Gleichgewichtsstörung der Darmflora (Dysbiose) – Einleitung
Die Dysbiose, auch bekannt als "Gleichgewichtsstörung der Darmflora," bezeichnet einen Krankheitsprozess, der durch eine qualitative und/oder quantitative Abweichung der Bakterienflora im Darm von der Norm ausgelöst wird.
Synonyme und ICD-10: Darmdysbiose; Darmflorastörung; intestinale Intoxikation; intestinale Vergiftung; Symbiosestörung; engl. Small Intestinal Bacterial Overgrowth, SIBO; ICD-10-GM K63.8: Sonstige näher bezeichnete Krankheiten des Darmes
Bei der Dysbiose besteht ein Ungleichgewicht der strukturellen oder funktionellen Zusammensetzung der Mikrobiota.
Anatomie und Funktionen der Darmflora
Die Mikrobiota bezeichnet die Gesamtheit der Mikroorganismen, die den Darm besiedeln und für den Wirtsorganismus von entscheidender Bedeutung sind. Der menschliche Darm beherbergt mehr als 1014 Mikroorganismen. Der Dünndarm weist eine relativ geringe bakterielle Besiedlung auf, die Dichte nimmt jedoch vom Duodenum (Zwölffingerdarm) über das Jejunum (Leerdarm) bis zum Ileum (Krummdarm) und Kolon (Dickdarm) zu. Zu den quantitativ wichtigsten Arten zählen Bacteroides, Eubacterium und Bifidobacterium. Diese Mikroorganismen erfüllen vielfältige Aufgaben:
- Verhinderung bakterieller Fehlbesiedlung (mikrobielle Barriere): Schutz vor Ansiedlung und Vermehrung von Krankheitserregern durch Produktion mikrostatischer und mikrozider Substanzen (z. B. kurzkettige Fettsäuren, Schwefelwasserstoff, Wasserstoffperoxid).
- Immunmodulation und -stimulation: Ständiges Training der natürlichen Immunabwehr, Stimulation der Antikörperbildung und Makrophagenproduktion.
- Vitaminproduktion: Synthese von Vitamin K, Vitamin B3, B5, Folsäure und Vitamin B12 durch bestimmte Darmbakterien.
- Nähr- und Vitalstoffversorgung der Dickdarmschleimhaut: Förderung des Stoffwechsels der Darmwand durch bakterielle Substanzen.
Eine symbiotische Beziehung zwischen Mensch und Mikroorganismen ist essenziell für das Wohlbefinden und die Gesundheit beider Partner.
Formen der Dysbiose
Dysbiosen können sich durch verschiedene Ungleichgewichte der Darmflora manifestieren:
- Quantitative Dysbiose: Überwucherung oder Verringerung bestimmter Bakterienstämme.
- Qualitative Dysbiose: Verschiebung im Verhältnis der Bakterienstämme, z. B. Dominanz pathogener (krankmachender) Keime.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.
Häufigkeitsgipfel: Dysbiosen können in jedem Lebensalter auftreten, sind jedoch häufiger bei älteren Erwachsenen und Menschen mit Grunderkrankungen.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Die genaue Prävalenz ist schwer zu bestimmen, da Dysbiosen oft subklinisch verlaufen.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Akuter Verlauf: Plötzliche Verschiebungen der Darmflora, oft durch Antibiotika, Infektionen oder Ernährungsumstellungen.
- Chronischer Verlauf: Langfristig vorliegende Dysbiosen können zu chronischen Erkrankungen führen und sind oft schwer zu behandeln.
Prognose
- Kurzfristig: Mit geeigneten Maßnahmen (z. B. Probiotika, Ernährungsanpassungen) kann das Darmmikrobiom oft wieder ins Gleichgewicht gebracht werden.
- Langfristig: Unbehandelte Dysbiosen können zur Entwicklung und Verschlechterung chronischer Erkrankungen beitragen.
Komorbiditäten
Mit einer Dysbiose sind assoziiert:
- Adipositas (Übergewicht)
- Atopische Erkrankungen [3]
- Autismus / Depression (Interaktion via „Darm-Hirn-Achse“) und viele mehr [1, 2].
- Diabetes mellitus [4]
- Untergewicht
- Chronisch-inflammatorische Erkrankungen (Diabetes mellitus, M. Crohn, Colitis ulcerosa, Multiple Sklerose (MS); rheumatoide Arthritis [4]
- Kolorektales Karzinom [4]
- Leberzirrhose [4]
- Metabolisches Syndrom
- Reizdarmsyndrom
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Literatur
- Borre YE et al.: Microbiota and neurodevelopmental windows: implications for brain disorders. Trends Mol Med. 2014 Sep; 20(9):509-18
- Grenham S et al.: Brain-gut-microbe communication in health and disease. Front Physiol. 2011 Dec 7;2:94
- Haahtela T et al.: The biodiversity hypothesis and allergic disease: world allergy organisation position statement. World Allergy Organ J. 2013 Jan 31;6(1):3
- Wang J, Jia H: Metagenome-wide association studies: fine-mining the microbiome. Nat Rev Microbiol 2016 Aug;14(8):508-22. doi: 10.1038/nrmicro.2016.83. Epub 2016 Jul 11.