Nierenfunktionsszintigraphie
Bei der Nierenfunktionsszintigraphie (Synonym: Nierensequenz (Funktions)-Szintigraphie) handelt es sich um ein diagnostisches Verfahren der Nuklearmedizin.
Die Nierenfunktionsszintigraphie ist von hoher Wertigkeit für die nuklearmedizinische Diagnostik der Niere, da mit Hilfe dieses Verfahrens die Funktion beider Nieren einzeln oder kombiniert evaluiert (untersucht) werden kann. Die Nierensequenz (Funktions)-Szintigraphie ermöglicht dabei die Abschätzung der renalen Durchblutung (Gefäßphase), die Darstellung von funktionsfähigem Nierenparenchym (Parenchymphase/Nierengewebephase), stellt die Ausscheidungsphase (Ausscheidung des Radiopharmakons aus dem Nierenparenchym über die Nierenbecken und Ureteren/Harnleiter in die Blase) dar und ermöglicht zudem die Feststellung, ob radioaktiver Urin aus der Blase in die Niere zurückfließt (vesikorenaler Reflux).
Beurteilbare Strukturen
- Renale Durchblutung (Gefäßphase): Bewertung der Blutversorgung der Nieren, die für die Filtrationsleistung entscheidend ist.
- Funktionsfähiges Nierenparenchym (Parenchymphase): Darstellung der aktiven Nierengewebe, welche für die Filterung und Ausscheidung zuständig sind.
- Ausscheidungsphase: Überprüfung der Effizienz, mit der die Nieren Urin produzieren und über die Harnwege ausscheiden.
- Vesikorenaler Reflux: Feststellung eines möglichen Rückflusses von Urin aus der Blase zurück in die Nieren, was auf eine Funktionsstörung hinweisen kann.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Seitengetrennte Funktionsbeurteilung der Nieren – die Nierenfunktionsszintigraphie wird durchgeführt bei: Abflussstörungen, postoperativen Verlaufskontrollen und Verdacht auf vesikorenalen Reflux (Feststellung, ob radioaktiver Urin aus der Blase in die Niere zurückfließt
- Nephrolithiasis (Nierensteinleiden) – bei diesem häufig einseitig betonten pathologischen (krankhaften) Befund stellt die Nierenfunktionsszintigraphie ein wichtiges diagnostisches Verfahren dar, weil unter Anwendung dieser Methode eine optimale seitengetrennte Nierenfunktionsbestimmung erfolgen kann.
- Nierentumoren – analog zur Nephrolithiasis ist auch bei einem Nierentumor unabhängig von der Entstehung eine seitengetrennte Abklärung der Funktion notwendig und möglich.
- Doppelniere – bei einer vorliegenden Doppelniere ist die Funktionsbeurteilung der vorliegenden Teilfunktion von großer diagnostischer Bedeutung.
- Hypertonie – bei einem Verdacht auf eine renal bedingte Hypertonie (nierenbedingter Bluthochdruck) ist die Nierenfunktionsszintigraphie bei der Diagnostik unverzichtbar.
- Nierentransplantat – die Beurteilung der Funktion einer Transplantniere ist durch eine Nierenfunktionsszintigraphie möglich. Des Weiteren wird das Verfahren auch bei Verlaufskontrollen nach erfolgter Transplantation genutzt.
- Nierenembolie – bei Verdacht auf eine Nierenembolie sollte das Verfahren als Teil der Notfalldiagnostik eingesetzt werden.
- Traumatisch bedingter Funktionsverlust der Niere – zum Ausschluss eines möglichen Nierentraumas sollte das Verfahren im Rahmen der Notfalldiagnostik eingesetzt werden.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Relative Kontraindikationen
- Laktationsphase (Stillphase) – Mütter sollten das Stillen für 48 Stunden unterbrechen, um eine Gefährdung des Kindes zu vermeiden.
- Wiederholungsuntersuchung – innerhalb von drei Monaten sollte aufgrund der Strahlenbelastung keine Wiederholung einer Szintigraphie durchgeführt werden.
Absolute Kontraindikationen
- Gravidität (Schwangerschaft)
Vor der Untersuchung
- Medikamentenanamnese – aufgrund einer Beeinflussung der Nierenfunktionsmessung muss bekannt sein, ob vom Patienten ACE-Hemmer eingenommen werden. Die Nierenfunktionsszintigraphie wird neben der nativen Form auch mit einem ACE-Hemmer durchgeführt, sodass bei einer unbekannten Einnahme der Medikamente die Messung nicht aussagekräftig wäre.
