Restharnbestimmung mittels Ultraschall
Bei der Restharnbestimmung mittels Ultraschall (Synonym: ultraschallgestützte Restharnbestimmung; sonographische Restharnbestimmung) handelt es sich um ein diagnostisches Verfahren der Urologie, welches bei Verdacht auf eine Harnretention (Harnverhaltung) in der Harnblase genutzt werden kann. Neben dem Einsatz als Routinemaßnahme bei einem Verdacht auf eine Harnverhaltung spielt das diagnostische Verfahren eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung einer postoperativ auftretenden Funktionsstörung der Harnentleerung, die beispielsweise bei operativen Eingriffen am Rektum auftreten kann.
Mithilfe der sonographischen Bildgebung kann eine Restharnsymptomatik verhältnismäßig präzise aufzeigt werden. Bei der Untersuchung wird ein Volumen deutlich unter 100 ml Urin als Grenzwert betrachtet. Bei einem positiven Befund müssen jedoch, bevor zusätzliche Maßnahmen durchgeführt werden, weitere Faktoren wie beispielsweise das Alter in das weitere Vorgehen einbezogen werden. Bei älteren Patienten liegt gegebenenfalls eine höhere Restharnmenge vor, die jedoch unter Umständen toleriert werden kann. Als Richtwert bei älteren Patienten liegt ein Restharnvolumen von bis zu 20 % der maximalen Blasenkapazität noch im akzeptierbaren Bereich. Dennoch muss auch bei älteren Patienten beachtet werden, dass ein erhöhtes Restharnvolumen (> 300 ml) in Kombination mit anderen Erkrankungen, wie Hypertonie (Bluthochdruck) oder Diabetes mellitus, ein signifikant erhöhtes Risiko für einen Harnwegsinfekt (HWI) darstellt.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Routinediagnostik – die Anwendung der sonographischen Restharnbestimmung sollte schon vor dem Seniorenalter in regelmäßigen Abständen erfolgen, da das Vorliegen von Restharn mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung assoziiert ist.
- benigne Prostatahyperplasie (BPH) – das Vorliegen einer benignen Prostatahyperplasie (gutartige Prostatavergrößerung) führt häufig zu einer Harnverhaltung, da der Übergangsbereich von der Harnblase zur Harnröhre massiv verengt wird.
- Diabetes mellitus – neben Verengungen im Urogenitaltrakt stellt auch der Diabetes mellitus eine Indikation dar, weil durch den Diabetes Nervenschädigungen auftreten können, die zu einer verminderten Entleerungsfähigkeit der Harnblase führen können.
Vor der Untersuchung
Vor der sonographischen Restharnbestimmung sind in der Regel keine umfangreichen Vorbereitungen erforderlich. Da das Verfahren auf der nicht-invasiven Bildgebung der Harnblase basiert, ist die größte Herausforderung oft, die optimale Füllung der Blase zu gewährleisten, um den Restharn präzise messen zu können. Patienten werden in der Regel angehalten, vor der Untersuchung ausreichend Flüssigkeit zu trinken und dann zu versuchen, die Blase vollständig zu entleeren. Der Grad der Blasenfüllung zum Zeitpunkt der Untersuchung kann variieren, sollte aber für eine aussagekräftige Messung ausreichend sein. Patienten sollten über den Ablauf der Untersuchung informiert werden, insbesondere darüber, dass sie möglicherweise mehrmals ihre Blase entleeren müssen, um genaue Messungen zu ermöglichen.
Das Verfahren
Mithilfe der zur Routinediagnostik gehörenden sonographischen Restharnbestimmung lassen sich ungefähr 90 % aller älteren Patienten so weit einordnen, dass ein primär konservativer Therapieversuch (ohne chirurgischen Eingriff) begonnen werden kann. Über die Routinediagnostik hinausgehende invasive Spezialuntersuchungen sind im Allgemeinen nicht notwendig und auch nicht angezeigt, da das Komplikationsrisiko weitaus höher als bei der Restharnbestimmung mittels Ultraschall einzuordnen ist.
- Aufgrund der Tatsache, dass die sonographische Restharnbestimmung mit keinerlei Komplikationen behaftet ist und bei nahezu jedem Patienten durchgeführt werden kann, stellt das Verfahren die Methode der Wahl zur nichtinvasiven Restharnbestimmung dar.
- Allerdings muss bei der sonographischen Restharnbestimmung beachtet werden, dass die Exaktheit der Messung variabel ist. In Abhängigkeit vom Füllungsvolumen der Harnblase, aber auch vom verwendeten Gerät und von der zur Berechnung des Volumens genutzten Formel variiert die Beurteilung des Restharnvolumens. Dieses ist von besonderer Bedeutung bei der Erstellung von Vergleichsmessung, beispielsweise bei Patienten mit einer chronischen Erkrankung.
