Rapid progrediente Glomerulonephritis – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die rapid (rasch) progrediente Glomerulonephritis (RPGN) ist eine schnell fortschreitende Entzündung der Glomeruli (Nierenkörperchen), die unbehandelt innerhalb weniger Wochen oder Monate zu akutem Nierenversagen führen kann. Diese Erkrankung ist durch eine rasche Verschlechterung der Nierenfunktion und eine massive Entzündung in den Nieren gekennzeichnet. Immunhistologisch kann die RPGN in drei Haupttypen eingeteilt werden, die sich durch die Art der Immunreaktion unterscheiden.

Typ 1: Anti-GBM-Glomerulonephritis

Der Typ 1 der RPGN ist durch die Anwesenheit von Antikörpern gegen die glomeruläre Basalmembran (GBM) (Membran der Nierenkörperchen) charakterisiert. Diese Form wird auch als Anti-GBM-Erkrankung oder Goodpasture-Syndrom bezeichnet.

Pathophysiologische Mechanismen

  • Antikörper gegen die glomeruläre Basalmembran: Bei dieser Form der RPGN produzieren die Patienten Autoantikörper (Antikörper gegen körpereigene Strukturen), die spezifisch gegen die Basalmembran der Glomeruli gerichtet sind. Diese Antikörper binden an die Basalmembran und verursachen eine schwere Entzündungsreaktion, die zur Zerstörung der Glomeruli führt.
  • Goodpasture-Syndrom: Beim Goodpasture-Syndrom richten sich die Antikörper nicht nur gegen die glomeruläre Basalmembran, sondern auch gegen die Basalmembran in den Alveolen (Lungenbläschen), was zu einer Kombination aus Nierenentzündung und Lungenblutungen führen kann.

Klinische Manifestationen

  • Diagnostische Hinweise: Die Anwesenheit von Anti-GBM-Antikörpern im Blut ist diagnostisch wegweisend.
  • Hämaturie (Blut im Urin) und Proteinurie (Eiweiß im Urin) sind typische Anzeichen.
  • Lungenblutungen und Hämoptysen (Bluthusten) können im Rahmen des Goodpasture-Syndroms auftreten.

Typ 2: Immunkomplex-Glomerulonephritis

Der Typ 2 der RPGN wird durch die Ablagerung von Immunkomplexen in den Glomeruli verursacht. Diese Form tritt häufig im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen wie systemischem Lupus erythematodes (SLE) oder anderen Erkrankungen auf, die mit einer immunkomplexbedingten Entzündung verbunden sind.

Pathophysiologische Mechanismen

  • Ablagerung von Immunkomplexen: Bei Typ 2 RPGN kommt es zur Ablagerung von Immunkomplexen (Komplexe aus Antikörpern und Antigenen) in den Glomeruli. Diese Ablagerungen aktivieren das Komplementsystem, was eine Entzündungsreaktion auslöst, die die Glomeruli schädigt.
  • Autoimmunerkrankungen: Bei Erkrankungen wie Lupus erythematodes (SLE) können Immunkomplexe aus dem Blut in die Nieren gelangen und dort zu schweren Schäden führen (Lupusnephritis).

Klinische Manifestationen

  • Hämaturie und Proteinurie sind typische Symptome.
  • Diese Form ist häufig mit systemischen Autoimmunerkrankungen verbunden, wie z. B. Lupus erythematodes, der zusätzliche systemische Symptome wie Hautausschläge, Gelenkschmerzen und Fieber verursacht.

Typ 3: Pauci-immun-Glomerulonephritis

Der Typ 3 der RPGN, auch als pauci-immun bezeichnet, ist durch das Fehlen von Immunkomplexen und Antikörpern gegen die Basalmembran gekennzeichnet. Diese Form ist mit ANCA-assoziierten Vaskulitiden (entzündliche Erkrankungen der Blutgefäße, die durch Antikörper gegen neutrophile Granulozyten, sogenannte ANCA (antineutrophile zytoplasmatische Antikörper), verursacht werden) assoziiert.

