Mesangiale IgA-Glomerulonephritis – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Immunglobulin-A (IgA)-Nephropathie, auch als mesangiale IgA-Glomerulonephritis bekannt, ist die häufigste Ursache für eine idiopathische Glomerulonephritis (Nierenentzündung unbekannter Ursache) bei Erwachsenen. Bei dieser Erkrankung kommt es zu Ablagerungen von IgA-Immunkomplexen (IgA-Antikörper-Komplexen) im glomerulären Mesangium (Bindegewebe der Nierenkörperchen), was eine chronische Entzündungsreaktion auslöst. Diese Entzündung kann langfristig zu Vernarbungen (Fibrose) führen und die Nierenfunktion einschränken.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Ablagerung von IgA-Immunkomplexen
Die genaue Ursache der IgA-Nephropathie ist bislang nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass eine fehlerhafte Produktion von IgA-Immunkomplexen im Blut eine zentrale Rolle spielt. Diese Komplexe bestehen aus defekt glykosylierten IgA-Molekülen (fehlerhaft verzuckerten IgA-Molekülen), die sich im glomerulären Mesangium (Bindegewebe der Nierenkörperchen) ablagern. Diese Ablagerungen lösen eine Entzündungsreaktion im Mesangium aus.
- Defekte Glykosylierung von IgA (Verzuckerung von IgA): Bei der IgA-Nephropathie wird eine abnorme Form von IgA1 (Typ des Immunglobulins A) produziert, bei der die Verzuckerung gestört ist. Diese fehlerhaft gebildeten IgA-Moleküle neigen dazu, sich zu Immunkomplexen zusammenzuschließen und sich im Mesangium (Bindegewebe der Nierenkörperchen) abzulagern.
- Entzündungsreaktion im Mesangium (Entzündung im Nierenbindegewebe): Die Ablagerung der IgA-Komplexe aktiviert das Komplementsystem (Teil des Immunsystems), was zu einer Entzündung und Schädigung des Mesangiums führt.
Bildung von Autoantikörpern
Zusätzlich zur fehlerhaften IgA-Produktion kommt es bei vielen Patienten zur Bildung von Immunglobulin-G (IgG)-Autoantikörpern (Antikörper gegen körpereigenes IgA). Diese Autoantikörper binden an das abnormale IgA und verstärken die Entzündungsreaktion.
- Autoantikörperbildung: Die Bildung von IgG-Autoantikörpern gegen fehlerhaftes IgA fördert die Schädigung des Mesangiums und aktiviert das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) (ein System zur Blutdruckregulation).
Die Entzündungsreaktion in den Glomeruli (Nierenkörperchen) aktiviert das RAAS, was zu einer Erhöhung des Blutdrucks (Hypertonie) führt. Der anhaltend erhöhte Druck trägt zur weiteren Schädigung der Glomeruli bei.
- Hypertonie (Bluthochdruck): Die Aktivierung des RAAS verstärkt die glomeruläre Schädigung, indem der Druck in den Nierenkörperchen erhöht wird, was die Nierenfunktion weiter einschränkt.
Glomeruläre Entzündung und Schädigung
Die anhaltende Entzündung führt zur Schädigung der glomerulären Filtrationsbarriere (Nierenfilter). Dies ermöglicht den Übertritt von Blutbestandteilen und Eiweißen in den Urin, was zu Hämaturie (Blut im Urin) und Proteinurie (Eiweißausscheidung im Urin) führt.
- Hämaturie (Blut im Urin): Die Schädigung der Nierenkörperchen ermöglicht es roten Blutkörperchen, in den Urin zu gelangen, was sichtbares oder mikroskopisch nachweisbares Blut im Urin verursacht.
- Proteinurie (Eiweiß im Urin): Durch die Schädigung der Filterbarriere der Niere werden Proteine vermehrt in den Urin abgegeben.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
Nierenfibrose (Narbenbildung im Nierengewebe)
Die chronische Entzündung und Schädigung der Nierenkörperchen führen langfristig zu einer Vernarbung (Fibrose) des Nierengewebes. Diese Vernarbungen führen zu einer weiteren Einschränkung der Nierenfunktion und können schließlich zu einer chronischen Niereninsuffizienz (langsam fortschreitendes Nierenversagen) führen.
- Mesangialsklerose (Verhärtung des Nierenbindegewebes): Die Verdickung und Vernarbung des Mesangiums führt zu einer verminderten Filterfunktion und schädigt die Nieren weiter.
