Eiweiß im Urin (isolierte Proteinurie) – Einleitung

Eine isolierte Proteinurie (ICD-10-GM R80: Isolierte Proteinurie) bezeichnet die Ausscheidung von Proteinen (Eiweiß), vor allem Albuminen, sowie Alpha-Globulinen und Beta-Globulinen mit dem Urin ohne Auffälligkeiten des Urinsediments und ohne Einschränkung der glomerulären Filtrationsrate (GFR).

Definitionsgemäß liegt die Konzentration bei einer Proteinurie > 0,15 g/Tag (> 150 mg/Tag).

Albuminurie

  • Mikroalbuminurie: 20-200 mg Albumin/l Urin bzw. 30-300 mg Albumin/24 h
  • Makroalbuminurie: > 300 mg Albumin/24 h

Formen der Proteinurie

Proteinurieformen
Markerproteine
Ursachen
Prärenale Proteinurie
Kappa-Lambda-Leichtketten, Hämoglobin, Myoglobin "Überlauf-Proteinurie", d. h. durch Überschreiten der tubulären Rückresortptionskapazität aufgrund eines Überangebots an Proteinen.
  • Plasmozytom (multiples Myelom)
  • Intravasale Hämolyse
  • Rhabdomyolyse (Auflösung der quergestreiften Muskulatur)
Renale (intrarenale) Proteinurie
   
Selektiv-glomulär: Albumin
Leichte Schädigung des glomerulären Filters
  • Minimal-Change-Glomerulonephritis
  • Frühstadium der diabetischen und hypertensiven Nephropathie
  • Frühphase von Autoimmunerkrankungen mit Nierenbeteiligung
  • IgA-Nephritis
Unselektiv-glomerulär: Albumin, IgG
Schwere Schädigung des glomerulären Filters
  • Akute Glomerulonephritis
  • Fortgeschrittene diabetische und hypertensive Nephropathie (Nephrosklerose)
  • Amyloidose
  • Systemische Vaskulitiden
  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
  • Fortgeschrittene EPH-Gestose
  • Orthostatische Proteinurie/Stressproteinurie
Tubulär: Alpha-1-Mikroglobulin
Gestörte tubuläre Rückresorption
  • Interstitielle Nephritis
  • Pyelonephritis
  • Analgetika-Nephropathie
  • Tubulotoxische Nephropathie
Gemischt glomerulär-tubulär: Albumin, Alpha-1-Mikroglobulin Schwere Schädigung des glomerulären Filters und gestörte tubuläre Rückresorption
  • Fortgeschrittene Glomerulonephritiden
  • Spätstadium hypertensiver und diabetischer Nephropathie
Postrenale Proteinurie
Alpha-2-Makroglobulin; besonders sensitiv ist dafür der Alpha-2-Makroglobulin/Albumin-Quotient
Tubuläre Sezernierung bei Entzündungen oder postrenaler Blutung
  • Urolithiasis
  • Tumoren

Bei einem Patienten können gleichzeitig mehrere Typen der Proteinurie auftreten.

Nephrotisches Syndrom (Sonderform der Proteinurie)

Ein Symptomenkomplex mit folgenden Symptomen:

  • Proteinurie: > 3,0-3,5 g/Tag ("große" Proteinurie)
  • Hypoproteinämie: Verminderter Eiweißgehalt im Blut
  • Hypalbuminämische Ödembildung: Bildung von Wassereinlagerungen aufgrund eines verminderten Vorhandenseins von Albumin (wenn Serumalbumin < 2,5 g/Tag)
  • Hyperlipidämie: Erhöhte Blutfette

Eine Proteinurie kann Symptom zahlreicher Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen") und gilt als eigenständiger Progressionsfaktor (Faktor für das Fortschreiten) der Niereninsuffizienz (Nierenschwäche).

Epidemiologie

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Bei Kindern und Jugendlichen liegt in ca. 10 % aller Urinuntersuchungen eine Proteinurie vor. Diese ist meistens nur transient (vorübergehend)/transiente Proteinurie oder intermittierend.

Bei rund 0,1 % der Kinder allerdings ist die Proteinurie persistierend und in mehr als drei aufeinanderfolgenden Urinproben nachweisbar [1].

Verlauf und Prognose

Der Verlauf und die Prognose einer Proteinurie sind stark abhängig von der zugrunde liegenden Ursache der Erkrankung. Eine rechtzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und Komplikationen zu verhindern.

Verlauf

Akute Glomerulonephritis

  • Verlauf: Kann plötzlich auftreten und sich schnell entwickeln. Meistens reversibel bei frühzeitiger Behandlung.
  • Prognose: Günstig, wenn rechtzeitig diagnostiziert und behandelt. Unbehandelt kann es jedoch zu chronischer Nierenerkrankung führen.

Chronische Nierenerkrankung (CKD)

  • Verlauf: Langsam fortschreitend. Symptome entwickeln sich schleichend über Monate bis Jahre.
  • Prognose: Progressiv, kann zu terminalem Nierenversagen führen. Früherkennung und Behandlung können das Fortschreiten verlangsamen.

Diabetische Nephropathie

  • Verlauf: Langsam fortschreitend, beginnend mit Mikroalbuminurie und fortschreitend zu Makroalbuminurie und Nephropathie.
  • Prognose: Erhöhtes Risiko für terminales Nierenversagen und kardiovaskuläre Ereignisse. Engmaschige Kontrolle des Blutzuckers und Blutdrucks sind essentiell.

Hypertensive Nephropathie

  • Verlauf: Langsam fortschreitend mit zunehmender Proteinurie und Nierenschädigung.
  • Prognose: Abhängig von der Kontrolle des Blutdrucks. Unkontrollierter Bluthochdruck kann zu Nierenversagen und kardiovaskulären Komplikationen führen.

Nephrotisches Syndrom

  • Verlauf: Variabel. Kann episodisch oder persistierend sein.
  • Prognose: Erhöhtes Risiko für Infektionen, Thrombosen und kardiovaskuläre Ereignisse. Langfristige Prognose hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab.

Prognostische Bedeutung

Proteinurie hat eine hohe prognostische Aussagekraft für die Morbidität (Erkrankungen) und Mortalität (Sterberate). Eine persistierende Proteinurie ist ein starker Prädiktor für die Progression der Nierenerkrankung und das Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen.

Empfehlungen für das Screening

Ein Screening auf Proteinurie sollte bei bestimmten Hochrisikogruppen durchgeführt werden:

  • Personen über 60 Jahre
  • Diabetiker
  • Hypertoniker (Patienten mit Bluthochdruck)

Durch ein frühzeitiges Screening können renale und kardiovaskuläre Risiken frühzeitig erkannt und entsprechend behandelt werden.

Literatur

  1. Vehaskari VM. Isolated proteinuria: analysis of school-age population. J Pediatr 1982; 101(5):661-8