- Als Resultat der vorhandenen Variablen sollen Vergleichsmessungen, sofern möglich von einem Arzt, mit einem Gerät durchgeführt werden. Falls zwischen der sonographisch bestimmten Restharnmenge und den klinischen Symptomen Diskrepanzen erkennbar werden, sollte eine zusätzliche Bestimmung der Restharnmenge mit Hilfe des Einmalkatheterismus bestimmt und vergleicht werden.
- Für die Routineuntersuchung ist jedoch die sonographische Bestimmung des Restharns nahezu optimal. Als Folge der unterschiedlichen Variablen hat sich die Festlegung absoluter Restharngrenzwerte im klinischen Alltag keineswegs ausgezeichnet. Auch die therapeutische Orientierung an nur einem Messwert ist nicht als zielführend bei der Nutzung des Verfahrens anzusehen, da auch bei einem Patienten selbst tageszeitabhängige Schwankungen der Messergebnisse feststellbar sind. In der Regel lässt sich am Morgen eine geringere Restharnmenge als abends bestimmen. Aufgrund dessen sind relative Restharnwerte im Verhältnis zur Blasenkapazität als sinnvoller zu betrachten. Außerdem sollten wiederholte Messungen zu unterschiedlichen Tageszeiten zur Beurteilung des Restharnvolumens einbezogen werden.
Methoden der sonographischen Restharnbestimmung
Transvaginale Sonographie
- Die Verwendung der transvaginalen Ultraschallmessung ermöglicht die präzise Restharnbestimmung. Zur Restharnbestimmung wird die Blase in der Sagittalebene (pfeilartig – beim senkrechten Blick auf die Sagittalebene sieht man eine seitliche Ansicht des Körpers) betrachtet.
- Zur Bestimmung des Blasenvolumens wird die Formel "Blasenvolumen in ml = 5,9 × H × D - 14,6" genutzt. "H" und "D" beschreiben in der Formel den maximalen Durchmesser in der Horizontalen und in der Tiefe.
Transabdominale Sonographie
- Bei der transabdominalen Sonographie handelt es sich in der Regel um die häufiger genutzte Methode zur Restharnbestimmung. Vor der Restharnbestimmung wird der Patient gebeten, zur Toilette gehen und, sofern möglich, eine vollständige Entleerung der Harnblase durchzuführen.
- Nach erfolgter Miktion ist es nun möglich, die Größe der Harnblase und gleichzeitig den gegebenenfalls vorliegenden Restharn sichtbar zu machen und des Weiteren zu quantifizieren. Allerdings ist eine Milliliter genaue sonographische Bestimmung des Restharns schwer realisierbar.
- Zur Berechnung wird die Formel "Blasenvolumen in ml = H × W × D × 0,7" beim Ultraschall verwendet. In dieser Formel beschreibt "H" den maximalen Durchmesser in der Horizontalen, "W" den der maximalen Weite und "D" den maximalen Durchmesser in der Tiefe.
- Von entscheidender Bedeutung für die Interpretation der Ergebnisse ist die Tatsache, dass die Messgenauigkeit bei Messvolumina unter 50 ml signifikant reduziert wird, sodass sich gegebenenfalls höhere Fehlerraten feststellen lassen.
Beachte: Die Korrelation zwischen Restharnmenge und einer Blasenauslassobstruktion (engl. Bladder outlet obstruction, BOO; Behinderung des Urinflusses am Übergang von Harnblase zur Urethra/Harnröhre) ist nur gering. Meistens wird der Restharn durch eine Detrusorunteraktivität (Unteraktivität des Harnblasenmuskels, der die Entleerung der Harnblase steuert) verursacht.
Interpretation der Befunde: Sonographische Restharnbestimmung
- Restharnvolumen: Die Messung erfolgt in Millilitern (ml).
- < 50 ml: Wird allgemein als normal angesehen.
- > 100 ml: Kann als klinisch signifikant erachtet werden und erfordert möglicherweise weitere Untersuchungen.
- Klinischer Kontext: Die Ergebnisse müssen stets im Zusammenhang mit den klinischen Symptomen des Patienten und vorhandenen medizinischen Zuständen interpretiert werden.
- Mögliche Ursachen für erhöhten Restharn:
- Obstruktive Uropathie: Verengungen im Bereich der Harnwege, die den Urinfluss behindern.
- Detrusor-Unteraktivität: Eine Schwäche des Blasenmuskels, die zu unvollständiger Entleerung führt.
- Weitere urologische Probleme: Unterschiedliche Erkrankungen, die eine unzureichende Entleerung der Blase verursachen können.
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