Gleichgewichtsstörung der Darmflora (Dysbiose) – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Dysbiose (Gleichgewichtsstörung der Darmflora) dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes (z. B. Nahrungsmittelunverträglichkeiten), die häufig vorkommen?
Soziale Anamnese
- Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Belastungen auf Grund Ihrer familiären Situation?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Leiden Sie häufig an einem aufgeblähten Bauch?
- Haben Sie häufig Völlegefühl?
- Leiden Sie unter Erschöpfungszuständen, Müdigkeit oder Kopfschmerzen?
- Ist Ihnen häufig übel?
- Haben Sie häufig Veränderungen der Stuhlfrequenz (z. B. Durchfall, Verstopfung)?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Haben Sie an Körpergewicht verloren?
- Essen Sie gerne süß (Mono- und Disaccharide; insbesondere Saccharose/Haushaltszucker) und Weißmehlprodukte?
- Sind Ihnen Veränderungen des Stuhlgangs (Frequenz, Menge, Farbe, Beschaffenheit) aufgefallen?
- Trinken Sie gerne Kaffee, schwarzen und grünen Tee? Wenn ja, wie viele Tassen pro Tag?
- Trinken Sie andere bzw. weitere koffeinhaltige Getränke? Wenn ja, wie viel davon jeweils?
- Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
- Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
- Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?
Eigenanamnese inkl. Medikamentenanamnese
- Vorerkrankungen (Magen-Darm-Erkrankungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten)
- Operationen
- Allergien
Medikamente [1, 2]
- Analgetika/nichtsteroidale Antiphlogistika
- Antiinfektiva gegen Viren, Pilze oder Parasiten
- Antibiotika (breites Wirkspektrum reduziert die mikrobielle Diversität)
Beachte: Je breiter das Wirkspektrum und je länger die Therapiedauer, desto stärker ist die Mikrobiom-Schädigung!- Die häufige bzw. langfristige Behandlung von Frühgeborenen mit Antibiotika führte zu einer starken Störung der Darmflora: es fanden sich bei einer Nachuntersuchung im Alter von 21 Monaten weniger „gesunde“ Bakteriengruppen wie Bifidobacteriaceae (einzige Bakterienfamilie in der Reihenfolge der Bifidobacteriales) und häufiger „ungesündere“ Arten wie Proteobakterien (= „mikrobiotische Narbe“) [4].
- Die Bakterienflora ist innerhalb von 30 bis 90 Tagen nach Medikamentenbehandlung weitgehend regeneriert, es verändert sich allerdings deren Wechselspiel mit den Pilzen, die ebenfalls den Darm besiedeln [5].
- Antidepressiva – atypische Antipsychotika
- Antihistaminika
- Betablocker
- Benzodiazepine
- Corticoide (Cortisol)
- Gold (bakterizid)
- Laxantien (osmotische Laxantien)
- Metformin
- Ovulationshemmer
- Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) (wg. blockierter Magensäureproduktion)
- Statine
- Zytostatika
- u. a.
Beachte: Nicht nur Antibiotika töten Darmbakterien ab; von mehr als 1.000 zugelassenen Wirkstoffen verändert jeder vierte Wirkstoff die Zusammensetzung der Darmflora [3].
Röntgenstrahlen
- Strahlentherapie (Radiotherapie, Radiatio)
Umweltbelastung – Intoxikationen
- Schwermetalle (Quecksilber, Blei etc.) [durch die Ernährung]
Literatur
- Falony G et al.: Population-level analysis of gut microbiome variation. doi: 10.1126/science.aad3503
- Zhernakova A et al.: Population-based metagenomics analysis reveals markers for gut microbiome composition and diversity. doi: 10.1126/science.aad3369
- Maier L et al.: Extensive impact of non-antibiotic drugs on human gut bacteria. Nature Published online: 19 March 2018 doi:10.1038/nature25979
- Gasparrini AJ et al.: Persistent metagenomic signatures of early-life hospitalization and antibiotic treatment in the infant gut microbiota and resistome Nature Microbiology (09 September 2019)
- Seelbinder B et al.: Antibiotics create a shift from mutualism to competition in human gut communities with a longer-lasting impact on fungi than bacteria. Microbiome 2020;8,133.