Lungenfunktionsprüfung (Spirometrie)
Die Spirometrie ist eine Lungenfunktionsprüfung. Sie dient zur Messung und Aufzeichnung des Lungen- bzw. Atemvolumens und der Luftflussgeschwindigkeiten zur Beurteilung der Lungenfunktion.
Die Spirometrie wird durchgeführt zur Früherkennung von Lungenerkrankungen sowie auch zur Verlaufskontrolle während der Therapie von Lungenerkrankungen.
Mittels der Spirometrie werden obstruktive und restriktive Lungenerkrankungen unterschieden:
- Obstruktive Lungenerkrankungen – Die Atemarbeit ist erschwert durch eine Behinderung der Luftströmung verbunden mit dem subjektiven Gefühl der Dyspnoe (Atemnot) wie beispielsweise bei Asthma bronchiale oder der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD).
- Restriktive Lungenerkrankungen – Die Lunge und/oder der Brustkorb ist vermindert dehnbar; dazu gehören:
- Lungenerkrankungen: exogene allergische Alveolitis (allergisch bedingte Entzündung der Alveolen (Lungenbläschen), die durch Inhalation von Feinstaub bedingt ist), Lungenfibrosen (chronische Entzündungen des Lungenbindegewebes mit krankhafter Vermehrung des Bindegewebes zwischen den Alveolen), Pneumokoniosen (Staubinhalations-Krankheiten), Sarkoidose (Synonyme: Morbus Boeck; Morbus Schaumann-Besnier; systemische Erkrankung des Bindegewebes mit Granulombildung der Haut, der Lunge und der Lymphknoten)
- Neuromuskuläre Erkrankungen wie progressive Muskeldystrophie
- Adipositas per magna (BMI ≥ 40)
- Thoraxdeformitäten wie Morbus Bechterew (chronische entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule, die zu einer Gelenksteife (Ankylose) der betroffenen Gelenke führen kann) und Kyphoskoliose (Buckelbildung (Kyphose) bei gleichzeitiger seitlicher Verkrümmung (Skoliose) der Wirbelsäule)
- Zustand nach Lungenteilresektion (Entfernung eines Lungenteils)
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Raucher
- Dyspnoe (Atemnot)
- Asthma bronchiale
- Bronchialkarzinom (Lungenkrebs)
- Chronische Bronchitis (Entzündung der größeren verzweigten Atemwege – der Bronchien)
- Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
- Lungenemphysem (irreversible Überblähung der kleinsten luftgefüllten Strukturen (Lungenbläschen, Alveolen) der Lunge)
- Lungenfibrose
- Mukoviszidose (Synonym: Zystische Fibrose)
- Pleuraerguss
- Pneumokoniosen
- Pneumonie (Lungenentzündung)
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Absolute Kontraindikationen
- Herzinfarkt (Myokardinfarkt) innerhalb der letzten 4 bis 6 Wochen: Eine Spirometrie kann eine zusätzliche Belastung für das Herz darstellen und ist daher kurz nach einem Infarkt nicht empfohlen.
- Pneumothorax (Luft im Pleuraraum): Die durch die Spirometrie erzeugten Druckveränderungen könnten einen bestehenden Pneumothorax verschlimmern.
- Hämoptysis (Bluthusten) unbekannter Ursache: Bevor die Ursache des Bluthustens nicht geklärt ist, sollte keine Spirometrie durchgeführt werden, um keine weiteren Blutungen zu provozieren.
- Thorax-, Bauch- oder Augenoperationen kürzlich erfolgt: Insbesondere bei Eingriffen, bei denen Gewebe oder Strukturen beeinträchtigt wurden, die durch die manöverbedingten Druckschwankungen negativ beeinflusst werden könnten.
- Akute Infektionen der Atemwege: Diese können die Ergebnisse verfälschen und den Patienten weiter schwächen.
Relative Kontraindikationen
- Instabile kardiovaskuläre Zustände wie schwere Hypertonie (Bluthochdruck) oder Herzinsuffizienz (Herzschwäche): Hierbei könnte die Anstrengung während der Testdurchführung zu einer Verschlechterung führen.
- Schwere bullöse Lungenerkrankungen: Bei Patienten mit schweren bullösen Erkrankungen der Lunge könnte die forcierte Exspiration (Ausatmung) zu einem Pneumothorax führen.
- Übelkeit und Erbrechen: Diese Zustände können die Fähigkeit des Patienten, den Test korrekt durchzuführen, erheblich beeinträchtigen.
- Kürzliche Episoden von Synkopen oder Präsynkopen: Durch die Anstrengung während der Spirometrie könnte es zu einer erneuten Synkope (plötzlicher, kurzzeitiger Verlust des Bewusstseins mit Verlust des Haltungstonus) kommen.