Darm-Nieren-Achse
Neue Forschungsergebnisse legen nahe, dass die IgA-Nephropathie mit einer Darm-Nieren-Achse zusammenhängt. Man vermutet, dass fehlerhafte Immunprozesse in den Peyer-Plaques (lymphatisches Gewebe im Darm) die Produktion von abnormalem IgA auslösen, das dann in den Nieren abgelagert wird [1, 2].
- Peyer-Plaques (Lymphgewebe im Darm): Es wird angenommen, dass eine gestörte Immunreaktion im Darm zur Bildung von abnormem IgA führt, das über den Blutkreislauf in die Nieren gelangt und dort die Entzündungsreaktion auslöst.
Klinische Manifestation
Leitsymptome
- Hämaturie (Blut im Urin): Eines der häufigsten Symptome der IgA-Nephropathie ist das Vorhandensein von Blut im Urin, das entweder sichtbar oder nur unter dem Mikroskop nachweisbar ist.
- Proteinurie (Eiweiß im Urin): Der Verlust von Eiweiß über den Urin ist ein weiteres charakteristisches Merkmal, das bei fortgeschrittener Erkrankung auftritt.
Fortgeschrittene Symptome
- Hypertonie (Bluthochdruck): Die Aktivierung des RAAS führt bei vielen Patienten zu Bluthochdruck, der die Nierenschädigung weiter beschleunigt.
- Niereninsuffizienz (eingeschränkte Nierenfunktion): In fortgeschrittenen Fällen kann es zur chronischen Niereninsuffizienz kommen, die eine Dialyse erfordern kann.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die IgA-Nephropathie ist die häufigste idiopathische Glomerulonephritis bei Erwachsenen. Sie ist gekennzeichnet durch die Ablagerung von fehlerhaft glykosylierten IgA-Immunkomplexen im glomerulären Mesangium (Nierenbindegewebe), die eine chronische Entzündungsreaktion auslösen. Diese Entzündung führt zu Hämaturie (Blut im Urin), Proteinurie (Eiweiß im Urin) und langfristig zu Nierenfibrose (Narbenbildung im Nierengewebe). Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass gestörte Immunprozesse im Darm (Peyer-Plaques) eine Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielen könnten [1, 2].
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern (dominant vererbte Erkrankung mit polygenetischem Hintergrund)
Krankheitsbedingte Ursachen
- Idiopathisch (> 90 %)
- Autoimmunerkrankung wie beispielsweise der systemische Lupus erythematodes (SLE)
- Bakterielle Endokarditis (Herzinnenhautentzündung)
- Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), ehemals Wegenersche Granulomatose – nekrotisierende (Gewebe absterbende) Vaskulitis (Gefäßentzündung) der kleinen bis mittelgroßen Gefäße (Kleingefäßvaskulitiden), welche mit einer Granulombildung (Knötchenbildung) in den oberen Atemwegen (Nase, Nasennebenhöhlen, Mittelohr, Oropharynx) sowie den unteren Atemwegen (Lunge) einhergeht
- Hepatitis B/C (Leberentzündung)
- HIV
- Infektion mit ß-hämolysierende Streptokokken (Bakterien)
- Leberzirrhose (irreversible Schädigung der Leber und ein ausgeprägter Umbau des Lebergewebes), schwere Lebererkrankungen
- Nahrungsmittelallergie vor allem gegen Gluten (Gluten-Enteropathie)
- Purpura Schönlein-Henoch (Synonyme: anaphylaktoide Purpura; akutes infantile hämorrhagisches Ödem; Morbus Schönlein-Henoch; Purpura anaphylactoides; Purpura anaphylactoides; Purpura anaphylactoides; Purpura Schönlein-Henoch (PSH); Seidlmayer Kokardenpurpura; Schönlein-Henoch-Purpura; Vasculitis allergica; IgA-Vaskulitis) ‒ immunologisch vermittelte Vaskulitis (Entzündungen der (meist) arteriellen Blutgefäße) der Kapillaren sowie prä- und postkapillären Gefäße, die meist komplikationslos verläuft; als Multisystemerkrankung betrifft sie bevorzugt Haut (Purpura/ spontane, kleinfleckige Haut-, Unterhaut- oder Schleimhauteinblutungen), Gelenke (Arthralgien/Gelenkschmerzen), Darm (vaskulitische Läsionen der Darmwand) und Nieren
Literatur
- Barratt J et al.: Why Target the Gut to Treat IgA Nephropathy? Kidney International Reports. 2020;5(10):1620-1624
- Reboldi A et al. IgA production requires B cell interaction with subepithelial dendritic cells in Peyer’s patches. Science. 2016;352(6287):aaf4822