Digitale Volumentomographie (DVT) in der Orthopädie
Bei der digitalen Volumentomographie (DVT; engl. Cone Beam Computed Tomography, Cone-Beam-CT, CBCT) in der Orthopädie handelt es sich um ein radiologisches bildgebendes Verfahren, das Knochen und Gelenke dreidimensional darstellt und dadurch einen bedeutenden Beitrag zur präoperativen und posttraumatischen Diagnostik leisten kann.
Das Verfahren erlaubt aufgrund des hohen Kontrastes zu Luft und Weichgeweben eine hervorragende Darstellung knöcherner Strukturen.
Die DVT hat 1998 Einzug in die Zahnmedizin gehalten und weist im Vergleich zu anderen Verfahren der Röntgentechnik bestimmte Vorteile auf. So kann sie die knöchernen Strukturen des Gesichtsschädels noch umfassender darstellen als die üblichen Pantomogramme (Panoramaschichtaufnahmen, Orthopantomogramme, Röntgenübersichtsaufnahmen der Kiefer).
Nach dem Einzug der DVT in die Zahnmedizin hat das Verfahren auch Eingang in die HNO-Diagnostik und orthopädischen Diagnostik gefunden.
In der orthopädischen Diagnostik wird die DVT zur Darstellung von Knochengewebe und Gelenken verwendet. Im Wesentlichen ist das DVT eine Variante der Computertomographie (CT) bei höherer Auflösung von knöchernen Geweben im DVT.
Beurteilbare Strukturen
Die DVT ist besonders wertvoll für die Darstellung von:
- Knochengewebe und Gelenkstrukturen, einschließlich feiner knöcherner Details, die in konventionellen Röntgenaufnahmen nicht sichtbar sind.
- Extremitäten und Gelenke, wie Hand-, Fuß-, Ellenbogen-, Knie- und Sprunggelenke, unter Berücksichtigung ihrer komplexen Anatomie.
- Feine Haarrisse und Früharthritiden, die dank der hohen Auflösung frühzeitig erkannt werden können.
- Gelenkinnenräume durch Kontrastmitteldarstellungen für dreidimensionale Arthrographien (Gelenkdarstellungen), was neue Möglichkeiten in der Diagnostik von Gelenkerkrankungen eröffnet.
- Funktionelle Aspekte der Gelenke und Extremitäten, einschließlich der Analyse unter Belastung, die für die Beurteilung von Fuß- und Sprunggelenkbeschwerden von Bedeutung sind.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Die diagnostischen Fragestellungen, welche die Anfertigung einer DVT rechtfertigen, sind breit gefächert. Das Verfahren ist prinzipiell immer dann indiziert, wenn eine dreidimensionale Darstellung einer Struktur für die weitere Therapie von Bedeutung ist, also eine umfassende Ausgangsdiagnostik sinnvoll erscheint, beispielsweise:
- Darstellung von Knochengewebe: Extremitäten und Gelenke (z. B. Hand-, Fuß- und Sprunggelenk)
- Posttraumatische Beurteilung (nach Unfall) von Verletzungen an Händen, Füßen, Ellenbogen-, Knie- oder Sprunggelenken
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Aufgrund der strahlenbiologischen Wirkung von Röntgenstrahlen im Gewebe ergeben sich folgende Kontraindikationen:
- Gravidität (Schwangerschaft), es sei denn bei vitaler Bedrohung
- Patienten mit Implantaten oder anderen Metallteilen im Untersuchungsbereich, die zu Artefakten führen und die Bildqualität beeinträchtigen könnten
- Patienten, die nicht stillhalten können, da Bewegungen die Bildqualität erheblich verschlechtern.
Vor der Untersuchung
Da es sich bei der DVT um ein radiologisches Verfahren handelt, müssen entsprechende Vorkehrungen zum Schutz des Patienten und des Behandlerteams vor Röntgenstrahlung getroffen werden:
- Befragung von Frauen im gebärfähigen Alter nach einer möglichen Schwangerschaft
- Erfragen kürzlich angefertigter Röntgenaufnahmen
- Schutz der nicht abzubildenden Körperteile durch eine Bleischürze oder ein Bleischild
- Korrekte Einstelltechnik am Patienten und aller technischen Parameter, um Wiederholungsaufnahmen zu vermeiden..
Das Verfahren
Bei der Digitalen Volumentomographie handelt sich wie bei der Computertomographie (CT) um eine Schichtaufnahmetechnik, die es ermöglicht, eine dreidimensionale Rekonstruktion am Computer zu erstellen.
Das Verfahren wird im Rahmen der orthopädischen Diagnostik am stehenden und sitzenden Patienten angewendet. Die Körperregion wird in das Gerät vorgeschoben, die untersucht werden soll. Bei Schnittbildaufnahmen an Fuß und Sprunggelenk erfolgt die Diagnostik am stehenden Patienten, wie beim Röntgen. Dieses führt dazu, dass das gesamte Körpergewicht auf den zu untersuchenden Gelenken lastet. Im Ergebnis sind damit detaillierte 3-D Bilder einer Belastungssituation der Gelenke möglich.
