehautentzündung), Urethritis (Harnröhrenentzündung) und teils mit typischen Hautveränderungen.
- Stoffwechselstörungen, die das Immunsystem beeinträchtigen.
- Vulvovaginale Atrophie bzw. das urogenitales Menopausensyndrom – Veränderungen der Haut von Vagina (Scheide) und Vulva (Gesamtheit der äußeren primären Geschlechtsorgane), die bei Frauen mit einem sinkenden Östrogenspiegel auftreten können
Weitere Ursachen
- Chemische Reizstoffe gehören, z. B. durch die Verwendung bestimmter Seifen oder Spermizide, oder physische Traumata, oft durch sexuelle Aktivität
- Posttraumatische Störungen durch diagnostische/therapeutische Eingriffe:
- instrumentelle Eingriffe (z. B. Zystoskopie (Harnblasenspiegelung)
- Katheterirritation (z. B. Legen von Blasenkathetern)
- Striktur der Harnröhre
- chemische Irritationen
- Sitzendes Radfahren (mittelbar – chronisch)
Literatur
- Chowdhury MN.: Gardnerella vaginalis carriage in male patients. Trop Geogr Med. 1986 Jun;38(2):137-40.
- Shahmanesh M et al.: 2009 European guideline on the management of male non-gonococcal urethritis. Int J STD AIDS. 2009 Jul;20(7):458-64. doi: 10.1258/ijsa.2009.009143