Diabetische Nephropathie – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die diabetische Nephropathie ist eine der häufigsten Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus und betrifft etwa 20-30 % der Patienten im Laufe ihres Lebens. Diese Nierenerkrankung entwickelt sich über viele Jahre, oft im Verlauf von 15-30 Jahren, und ist eine der Hauptursachen für chronisches Nierenversagen. Die genauen Mechanismen sind bislang nicht vollständig verstanden, jedoch spielen mehrere metabolische und hämodynamische Faktoren eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Progression der Krankheit.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

1. Hyperglykämische Stoffwechsellage

Die Grundlage der diabetischen Nephropathie ist die anhaltende Hyperglykämie (erhöhter Blutzucker), die zu einer Vielzahl von strukturellen und funktionellen Veränderungen in der Niere führt. Der hohe Glukosespiegel schädigt die glomerulären Zellen und fördert die Bildung von fortgeschrittenen Glykationsendprodukten (AGEs), die den normalen Stoffwechsel der Niere beeinträchtigen.

  • Fortgeschrittene Glykationsendprodukte (AGEs): Diese entstehen, wenn sich Glukosemoleküle an Proteine oder Lipide binden. Die AGEs lagern sich in der Niere ab und führen zu einer Versteifung der glomerulären Basalmembran sowie zu einer Schädigung der Endothelzellen (Zellen, die die Blutgefäße auskleiden).
  • Oxidativer Stress: Hyperglykämie erhöht die Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), die den oxidativen Stress verstärken. Dies trägt zur Schädigung der glomerulären Strukturen bei und beschleunigt die Krankheitsprogression.

2. Hämodynamische Veränderungen

Neben den metabolischen Effekten der Hyperglykämie spielt auch eine hämodynamische Komponente eine Rolle in der Pathogenese der diabetischen Nephropathie. Die glomeruläre Hypertonie (erhöhter Blutdruck in den Glomeruli) führt zu einer Schädigung der Nierenkörperchen.

  • Erhöhter glomerulärer Blutdruck: Der erhöhte Druck in den Glomeruli verstärkt die Filtrationsrate und führt zur Hyperfiltration, die initial als Kompensationsmechanismus dient. Langfristig jedoch verursacht die Hyperfiltration eine Überlastung der Glomeruli und führt zu strukturellen Schäden.
  • Angiotensin II: Als Teil des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) spielt Angiotensin II eine zentrale Rolle bei der Regulation des Blutdrucks und der Nierendurchblutung. Bei der diabetischen Nephropathie kommt es zu einer vermehrten Produktion von Angiotensin II, was zu einer Vasokonstriktion (Verengung der Blutgefäße) und einer Erhöhung des intraglomerulären Drucks führt. Dies verstärkt die glomeruläre Schädigung und trägt zur Glomerulosklerose bei.

3. Endotheliale Dysfunktion

Die Endothelzellen der Nierengefäße spielen eine entscheidende Rolle bei der Regulation der Durchblutung und der glomerulären Filtration. Bei der diabetischen Nephropathie kommt es zu einer endothelialen Dysfunktion, die durch den erhöhten Blutzuckerspiegel und die Hyperfiltration begünstigt wird.

  • Endothelin: Das Hormon Endothelin, das die Blutgefäße verengt, wird bei diabetischer Nephropathie vermehrt produziert. Es trägt zur Vasokonstriktion und zum Anstieg des glomerulären Drucks bei, was die Progression der Nephropathie verstärkt.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

Verdickung der glomerulären Basalmembran

Ein frühes Zeichen der diabetischen Nephropathie ist die Verdickung der glomerulären Basalmembran. Diese Veränderung ist eine Folge der Hyperglykämie und der Ablagerung von Glykoproteinen. Die verdickte Basalmembran beeinträchtigt die Filtrationsfunktion der Glomeruli, was zu einer Proteinurie (erhöhter Eiweißgehalt im Urin) führt.

Glomerulosklerose

Mit fortschreitender Erkrankung kommt es zur Glomerulosklerose, also zur Vernarbung der Glomeruli. Dies ist das Endstadium der Erkrankung und resultiert aus dem Verlust der glomerulären Zellen und der Ablagerung von Bindegewebe in den Nierenkörperchen. Die Glomerulosklerose geht mit einem fortschreitenden Verlust der Nierenfunktion einher.

  • Mesangiale Expansion: Die Mesangiumzellen (Bindegewebszellen in den Nierenkörperchen) proliferieren und tragen zur Mesangiummatrixexpansion bei, was die glomeruläre Filtration zusätzlich beeinträchtigt.

