Diabetes insipidus – Einleitung

Diabetes insipidus (DI), umgangssprachlich auch als "Wasserhahnruhr" bezeichnet, ist eine hormonbedingte Störung des Wasserhaushalts, die zu einer extrem hohen Harnausscheidung (Polyurie, 5-25 Liter pro Tag) aufgrund einer eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit der Nieren führt. Dies geht häufig mit einem gesteigerten Durstgefühl (Polydipsie) einher, wobei die Trinkmenge oft 3,5 Liter pro 24 Stunden übersteigt. Die Erkrankung wird durch einen Mangel oder eine Resistenz gegenüber dem antidiuretischen Hormon (ADH) verursacht, weshalb in der neuen Nomenklatur von einem ADH-Mangel bzw. einer ADH-Resistenz gesprochen wird.

Synonyme und ICD-10

  • Diabetes insipidus centralis: Synonyme: Zentraler (neurogener) Diabetes insipidus, Diabetes insipidus neurohormonalis, Hypophysärer Diabetes insipidus; ICD-10-GM Code: E23.2 - Diabetes insipidus
  • Diabetes insipidus renalis: Synonyme: Nephrogener Diabetes insipidus; ICD-10-GM Code: N25.1 - Renaler Diabetes insipidus

Charakteristische Laborbefunde

Diabetes insipidus (DI) ist eine Erkrankung, die durch einen Mangel an antidiuretischem Hormon (ADH) oder durch eine Unempfindlichkeit der Nieren auf ADH gekennzeichnet ist. Dies führt zu einer Unfähigkeit der Nieren, Wasser zu konzentrieren, was zu einer erheblichen Polyurie (große Mengen an verdünntem Urin) und einer daraus resultierenden Polydipsie (starker Durst) führt. Die diagnostischen Laborbefunde helfen, zwischen den verschiedenen Formen des Diabetes insipidus zu unterscheiden (zentraler DI und nephrogener DI).

  • Plasma- und Urinosmolalität
    • Serumosmolalität: Erhöht (> 295 mOsm/kg H2O). Dies weist auf eine Dehydratation hin, da der Körper nicht in der Lage ist, Wasser zurückzuhalten.
    • Urinosmolalität: Deutlich erniedrigt (< 300 mOsm/kg H2O), oft sehr nahe an der von Wasser (50-200 mOsm/kg H2O). Dies zeigt, dass die Nieren nicht in der Lage sind, den Urin zu konzentrieren, selbst bei erhöhtem osmotischem Druck im Plasma.
  • Serumnatrium: Hypernatriämie: Erhöht (> 145 mmol/L) aufgrund des Verlusts von freiem Wasser, was zu einer Konzentration des Natriums im Blut führt.
  • ADH (Antidiuretisches Hormon, auch Vasopressin genannt): Zentraler Diabetes insipidus: Niedrige bis nicht nachweisbare ADH-Spiegel im Blut. Dies liegt an einem Mangel der Produktion oder Freisetzung von ADH aus dem Hypophysenhinterlappen.
  • Nephrogener Diabetes insipidus: Normaler bis erhöhter ADH-Spiegel, da die Nieren auf ADH nicht ansprechen, was zu einer kompensatorischen Erhöhung führt.
  • Wasserentzugstest
    • Serumosmolalität nach Wasserentzug: Erhöht, aber die Urinosmolalität bleibt niedrig, was das Unvermögen der Nieren zeigt, den Urin zu konzentrieren.
    • ADH-Response auf Desmopressin (synthetisches ADH):
      • Zentraler DI: Nach Verabreichung von Desmopressin steigt die Urinosmolalität signifikant an, da die Nieren wieder in der Lage sind, den Urin zu konzentrieren.
      • Nephrogener DI: Keine signifikante Änderung der Urinosmolalität nach Verabreichung von Desmopressin, da die Nieren nicht auf das Hormon reagieren.
  • Blutglukose: Normal: Wichtig zur Abgrenzung von Diabetes mellitus, der auch zu Polyurie führen kann, jedoch durch Hyperglykämie gekennzeichnet ist.

Diese Laborbefunde sind entscheidend für die Diagnose und Differenzierung des Diabetes insipidus sowie für die Abgrenzung von anderen Ursachen der Polyurie und Polydipsie.

