Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP)

Die Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP) (Synonym: MR-Cholangiopankreatikographie) ist ein nicht-invasives (nicht in den Körper eindringendes) bildgebendes Verfahren zur Darstellung der Gallen- und Pankreasgänge mittel Magnetresonanztomographie.

In der Magnetresonanztomographie (MRT) können Untersuchungsprotokolle speziell adaptiert werden, sodass Leber, Gallenwege und Pankreas verbessert dargestellt werden können und die Untersuchung folglich als MRCP bezeichnet wird. Die MRCP kann als Alternative oder in Kombination mit der endoskopisch retrograden Cholangiopankreatikographie (ERCP) durchgeführt werden, die bislang als Goldstandard für die Darstellung des Gallen- und Pankreasgangsystems galt.

Verschiedene Erkrankungen wie Anomalien (Fehlbildungen), Entzündungen oder Tumoren der Gallenwege können mithilfe der MRCP nicht-invasiv erfasst werden, sodass die ERCP als invasiver Eingriff den Patienten erspart werden kann. Sind hingegen Interventionen (hier: invasiver Eingriff) notwendig, kann auf eine ERCP nicht verzichtet werden. Postinterventionell kann die MRCP wiederum zur Erfassung der durch die ERCP möglicherweise verursachten Komplikationen von Nutzen sein.

Beurteilbare Strukturen

  • Gallengangsystem inklusive Choledocholithiasis (Vorhandensein von Konkrementen (Steinen) im Ductus choledochus/Teil der extrahepatischen Gallenwege.) und Cholezystolithiasis (Vorhandensein von Konkrementen in der Gallenblase)
  • Primär sklerosierende Cholangitis (PSC): chronische cholestatische Lebererkrankung mit progredienter Destruktion der Gallenwege 
  • Gallengangstenosen, Gallenblasenpolypen und -karzinome
  • Gallengangskarzinom (Gallengangkrebs) und Klatskin-Tumor (s. u.)
  • Anatomische Besonderheiten und postoperative Veränderungen
  • Pankreasgänge (Bauchspeicheldrüsengänge) bei Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung), Pankreasgangsteinen und Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs)

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Gallengangsystem

  • Nachweis bzw. Ausschluss einer Choledocholithiasis (Gallengangsteine) bzw. Cholezystolithiasis (Gallenblasensteine): Gallensteine kommen in der Bevölkerung sehr häufig vor (Frauen ca. 15 %, Männer ca. 7,5 %) und bestehen zu ca. 80 % aus unlöslichem Cholesterin und zu ca. 20 % aus Bilirubin (Gallenfarbstoff, der aus dem Blutabbau entsteht). Beide Steinarten sind im konventionellen Röntgenbild nicht schattengebend, sodass auf andere diagnostische Methoden zurückgegriffen werden müssen. In der MRCP werden solche Konkremente als Aussparungen im ansonsten mit Gallenflüssigkeit gefüllten Gallengang oder -blase sichtbar.
  • Nachweis bzw. Ausschluss einer Primär Sklerosierenden Cholangitis (PSC) – seltene, chronisch verlaufende Entzündung der intra- und extrahepatischen Gallengänge 
  • Abklärung von benignen (gutartigen) oder malignen (bösartigen) Gallengangstenosen:
    • Gallenblasenpolypen: Zu 95 % Cholesterinablagerungen in der Mukosa (Schleimhaut) oder Adenome (gutartige Schleimhautgeschwülste), die bei größenprogredientem Verlauf (Verlauf mit Größenzunahme) aufgrund der karzinomatösen Entartungsgefahr entfernt werden müssen.
    • Gallenblasenkarzinom: Können bei Älteren meist als Folge einer Cholelithiasis oder chronischen Cholezystitis (Gallenblasenentzündung) auftreten, zeigen meist keine Frühsymptome und haben daher aufgrund der späten Diagnose eine eher ungünstige Prognose. 
    • Gallengangskarzinom (Gallengangskrebs): Auch als cholangiozelluläres Karzinom (CCC) bezeichnet mit Choledochuszysten, Choledochussteinen, primär sklerosierender Cholangitis (PSC, chronische Gallenwegsentzündung) sowie parasitären Erkrankungen der Gallenwege als Risikofaktoren.
    • Klatskin-Tumor: Sonderform der Gallengangkarzinome mit Lokalisation an der Hepatikusgabel (Gabelung der Gallengänge, die durch die Vereinigung von Ductus hepaticus dexter und sinister zum Ductus hepaticus communis entsteht).
  • Nachweis bzw. Abklärung anatomischer Besonderheiten: Gallengangsfehlbildungen oder postoperative Veränderungen wie z. B. biliodigestive Anastomosen (künstlich hergestellte Verbindung zwischen Gallengang/-blase und Magen-Darm-Trakt) können in der MRCP nachgewiesen und kontrolliert werden.
  • Erfassung von Normvarianten der Gallengangverläufe z. B. vor Leberteilresektion (Entfernung von Teilen der Leber) bzw. Lebertransplantation (LTx).