Albuminurie und Proteinurie

Die diabetische Nephropathie äußert sich durch das Auftreten von Albumin im Urin (Albuminurie), was ein Zeichen für eine gestörte Filtrationsfunktion der Nieren ist. Mit dem Fortschreiten der Erkrankung kann die Albuminurie zur Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß im Urin) führen, was auf eine schwere Nierenschädigung hinweist.

Klinische Manifestation

Leitsymptome

  • Albuminurie: Eines der frühesten Zeichen der diabetischen Nephropathie ist die vermehrte Ausscheidung von Albumin im Urin. Dies ist häufig noch nicht mit klinischen Symptomen verbunden.
  • Hypertonie (Bluthochdruck): Der anhaltende Bluthochdruck ist sowohl eine Ursache als auch eine Folge der diabetischen Nephropathie. Er verstärkt die Nierenschädigung und trägt zur Progression der Erkrankung bei.

Fortgeschrittene Symptome

  • Proteinurie: Mit dem Fortschreiten der Krankheit wird die Albuminurie zu einer ausgeprägten Proteinurie, was ein Zeichen für eine schwere Schädigung der glomerulären Filtrationsbarriere ist.
  • Niereninsuffizienz (gestörte Nierenfunktion/Nierenversagen): Im Endstadium kann es zu einer chronischen Niereninsuffizienz kommen, die eine Dialyse (Blutwäsche) oder Nierentransplantation erforderlich macht.
  • Ödeme (Wassereinlagerungen): Durch den Proteinverlust kann es zu Wassereinlagerungen im Gewebe kommen, was insbesondere an den Beinen und im Gesicht sichtbar wird.

Risikofaktoren für die Entwicklung einer diabetischen Nephropathie

  • Schlecht eingestellter Diabetes mellitus: Ein unzureichend kontrollierter Blutzucker ist der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung und Progression der diabetischen Nephropathie.
  • Hypertonie (Bluthochdruck): Ein erhöhter Blutdruck verstärkt die Nierenschädigung und beschleunigt das Fortschreiten der Erkrankung.
  • Dauer des Diabetes mellitus: Patienten mit einer langen Diabetesdauer haben ein höheres Risiko, eine diabetische Nephropathie zu entwickeln.
  • Genetische Prädisposition: Eine genetische Veranlagung kann das Risiko für die Entwicklung einer diabetischen Nephropathie erhöhen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die diabetische Nephropathie ist eine schwerwiegende Komplikation des Diabetes mellitus, die durch eine Kombination aus hyperglykämischer Stoffwechsellage, hämodynamischen Veränderungen und hormonellen Interaktionen entsteht. Diese Mechanismen führen zur Verdickung der glomerulären Basalmembran, zur Glomerulosklerose und letztlich zum Nierenversagen. Die frühzeitige Erkennung der Albuminurie und eine strenge Kontrolle des Blutzuckerspiegels sind entscheidend, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Proteinreiche Ernährung 
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen)
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) 
    • Je höher der BMI (Body-Mass-Index, Körpermasse-Index) eines Diabetikers war, desto höher war das Risiko für eine diabetische Nephropathie und desto geringer die eGFR (estimated GFR, die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate) [2]
    • Bei Frauen begünstigt ein erhöhter BMI (Body-Mass-Index, Körpermasse-Index) etwas stärker die Entwicklung einer diabetischen Nephropathie als bei Männern [2]

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörungen)
  • Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Längjähriger Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) 

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • HbA1c (erhöht)
  • Mikroalbuminurie (Ausscheidung von geringen Mengen Albumin (20 bis 200 mg/l oder 30 bis 300 mg pro Tag) mit dem Urin) Risikofaktoren für den Beginn einer Albuminurie waren das männliche Geschlecht und erhöhte Harnsäure-Werte (Hyperurikämie) bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 [1]

Literatur

  1. Takaqi M et al.: Differences in risk factors for the onset of albuminuria and decrease in glomerular filtration rate in people with Type 2 diabetes mellitus: implications for the pathogenesis of diabetic kidney disease. Diabet Med. 2015 May 11. doi: 10.1111/dme.12793.
  2. Lu J et al.: Body Mass Index and Risk of Diabetic Nephropathy: A Mendelian Randomization Study The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, dgac057, 22 February 2022 https://doi.org/10.1210/clinem/dgac057