Pathophysiologische Mechanismen

  • Fehlen von Immunkomplexen: Bei Typ 3 RPGN sind weder Immunkomplexe noch Anti-GBM-Antikörper in den Glomeruli nachweisbar, weshalb sie als pauci-immun (wenig Immunreaktion) bezeichnet wird.
  • ANCA-assoziierte Vaskulitis: Diese Form der RPGN tritt häufig im Zusammenhang mit einer ANCA-assoziierten Vaskulitis auf, bei der Autoantikörper (ANCA) das Immunsystem dazu anregen, die Blutgefäße zu entzünden und zu zerstören. Diese Vaskulitis kann die Nieren betreffen und zur RPGN führen.

Klinische Manifestationen

  • Hämaturie und Proteinurie sind auch hier häufige Symptome.
  • Die Erkrankung ist häufig mit systemischen Vaskulitiden assoziiert, die zu weiteren Symptomen wie Fieber, Gelenkschmerzen und Schwäche führen können.

Gemeinsame Merkmale der RPGN-Typen

Trotz der unterschiedlichen pathophysiologischen Mechanismen teilen alle drei Typen der RPGN die rasche Progression der Erkrankung und das Risiko eines akuten Nierenversagens.

  • Idiopathische RPGN: Bei einer großen Anzahl von Fällen lässt sich trotz der immunhistologischen Einteilung keine klare Ursache identifizieren. Diese Fälle werden als idiopathisch (ohne erkennbare Ursache) bezeichnet.

Klinische Manifestationen

  • Schnell fortschreitender Verlust der Nierenfunktion: RPGN führt innerhalb weniger Wochen oder Monate zu einem raschen Rückgang der Nierenfunktion, was sich durch erhöhte Kreatininwerte und eine abnehmende glomeruläre Filtrationsrate (GFR) zeigt.
  • Nierenbiopsie: Eine Nierenbiopsie zeigt die charakteristischen Halbmondbildungen (Crescents) in den Glomeruli, die durch die Proliferation der parietalen Epithelzellen als Reaktion auf die Entzündung entstehen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die rapid progrediente Glomerulonephritis (RPGN) ist eine schnell fortschreitende Form der Nierenschädigung, die unbehandelt zu akutem Nierenversagen führen kann. Sie lässt sich in drei immunhistologische Typen unterteilen:

  1. Typ 1 (Anti-GBM): Durch Autoantikörper gegen die glomeruläre Basalmembran verursacht (z. B. Goodpasture-Syndrom).
  2. Typ 2 (Immunkomplex): Durch Ablagerung von Immunkomplexen bei Erkrankungen wie Lupus erythematodes.
  3. Typ 3 (Pauci-immun): Fehlen von Immunkomplexen und Antikörpern, häufig assoziiert mit ANCA-assoziierten Vaskulitiden.

Allen drei Formen ist gemein, dass sie zu einer raschen Verschlechterung der Nierenfunktion führen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um das Fortschreiten der Erkrankung und das Risiko eines Nierenversagens zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise der systemische Lupus erythematodes (SLE), Vaskulitiden (z. B. Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), ehemals Wegenersche Granulomatose oder mikroskopische Polyangiitis (MPA))
  • Endokarditis (Herzinnenhautentzündung)
  • Hepatitis B oder C (Leberentzündung)
  • Infektionskrankheiten, zum Beispiel durch Streptokokken verursacht

Medikamente

  • Amoxicillin – Antibiotikum (Medikament gegen bakterielle Entzündungen)
  • Carbimazol – Thyreostatikum (Medikament gegen Hyperthyreose/Schilddrüsenüberfunktion)
  • Penicillamin (Rheuma-Mittel)
  • Rifampicin – Antibiotikum (Medikament gegen bakterielle Entzündungen)
  • Warfarin – Medikament zur Hemmung der Blutgerinnung