Formen der Erkrankung

Es gibt zwei Hauptformen des Diabetes insipidus:

  • Diabetes insipidus centralis (zentraler DI)
    • Definition: Diese Form ist durch einen Mangel an ADH bedingt, der entweder partiell (teilweise) oder total, permanent oder transient (vorübergehend) sein kann. Der Mangel resultiert aus einem Ausfall der ADH-Produktion im Hypothalamus oder Hypophysenhinterlappen.
    • ICD-10-GM Code: E23.2
  • Diabetes insipidus renalis (nephrogener DI)
    • Definition: Diese Form entsteht durch ein fehlendes oder ungenügendes Ansprechen der Nieren (insbesondere des Sammelrohrs und distalen Tubulus) auf ADH, obwohl die ADH-Konzentration im Blut normal oder sogar erhöht ist.
    • ICD-10-GM Code: N25.1

Ursachen

Die Ursachen des Diabetes insipidus hängen von der jeweiligen Form ab:

  • Diabetes insipidus centralis
    • Schädeltrauma oder Operationen im Bereich der Hypophyse.
    • Tumoren im Hypothalamus oder Hypophysenhinterlappen.
    • Autoimmunerkrankungen, die die ADH-sezernierenden Zellen angreifen.
    • Idiopathische Formen, bei denen keine eindeutige Ursache erkennbar ist.
  • Diabetes insipidus renalis
    • Genetische Defekte in den Rezeptoren oder Kanälen, die an der ADH-Wirkung beteiligt sind.
    • Chronische Nierenerkrankungen.
    • Medikamente, die die ADH-Wirkung beeinträchtigen (z. B. Lithium).
    • Elektrolytstörungen wie Hypercalcämie (Calciummangel) oder Hypokaliämie (Kaliummangel).

Differentialdiagnosen

Folgende Erkrankungen sollten bei der Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden:

  • Psychogene Polydipsie: Übermäßige Flüssigkeitsaufnahme ohne pathologische Ursache.
  • Diabetes mellitus: Unterscheidung durch den Nachweis von Glukose im Urin.
  • Chronische Niereninsuffizienz (Nierenschwäche): Hierbei kommt es ebenfalls zu Polyurie, allerdings mit begleitender Azotämie (erhöhter Gehalt harnpflichtige Substanzen).
  • Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH): Charakterisiert durch Hyponatriämie (Natriumsmangel) und Hypervolämie (Erhöhung des Blutvolumens im Blutkreislauf).

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel:
Der zentrale Diabetes insipidus tritt häufiger auf als der renale Diabetes insipidus.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Die Erkrankung ist insgesamt selten. Der zentrale Diabetes insipidus ist jedoch häufiger als der renale.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): Die genaue Inzidenz ist unbekannt, da viele Fälle nicht diagnostiziert werden oder mild verlaufen.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Diabetes insipidus centralis: Der Verlauf ist in der Regel benigne, insbesondere wenn eine adäquate Therapie mit Desmopressin erfolgt. Die meisten Patienten können mit der Behandlung ein normales Leben führen.
  • Diabetes insipidus renalis: Der Verlauf kann komplizierter sein, insbesondere wenn die zugrunde liegende Ursache nicht behandelbar ist. Oft ist eine Kombination aus medikamentöser Therapie und diätetischen Maßnahmen erforderlich.

Prognose

  • Diabetes insipidus centralis:

    • Therapie: Die meisten Patienten sprechen gut auf Desmopressin an, das die Polyurie effektiv kontrolliert.
    • Langzeitprognose: Die Langzeitprognose ist bei adäquater Behandlung gut, allerdings kann die Erkrankung je nach Ursache eine lebenslange Therapie erfordern.
  • Diabetes insipidus renalis:

    • Therapie: Die Behandlung ist schwieriger und umfasst oft diätetische Maßnahmen (z. B. Einschränkung der Protein- und Salzzufuhr) sowie Medikamente wie Thiaziddiuretika und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAID).
    • Langzeitprognose: Die Prognose hängt stark von der Grunderkrankung ab. Bei einigen Patienten kann die Therapie unbefriedigend sein und die Lebensqualität beeinträchtigen.

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Diabetes insipidus neurohormonalis. (AWMF-Registernummer: 027 - 031), Januar 2011 Langfassung