Das Verfahren
Bei der Spirometrie werden die Änderungen der verschiedenen Lungenvolumina fortlaufend erfasst und graphisch dargestellt.
Man unterscheidet ein geschlossenes und ein offenes System. Beim geschlossenen System (Glockenspirometer) ist der Patient über ein Mundstück mit einem geschlossenen Luftraum verbunden, dessen Volumen sich entsprechend der Atmung ändert.
Beim offenen System, welches meistens vorgezogen wird, atmet der Patient durch ein Atemrohr, in dem Atemgeschwindigkeit und Strömungsgeschwindigkeit der Atemluft gemessen werden. Die Daten werden anschließend per Computer ausgewertet.
Zu den wichtigsten Messgrößen der Spirometrie gehören:
- Flussparameter
- Einsekundenkapazität (FEV1; engl.: Forced Expiratory Volume in 1 second; Forciertes Einsekunden-Volumen = Sekundenluft)
- Peak Flow (PEF; engl.: peak expiratory flow; exspiratorischer Spitzenfluss; maximale Atemstromstärke)
- mittlere Atemstromstärke, wenn noch 75 % (MEF 75, mean expiratory flow), 50 % (MEF 50) und 25 % (MEF 25) der Vitalkapazität in der Lunge sind
- Einsekundenkapazität (FEV1; engl.: Forced Expiratory Volume in 1 second; Forciertes Einsekunden-Volumen = Sekundenluft)
- Volumenparameter
- Vitalkapazität (VC) und forcierte Vitalkapazität (FVC); VC = IRV + AZV + ERV (= Lungenvolumen zwischen maximaler Einatmung (Inspiration) und maximaler Ausatmung (Exspiration)):
- Atemzugvolumen (AZV)
- inspiratorisches Reservevolumen (IRV), beschreibt das Lungenvolumen, das nach normaler Inspiration noch zusätzlich eingeatmet werden kann
- exspiratorisches Reservevolumen (ERV), beschreibt das Lungenvolumen, das nach normaler Exspiration noch ausgeatmet werden kann
- FEV 1 % (Quotient von FEV1 und FVC; Tiffeneau-Test, Normwert: > 70 %)
- Vitalkapazität (VC) und forcierte Vitalkapazität (FVC); VC = IRV + AZV + ERV (= Lungenvolumen zwischen maximaler Einatmung (Inspiration) und maximaler Ausatmung (Exspiration)):
Zu Beginn der Exspiration wird der PEF gemessen, gefolgt von MEF 75, 50 und 25.
Beachte bei der Messung: Eine valide Untersuchung setzt voraus, dass wenigstens drei qualitativ akzeptable Spirometriekurven gemessen werden können. Eine akzeptable Spirometriekurve liegt vor, wenn der maximale exspiratorische Spitzenfluss (unter Ausarbeitung) innerhalb von 120 Minuten erreicht wird, die Exspirationzeit (aus Atmungszeit) wenigstens 6 Sekunden dauert und die Exspiration (Ausatmung) erst beendet wird, wenn ein Plateau von wenigstens einer Sekunde Dauer endexspiratorisch erreicht wurde [1].
Mögliche Befunde der Spirometrie
Die Spirometrie ist entscheidend für die Erfassung verschiedener Lungenfunktionsstörungen. Basierend auf den gemessenen Werten können spezifische Erkrankungsmuster identifiziert werden:
Normale Lungenfunktion
- Die gemessenen Werte wie FEV1, FVC und der Tiffeneau-Index liegen innerhalb des normalen Bereichs.
Obstruktive Ventilationsstörungen
- Charakterisiert durch eine verminderte FEV1 und einen reduzierten Tiffeneau-Index (FEV1/FVC < 70 %).
- Häufig bei Erkrankungen wie Asthma bronchiale und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD).
Restriktive Ventilationsstörungen
- Erkennbar an einer reduzierten Vitalkapazität (VC und FVC < 80 % des Sollwerts), während FEV1/FVC oft normal oder erhöht ist.
- Typisch für Erkrankungen wie Lungenfibrose, Thoraxdeformitäten oder nach einer Lungenteilresektion.
Gemischte Ventilationsstörungen
- Kombination aus obstruktiven und restriktiven Mustern mit sowohl reduzierter Vitalkapazität als auch einem niedrigen Tiffeneau-Index.
Auswertung und Interpretation
- Eine sorgfältige Auswertung der Spirometriedaten im Kontext der klinischen Symptomatik und anderer diagnostischer Untersuchungen ist essentiell.
- Der Verlauf von Lungenfunktionstests kann wichtige Informationen über die Progression einer Erkrankung und die Wirksamkeit der Therapie liefern.
Klinische Relevanz
- Die Ergebnisse der Spirometrie ermöglichen eine präzise Diagnostik und sind grundlegend für die Einleitung und Anpassung der Therapie bei Atemwegserkrankungen.