Zur Aufnahme wird die zu untersuchende Region des Patienten im sogenannten Isozentrum eingestellt. Eine Röntgenröhre und ein ihr gegenüber positionierter flächiger Bilddetektor drehen sich synchron 360° um den Patientenkopf. Aus den während eines einzigen Umlaufs entstehenden 360 (bis 400) Einzelaufnahmen wird ein 3D-Objekt computergestützt virtuell rekonstruiert. Dabei wird eine bis zu 4-fach höhere Bildauflösung als bei herkömmlichen CT-Geräten erreicht. So können ultrahochauflösende Aufnahmen von Hartgewebsstrukturen mit einer Voxelgröße (entspricht einem Pixel in einem 2D-Bild) von bis zu 75 μm angefertigt werden. Dieses ermöglicht, dass selbst feinste Haarrisse in den Extremitäten oder eine Früharthritis (Gelenkentzündung) erkannt werden können.
Anders als die herkömmliche CT, die mit einem fächerförmigen Strahl arbeitet und dünne Einzelschichten des Körpers erfasst, ist das Strahlenbündel des DVT kegelförmig, wodurch sich das englische Synonym des Cone-Beam-CT (CBCT) erklärt. Der Strahlenkegel erfasst das Volumen der zu untersuchenden Hartgewebsstrukturen dreidimensional. Daraus ergibt sich ein sogenanntes Field of View (FOV; Ausschnitt, den das Gerät maximal darstellen kann), das meist zylindrisch geformt ist und 4 cm x 4 cm bis 19 cm x 24 cm misst.
Im Rahmen der Untersuchung findet nur ein einziger Umlauf der Strahlen statt, die in Kegelform den kompletten zu untersuchenden Bereich erfassen. Die Strahlung wird vom Gewebe reflektiert, ein Detektor (CCD-Detektor) misst die reflektierte Strahlung und wandelt sie in Bilder um.
Die neueste Generation der DVT-Geräte hat zusätzlich eine Hounsfield-Kalibrierung. Hierbei werden die Werte unterschiedlicher Röntgen-Dichte in standardisierte Hounsfield-Einheiten (hounsfield units=HU) umgerechnet.
Hinweis: In der Hounsfield-Skala wird die Abschwächung von Röntgenstrahlung in Gewebe beschrieben und in Graustufenbildern dargestellt. Die Werte können so Gewebearten zugeordnet und pathologische Abweichungen erkannt werden.
Die Bildrekonstruktion durch den Rechner ermöglicht die Betrachtung jeder beliebigen Schicht aus fast jeder beliebigen Richtung sowie des dreidimensionalen Objekts.
Die DVT-Technologie erlaubt in Verbindung mit einer Kontrastmitteldarstellung auch die Darstellung des Gelenkinnenraumes (dreidimensionale Arthrographien).
Des Weiteren ermöglicht das Verfahren auch eine funktionelle Diagnostik, d. h. funktionelle Röntgenuntersuchung und Podometrie (Fußdruckmessung).
Strahlenbelastung
In der orthopädischen Diagnostik führt die DVT-Diagnostik zu einer Strahlenbelastung in der Größenordnung von 50 % und weniger einer normalen CT-Untersuchung.
Mögliche Befunde
Zu den möglichen Befunden, die mit der DVT identifiziert werden können, gehören:
- Knochenbrüche, einschließlich solcher, die in konventionellen Röntgenbildern nicht erkennbar sind.
- Degenerative Veränderungen an Gelenken, wie Arthrosen, einschließlich früher Stadien.
- Entzündliche Veränderungen, wie sie bei Arthritis (Gelenksentzündungen) auftreten.
- Tumoren und andere Raumforderungen innerhalb des Knochens oder der Weichteile.
- Postoperative Bewertungen, einschließlich der Position von Implantaten und der Heilung von Knochen.
Nach der Untersuchung
Nach der Durchführung der DVT:
- Sollten die Ergebnisse umgehend auf ihre Qualität hin überprüft werden, um gegebenenfalls notwendige Wiederholungsaufnahmen noch während des gleichen Termins durchführen zu können.
- Ist eine detaillierte Auswertung durch einen erfahrenen Radiologen oder Orthopäden erforderlich, um die bestmögliche diagnostische Information aus den hochauflösenden Bildern zu extrahieren.
- Muss ein ausführlicher Befundbericht erstellt werden, der die relevanten diagnostischen Informationen zusammenfasst und, wenn möglich, Empfehlungen für die weitere Behandlung enthält.
Mögliche Komplikationen
Mögliche Komplikationen ergeben sich aus Verfahrensfehlern wie z. B. der fehlerhaften Positionierung des Patienten, falscher Einstellung der Belichtungsparameter oder auch Rechnerstörungen u.a. Sie würden zu Wiederholungsaufnahmen und somit zu erhöhter Strahlenexposition für den Patienten führen.