Pankreas (Bauchspeicheldrüse)

  • Darstellung der Pankreasgänge zur Feststellung von Kaliberunregelmäßigkeiten bzw. Gangabbrüchen durch z. B.:
    • Pankreatitis (Entzündung der Bauchspeicheldrüse): Im Gegensatz zu einer ERCP kann die MRCP auch bei akuter Pankreatitis durchgeführt werden.
    • Pankreasgangsteine: Meist als Folge einer chronischen Pankreatitis, als kurzstreckige Stenosierung (Verengung) der Pankreasgänge sichtbar.
    • Pankreaskarzinom: Meist von den Pankreasgängen ausgehend und daher mit einer der MRCP erfassbar.
    • Papillenkarzinom: Seltener maligner (bösartiger) Tumor direkt an der Mündung des Gallengangs in den Dünndarm.
  • Nachweis von angeborenen Pankreasfehlbildungen (z. B. Pancreas divisum, Pancreas anulare).

Die MRT wird heutzutage meist als "One stop-shop"-MRT in einer Kombination von MRT, MRCP und MR-Angiographie durchgeführt, wodurch die größte Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Tests erkannt wird, d. h. ein positives Testresultat auftritt) und Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, durch das Verfahren auch als gesund erkannt werden) erreicht werden. Als ein schnelles, exaktes und insbesondere nicht-invasives Verfahren sollte es immer als Alternative zur ERCP in Erwägung gezogen werden. Des Weiteren kann eine MRCP als vorangehende Untersuchung zur Planung und Durchführung einer ERCP indiziert sein, um z. B. die Komplikationsrate (Pankreatitis, Perforationen etc.) der ERCP zu senken.

Vorteile der MRCP gegenüber einer ERCP:

  • Fehlende Invasivität (Eindringen in den Körper)
  • Geringe Untersucherabhängigkeit
  • Möglichkeit der vollständigen Darstellung der Gangsysteme, d. h. vor und nach einer Obstruktion (Verlegung)
  • Keine erforderliche Sedierung (medikamentöse Beruhigung) der Patienten
  • Keine Kontrastmittelapplikation
  • Geringe Komplikationsrate

Vorteile der ERCP gegenüber einer MRCP:

  • Kombination des diagnostischen Eingriffs mit einer Intervention möglich: z. B. Stent-Anlage oder gleichzeitige Biopsieentnahme (Entnahme einer Gewebeprobe), sodass sofort zwischen benignen oder malignen Stenosen differenziert werden kann. 
  • Geringgradige Stenosen  mit fehlender poststenotischer Dilatation (Erweiterung) oder Stenosen der peripheren Gallenwege können in der ERCP genauer nachgewiesen werden, da das Kontrastmittel mit Druck in die Gallengänge injiziert wird und diese dadurch erweitert dargestellt werden. Bei sehr kleinen Steinen ist die MRCP in ihrer Genauigkeit noch eingeschränkt.
  • Auch bei bestehender Kontraindikation für eine MRT durchführbar.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Für eine MRCP gelten die üblichen Kontraindikationen wie für jede MRT-Untersuchung:

  • Herzschrittmacher (mit Ausnahmen)
  • Mechanische künstliche Herzklappen (mit Ausnahmen)
  • ICD (implantierter Defibrillator)
  • Metallische Fremdkörper in gefährlicher Lokalisation (z. B. in direkter Nähe zu Gefäßen oder Augapfel)
  • Andere Implantate wie: Cochlear-/Okularimplantat, implantierte Infusionspumpen, Gefäßclips, Swan-Ganz-Katheter, epikardiale Drähte, Neurostimulatoren etc.

Bei hochgradiger Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) und bestehender Schwangerschaft sollte auf eine Kontrastmittelgabe verzichtet werden.

Vor der Untersuchung

Die Patienten sollten vor der Untersuchung mindestens 4 Stunden nüchtern sein.

Patientenvorbereitung

  • Entfernung aller metallischen Gegenstände
  • Bequeme Kleidung ohne Metallteile tragen
  • Überprüfung der MRT-Tauglichkeit von medizinischen Implantaten

Medizinische und gesundheitliche Vorbereitung

  • Fortführung der regulären Medikation, es sei denn, es gibt spezifische Anweisungen
  • Überprüfung der Nierenfunktion bei geplanter Verwendung von gadoliniumhaltigem Kontrastmittel
  • Berücksichtigung einer möglichen Schwangerschaft

Aufklärungsgespräch und Einwilligung

  • Erläuterung des Verfahrens, inklusive Dauer und Kontrastmittelgebrauch
  • Besprechung möglicher Risiken und Nebenwirkungen
  • Einholung der schriftlichen Einwilligung

Weitere Hinweise

Flüssigkeitsgefüllte Dünndarmabschnitte können bei starkem Flüssigkeitsgehalt die Gallen- und Pankreasgänge ggf. überlagern. Es kann sinnvoll sein, den Patienten vor der Untersuchung negative Kontrastmittel (z. B. Lumirem® oder Heidelbeersaft) oral zu verabreichen, um das Darmsignal auszulöschen.

Zur verbesserten Darstellung der Pankreasgänge kann das Pankreas durch Sekretingabe stimuliert werden, wodurch eine erhöhte Produktion an Sekret resultiert und nativ nicht abgrenzbare Gänge sichtbar werden. Das Sekretin wird heutzutage nur selten eingesetzt, da es mit einem hohen Kostenaufwand verbunden und bei Kindern bislang nicht zugelassen ist.

Das Verfahren

Prinzip der Magnetresonanztomographie

Die MRT beruht auf der Kernspinresonanz von Protonen, insbesondere der Wasserstoffprotonen, die in hoher Konzentration im menschlichen Körper vorhanden sind. Wenn der Patient in das starke Magnetfeld des MRT-Gerätes gelangt, richten sich die Protonen entlang des Magnetfeldes aus. Durch gezielte Radiowellenimpulse werden diese Protonen aus ihrer Ausrichtung gebracht. Wenn die Radiowellenimpulse enden, kehren die Protonen in ihre ursprüngliche Ausrichtung zurück und senden dabei Radiowellen aus. Diese Signale werden von Spulen, die um den Körper des Patienten angeordnet sind, aufgefangen und an einen Computer weitergeleitet. Der Computer verarbeitet die Signale zu detaillierten Schnittbildern des untersuchten Körperabschnitts.

Bildgebung und Gewebedifferenzierung

Die erzeugten MRT-Bilder zeigen Unterschiede in den Grautönen, die auf der Verteilung und Dichte der Wasserstoffprotonen im Gewebe basieren. Verschiedene Gewebearten, wie Muskeln, Fettgewebe und Organe, erscheinen aufgrund ihrer unterschiedlichen Wasserstoffkonzentrationen in verschiedenen Graustufen.

Es gibt verschiedene Aufnahmesequenzen, die in der MRT verwendet werden, um unterschiedliche Gewebecharakteristika hervorzuheben. Zu den häufigsten Sequenzen gehören die T1- und T2-gewichteten Sequenzen. T1-gewichtete Bilder bieten eine gute Darstellung der anatomischen Struktur, während T2-gewichtete Bilder Flüssigkeiten und entzündliche Prozesse besser sichtbar machen.

Kontrastmittel und Untersuchungstechnik

Zur weiteren Verbesserung der Gewebedifferenzierung kann ein Kontrastmittel verabreicht werden. Meist handelt es sich um gadoliniumhaltige Kontrastmittel, die sich in bestimmten Geweben unterschiedlich anreichern und somit pathologische Prozesse wie Tumoren, Entzündungen oder Gefäßanomalien besser sichtbar machen.

Die MRT-Untersuchung erfolgt im Liegen und dauert in der Regel etwa 30 Minuten. Der Patient wird auf einer Liege in das MRT-Gerät geschoben, das einen röhrenförmigen Magneten darstellt. Während der Untersuchung herrscht ein starkes Magnetfeld, und das Gerät erzeugt laute Klopfgeräusche. Um den Lärm zu reduzieren, erhalten Patienten meistens Kopfhörer oder Ohrstöpsel. Moderne Geräte bieten manchmal auch Musik oder beruhigende Klänge an, um den Komfort während der Untersuchung zu erhöhen.

MRCP

Für die MRCP wurden Untersuchungsprotokolle entwickelt, die technisch unterschiedliche Sequenzen enthalten. Es existieren verschiedene T2-gewichtete Sequenzen (z. B. T2 RARE, T2 HASTE, T2 3D)  sowie ergänzend T1-gewichtete Serien nativ und ggf. mit KM-Gabe. Es sollten Bilder sowohl in axialer als auch in koronarer Schichtführung akquiriert werden.

Das Prinzip der Darstellung der Gallen- und Pankreasgänge beruht auf einer sehr starken T2-Wichtung, die flüssigkeitsgefüllte Räume mit nur einer geringen Flussgeschwindigkeit (z. B. Gallen- und Pankreassekret) hyperintens (signalreich) darstellt. Die umliegenden Weichteilstrukturen verfügen über eine kürzere T2-Zeit und sind dadurch signalärmer, sodass ein deutlicher Kontrast erreicht wird. Eine Kontrastmittelgabe ist daher nur selten erforderlich.

Falls jedoch ein Kontrastmittel verwendet wird, handelt es sich um ein leberspezifisches, das eine biliäre Exkretion (Ausscheidung über die Gallengänge) aufweist (z. B. Primovist®).

Sämtliche Untersuchungen werden zur Vermeidung von Atemartefakten mithilfe einer Atemtriggerung oder Atemanhaltetechnik durchgeführt.

Mögliche Befunde

Gallengangsystem

  • Choledocholithiasis und Cholezystolithiasis: Nachweis von Gallengang- und Gallenblasensteinen als Aussparungen im Kontrastmittel-gefüllten Gallengang oder in der Gallenblase.
  • Primär sklerosierende Cholangitis (PSC): Chronische Entzündung der Gallengänge, erkennbar an Gangunregelmäßigkeiten und -stenosen.
  • Gallengangstenosen: Differenzierung zwischen benignen und malignen Ursachen, wie Gallenblasenpolypen und -karzinom oder Gallengangkarzinom (CCC), inklusive Klatskin-Tumoren.
  • Anatomische Besonderheiten und postoperative Veränderungen: Darstellung von Fehlbildungen oder Zuständen nach chirurgischen Eingriffen an den Gallenwegen.

Pankreas (Bauchspeicheldrüse)

  • Pankreatitis: Identifizierung von Entzündungen und deren Schweregrad, einschließlich Veränderungen der Pankreasgänge.
  • Pankreasgangsteine: Nachweis von Konkrementen als Ursache oder Folge einer chronischen Pankreatitis.
  • Pankreaskarzinom: Erkennung von Tumoren, meist ausgehend von den Pankreasgängen sowie Beurteilung der Ausbreitung.
  • Angeborene Pankreasfehlbildungen: Darstellung und Beurteilung von Anomalien wie Pancreas divisum oder Pancreas anulare.

Mögliche Komplikationen

Ferromagnetische Metallkörper (auch metallisches Make-up oder Tätowierungen) können zur lokalen Wärmeentwicklung führen und möglicherweise Parästhesie-ähnliche Empfindungen (Kribbeln) auslösen.

Durch eine Kontrastmittelgabe können allergische Reaktionen (bis zum lebensbedrohlichen, jedoch nur sehr seltenen anaphylaktischen Schock) auftreten. Die Gabe eines Gadolinium-haltigen Kontrastmittels kann außerdem in seltenen Fällen eine nephrogene systemische Fibrose auslösen.

Literatur

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  2. Diehl SJ, Lehmann KJ, Gaa J, Meier-Willersen HJ, Wendl K, Georgi M: Wertigkeit von Magnetresonanztomographie (MRT), Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP) und endoskopischer retrograder Cholangiopankreatikographie (ERCP) bei der Diagnose von Pankreastumoren. Fortschr Röntgenstr 170 (1999) 463-469
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