- Regelmäßige Überprüfungen durch Spirometrie sind besonders wichtig für Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen, um den Krankheitsverlauf effektiv zu managen.
Spirometrische Unterscheidung zwischen obstruktiver und restriktiver Ventilationsstörung
Messgrößen |
obstruktive V. |
restriktive V. |
Vitalkapazität (VC) | normal bis ↓ | < 80 % des Sollwerts |
Forcierte Vitalkapazität (FVC) | normal | ↓ |
Absolute FEV1 | ↓ (< 80 %) | ↓ |
Tiffeneauwert | < 70 % | normal |
Interpretation der spirometrischen Messdaten
Spirometrische Variable |
Asthma |
COPD |
ACOS |
Normales FEV1/FVC, vor oder nach BD |
Kompatibel (vereinbar) mit der Diagnose |
Nicht kompatibel mit der Diagnose |
Nicht kompatibel, es sei denn, es gibt andere Hinweise einer Atemwegsobstruktion |
Nach BD FEV1/FVC < 0,7 |
Zeigt eine Atemwegsobstruktion an, die sich spontan oder nach Therapie verbessern kann | Erforderlich für die Diagnose (GOLD) |
Normalerweise vorhanden |
FEV1 ≥ 80 % des Sollwertes |
Kompatibel mit der Diagnose (gute Kontrolle des Asthmas oder Intervall zwischen den Symptomen) |
Kompatibel mit der GOLD Klassifikation der leichtgradigen Lungenfunktions-einschränkung (Kategorie A oder B) falls nach BD FEV1/FVC < 0,7 | Kompatibel mit der Diagnose einer leichten ACOS |
FEV1 < 80 % des Sollwertes |
Kompatibel mit der Diagnose. Risikofaktor für Exazerbationen (starker Krankheitsschub) des Asthma |
Indikator für schwere Atemwegsobstruktion und Risiko für zukünftige Ereignisse (z. B. Mortalität/Sterblichkeit und COPD-Exazerbationen) | Indikator für schwere Atemwegsobstruktion und Risiko für zukünftige Ereignisse (z. B. Mortalität und Exazerbationen) |
Nach BD Anstieg des FEV1 > 12 % und 200 ml von der Grundlinie (= reversible Lungenfunktions-einschränkung) | Normal gelegentlich im Verlauf des Asthmas, aber nicht vorhanden, wenn das Asthma gut eingestellt ist oder der Patient unter Controller-Therapie steht | Üblich und wahrscheinlicher, wenn FEV1 niedrig ist, aber ACOS sollte auch in Erwägung gezogen werden | Üblich und wahrscheinlicher, wenn FEV1 niedrig ist, aber ACOS sollte auch in Erwägung gezogen werden |
Nach BD Anstieg des FEV1 > 12 % und 400 ml von der Grundlinie (zeigt Reversibilität) | Hohe Wahrscheinlichkeit für Asthma | Selten bei COPD. ACOS ist in Erwägung zu ziehen. |
Kompatibel mit der Diagnose ACOS |
Legende
- Asthma bronchiale
- COPD (= chronisch obstruktive Lungenerkrankung)
- ACOS (Asthma-COPD Overlap Syndrome) liegt vor, wenn eindeutig typische Zeichen beider Krankheiten (Asthma + COPD) vorhanden sind, d. h. zum Beispiel, dass seit der Kindheit ein Asthma bekannt ist.
- BD (= Bronchodilatator/"Asthmaspray")
Das Residualvolumen (RV), das ist die Luftmenge, welche nach maximaler Ausatmung noch in der Lunge verbleibt und die totale Lungenkapazität (TLC) werden mittels Bodyplethysmographie (Synonym: Ganzkörperplethysmographie) bestimmt.
Die Spiroergometrie, auch Ergospirometrie genannt, ist eine Methode, bei der über die Messung der Atemgase, in Ruhe und unter Belastung, Aussagen über die Herz- und Lungenleistung möglich ist. Diese Methode misst kontinuierlich das Atemvolumen und den Anteil von CO2 (Kohlendioxid) und O2 (Sauerstoff) in der Atemluft.
Die Spirometrie ist eine ungefährliche und schmerzfreie Untersuchungsmethode, mit der sich frühzeitig Lungenerkrankungen erkennen lassen.
Die Frühdiagnostik hilft Risikopatienten spätere Komplikationen zu vermeiden – so bleiben Sie gesund und vital.
Literatur
- Hankinson JL, Odencrantz JR, Fedan KB: Spirometric reference values from a sample of the general U.S. population. Am J Respir Crit Care Med
1999 Jan;159(1):179-87. doi: 10.1164/ajrccm.159.1.9712108.
Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Spirometrie. (AWMF-Registernummer: 020 - 017), Mai 2015 Langfassung