- Basisdiagnostik – die Nierenfunktionsszintigraphie stellt ein wichtiges diagnostisches Verfahren dar, welches im Regelfall in Kombination mit zusätzlichen Verfahren kombiniert wird. Zuvor werden im Regelfall unter anderem Laborwerte (Kreatinin-Clearance) bestimmt und diagnostische Maßnahmen wie eine Nierensonographie durchgeführt werden.
- Hydrierung – vor der Untersuchung ist die Gewährleistung einer ausreichenden Hydrierung (ausreichendes Trinken von Wasser) von entscheidender Bedeutung für die Durchführung des Verfahrens.
- Applikation des Radiopharmakons – über einen zuvor gelegten venösen Zugang wird in der Regel 99mTc-Mercapto-acetyltriglycin als radioaktives Pharmakon verabreicht. Neben dieser Substanz kann die Darstellung der Nierenfunktion auch mittels Iod-123-Hippuran oder 99mTc-Diethylen-triamin-pentaessigsäure erfolgen.
Das Verfahren
Mithilfe der szintigraphischen Beurteilung der Nierenfunktion können pathologische (krankhafte) Prozesse durch eine Nuklidretention angezeigt werden. Insbesondere das in den Nieren tubulär extrahierte Radiopharmakon 99mTc-Mercapto-acetyltriglycin macht das Verfahren aufgrund der guten Bildqualität bei einer gleichzeitig geringen Strahlenbelastung zu einer wertvollen diagnostischen Untersuchungsmethode. Als tubulär sezerniertes Radiopharmakon bildet es den effektiven renalen Plasmafluss (stellt die Blutmenge dar, die während der ersten Passage von den Nephronen geklärt wird) ab.
Um optimale Untersuchungsergebnisse zu erzielen ist es notwendig, dass die Nierenfunktionsszintigraphie direkt nach der intravenösen Gabe des Radiopharmakons erfolgt. Die Nierensequenz (Funktions)-Szintigraphie ermöglicht dabei:
- die Abschätzung der renalen Durchblutung (Gefäßphase)
- die Darstellung von funktionsfähigem Nierenparenchym (Parenchymphase/Nierengewebephase); stellt die Ausscheidung des Radiopharmakons dar aus dem Nierenparenchym über die Nierenbecken und Ureteren/Harnleiter in die Blase dar
- ob radioaktiver Urin aus der Blase in die Niere zurückfließt (vesikorenaler Reflux).
Um nach Ausführung der Szintigraphie die Strahlenexposition zu minimieren, sollte der Patient nach der Untersuchung seine Blase entleeren.
Mögliche Befunde
- Normale Funktion: Gleichmäßige und zeitgerechte Anreicherung und Ausscheidung des Tracers ohne Anzeichen von Abflussbehinderungen oder Reflux.
- Abflussstörungen: Verzögerte oder ungleichmäßige Ausscheidung des Radiopharmakons, was auf Obstruktionen (Verschlüsse) oder andere funktionelle Beeinträchtigungen hinweisen kann.
- Hinweise auf Nierenerkrankungen: Abnormale Anreicherungen oder fehlende Aktivität in Bereichen, die auf Erkrankungen wie Nierentumoren, Zysten oder entzündliche Prozesse hindeuten könnten.
- Vesikorenaler Reflux: Nachweis von Radiopharmakon im Nierenbecken nach der Ausscheidungsphase, was auf einen Rückfluss hindeutet.
Nach der Untersuchung
- Ergebnisbesprechung: Diskussion der Szintigraphieergebnisse mit dem Patienten zur Planung weiterer diagnostischer oder therapeutischer Schritte.
- Verhaltensempfehlungen: Anweisungen zur Minimierung der Strahlenexposition nach der Untersuchung, z. B. durch erhöhte Flüssigkeitsaufnahme zur Beschleunigung der Tracerausscheidung.
- Follow-Up: Planung von weiterführenden Untersuchungen oder Behandlungen basierend auf den Szintigraphieergebnissen.
Mögliche Komplikationen
- Bei der intravenösen Applikation des Radiopharmakons kann es zu lokalen Gefäß- und Nervenläsionen (Verletzungen) kommen.
- Die Strahlenbelastung durch das verwendete Radionuklid ist eher, als gering einzustufen. Trotzdem ist das theoretische Risiko eines strahleninduzierten Spätmalignoms (Leukämie oder Karzinom) erhöht, sodass eine Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte.
- Ein erhöhtes Komplikationsrisiko liegt bei einer kombinierten Szintigraphie mit einem ACE-Hemmer oder einem Diuretikum (Arzneimittel, das zur Ausschwemmung von Wasser aus dem menschlichen Körper eingesetzt wird) vor.
Literatur
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