Blasenentzündung (Zystitis) – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Zystitis (Blasenentzündung) dar.
Die Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung der Anamnese erkannt wird, d. h. ein positives Resultat auftritt) durch eine typische Anamnese liegt zwischen 50 und 80 %!
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie bekannte Erkrankungen der Harnwege oder Nierenerkrankungen?
- Leiden Familienangehörige an Diabetes mellitus, was die Anfälligkeit für Harnwegsinfektionen erhöhen kann?
Soziale Anamnese
- Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder familiäre Konflikte, die Stress oder dauerhafte Anspannung verursachen?
- Haben Sie in der Vergangenheit unter hygienischen oder sozialen Bedingungen gelebt, die Infektionen begünstigen könnten (z. B. unzureichende Sanitäranlagen)?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Leiden Sie unter vermehrtem Harndrang, der auch nachts auftritt (Nykturie)?
- Haben Sie Schmerzen oder ein Brennen beim Wasserlassen?
- Entleeren Sie nur wenig Urin, obwohl Sie das Gefühl haben, eine prall gefüllte Harnblase zu haben?
- Haben Sie Schmerzen im Unterbauch oder in der Flankenregion?
- Haben Sie Blut im Urin bemerkt (Hämaturie)?*
- Ist der Urin ungewöhnlich trüb, konzentriert oder flockig?
- Hatten Sie Fieber oder Schüttelfrost?*
- Haben Sie das Gefühl, den Urin nicht vollständig halten zu können (Dranginkontinenz)?
- Leiden Sie unter Stress oder dauernder Anspannung?
- Haben Sie in letzter Zeit einen Dauerkatheter getragen?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Waren Sie mit feuchter Bekleidung oder Zugluft ausgesetzt, z. B. nach einem Besuch im Schwimmbad?
- Betreiben Sie regelmäßige, aber nicht übermäßige Intimhygiene?
- Trinken Sie ausreichend Flüssigkeit (mindestens 1,5-2 Liter pro Tag)?
- Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
- Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk und wie viele Gläser pro Tag?
- Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche und wie häufig?
Eigenanamnese
- Vorerkrankungen:
- Haben Sie bekannte Erkrankungen der Harnwege (z. B. wiederkehrende Blasenentzündungen)?
- Besteht bei Ihnen Diabetes mellitus, der die Anfälligkeit für Infektionen erhöhen könnte?
- Gibt es Hinweise auf eine immunschwächende Erkrankung (z. B. HIV, Krebserkrankung, Rheumatoide Arthritis)?
- Operationen:
- Wurden in der Vergangenheit Operationen im Bereich der Harnwege oder des Beckens durchgeführt?
- Allergien:
- Haben Sie Allergien gegen Medikamente, Nahrungsmittel oder andere Stoffe?
- Sexualanamnese
- Sexuelle Gewohnheiten (Heterosexualität, Homosexualität, Bisexualität)?
- Häufigkeit und Anzahl der Sexualkontakte?
- Betreiben Sie Analverkehr/Analsex? Wenn ja, rezeptiv oder insertiv bzw. passiv oder aktiv?
- Entleeren Sie die Harnblase nach dem Geschlechtsverkehr?
- Verwenden Sie Verhütungsmittel? Wenn ja, welche (z. B. Kondome? Scheidendiaphragma? hormonelle Kontrazeptiva?)
Medikamentenanamnese
- Antibiotikatherapie – 2 bis 4 Wochen zurückliegend
- Immuncheckpoint-Inhibitoren – Atezolizumab, Avelumab, Cemiplimab, Durvalumab, Ipilimumab, Pembrolizumab, Nivolumab → immunvermittelte Zystitis
- Immunsupprimierte Patient(inn)en
- Kontrazeption mit DMPA (Depot-Medroxyprogesteronacetat)
- Zytostatika (z. B. Methotrexat)
* Falls diese Frage mit „Ja“ beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)
Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.
Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring