Schilling-Test
Beim Schilling-Test (Synonym: Urinexkretionstest nach Schilling) handelt es sich um ein diagnostisches Verfahren der Nuklearmedizin, welches zur Bestimmung der Aufnahme von Vitamin B12 eingesetzt werden kann. Mithilfe des Schilling-Tests besteht die Möglichkeit, anhand des Ergebnisses Rückschlüsse auf die Ursache für einen vorliegenden Vitamin-B12-Mangel ziehen zu können. Der Schilling-Test kann sowohl mit Zugabe des Intrinsic Factors (in Belegzellen des Magens gebildeter Faktor, der die Vitamin-B12-Aufnahme im Dünndarm ermöglicht) erfolgen als auch ohne Zugabe des Faktors. Anhand der Testergebnisse ohne und mit Zugabe des Intrinsic Factors kann eine Resorptionsstörung durch einen Mangel oder Funktionsverlust des Intrinsic Factors von einer Erkrankung des terminalen Ileums (Dünndarmanteil − Resorptionsort des Vitamins B12) abgegrenzt werden.
Zielsetzung des Schilling-Tests
Die Hauptzielsetzung des Schilling-Tests ist die Untersuchung und Bewertung der Vitamin-B12-Absorption im menschlichen Körper. Der Test zielt darauf ab, zwischen verschiedenen Ursachen eines Vitamin-B12-Mangels zu differenzieren, einschließlich:
- Mangel an Intrinsic Factor, was typisch für die perniziöse Anämie ist.
- Störungen der Resorption im terminalen Ileum, wie sie bei Darmkrankheiten wie Morbus Crohn oder nach chirurgischen Eingriffen auftreten können.
- Einflüsse durch bakterielle Überwucherung oder Ernährungsdefizite.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Perniziöse Anämie − diese Anämieform (Blutarmut) wird verursacht durch einen autoimmunbedingten Mangel des Intrinsic Factors, der zur Reduktion des Serum-Vitamin B12 führt. Vitamin B12 ist von besonderer Bedeutung bei der DNA-Synthese, sodass es als Folge eines Mangels zur Ausbildung einer makrozytären Anämie (Synonym: megaloblastäre Anämie; hyperchrome makrozytäre Anämie; infolge von Vitamin-B12-, Thiamin- oder Folsäuremangel ist die Produktion roter Blutkörperchen eingeschränkt) kommt. Zusätzlich treten neurologische Symptome auf, die auch als funikuläre Myelose (Synonym: funikuläre Spinalerkrankung; Entmarkungskrankheit (Degeneration des Hinterstranges, des Seitenstranges und eine Polyneuropathie/Erkrankungen des peripheren Nervensystems, die mehrere Nerven betreffen); Symptomatik: Ausfälle der Motorik und Sensibilität, die sich bis zu einer Querschnittlähmung verschlimmern können; Enzephalopathie (krankhafte Zustände des Gehirns) unterschiedlichen Ausmaßes) bezeichnet werden.
Die Ursache für das Auftreten einer perniziösen Anämie stellt die Bildung von Auto-Antikörpern gegen die Belegzellen und den Intrinsic Factor im Rahmen einer chronischen Autoimmungastritis dar. Bei der Durchführung des Schilling-Tests mit Zugabe des Intrinsic Factors zeigt sich eine normalisierte Vitamin-B12-Aufnahme. - Zustand nach partieller Magenresektion − eine Entfernung eines Teils des Magens kann bei zu geringer Zahl der Intrinsic Factor-produzierenden Belegzellen zu einer nicht adäquaten Freisetzung des Faktors führen, sodass im terminalen Ileum nicht ausreichend Vitamin B12 aufgenommen werden kann. Auch Veränderungen des pH-Werts können zur Minderaufnahme vom Vitamin B12 führen. Bei der Durchführung des Schilling-Tests mit Zugabe des Intrinsic Factors zeigt sich auch in diesem Fall eine normalisierte Vitamin-B12-Aufnahme.
- Funktionsstörung des Intrinsic Factors − beim Vorliegen einer Funktionsstörung unterschiedlicher Genese (Ursprung) zeigt sich bei der Durchführung des Schilling-Tests mit Zugabe des Intrinsic Factors eine normale Vitamin-B12-Aufnahme.
- Bakterielle Dünndarmbesiedlung − bei einer bakteriellen Überwucherung des Dünndarms lässt sich bei der Durchführung des Schilling-Tests mit Zugabe des Intrinsic Factors keine normale Vitamin-B12-Aufnahme erreichen, da auch der zugeführte Faktor im terminalen Ileum nicht aufgenommen werden kann.
- Chronische Entzündung im Ileum − im Rahmen einer entzündlichen Darmerkrankung wie dem Morbus Crohn treten häufig Vitaminmangelerscheinungen auf. Der Schilling-Test wird durch die Zugabe des Intrinsic Factors jedoch nicht normalisiert.
- Verdacht auf Mangelernährung − die Ursache für einen Vitamin-B12-Mangel kann auch eine Diät mit reduzierter Vitaminaufnahme sein. Bei der Durchführung des Schilling-Tests ist demnach bei Zugabe des Intrinsic Factors ein normalisiertes Testergebnis zu erreichen.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Absolute Kontraindikationen
- Gravidität (Schwangerschaft)
Vor der Untersuchung
- Absetzen von Medikamenten − aufgrund einer Beeinflussung müssen, sofern möglich, alle Medikamente abgesetzt werden, die die Vitamin-B12-Aufnahme beeinflussen können.
- Ausschluss von vorheriger Gabe von radioaktiven Substanzen − vor der Durchführung des Schilling-Tests muss ein adäquater zeitlicher Abstand zur Verabreichung radioaktiver Substanzen und Kontrastmitteln gewährleistet werden, um eine Verfälschung des Messergebnisses ausschließen zu können.
- Nahrungsverzicht – um eine aussagekräftige Untersuchung gewährleisten zu können, muss der Patient nüchtern zur Testdurchführung erscheinen.
- Applikation des radioaktiven Vitamins B12 – nach erfolgter Blasenentleerung vor Testbeginn wird dem Patienten 1 µg radioaktiv markiertes Vitamin B12 oral verabreicht.
Das Verfahren
Im Anschluss an die Verabreichung der radioaktiven Substanz wird die Sammelperiode des Urins für 24 Stunden begonnen. Für eine Zeitperiode von 2 Stunden nach Aufnahme des radioaktiven Vitamins B12 muss der Patient nüchtern bleiben. Als Ausschwemmungsdosis werden nach 2 Stunden 1.000 µg Cyanocobalamin (Vitamin B12) intramuskulär appliziert. Zur Auswertung des Schilling-Tests wird die Radioaktivität mithilfe eines Szintillationszählers im 24-Stunden-Sammelurin gemessen. In Abhängigkeit von der Indikation kann die Untersuchung mit Zugabe des Intrinsic Factors erfolgen.
Mögliche Befunde des Schilling-Tests
Die Ergebnisse des Schilling-Tests können wie folgt interpretiert werden:
- Normaler Befund: Normale Aufnahme von markiertem Vitamin B12 im Urin, sowohl mit als auch ohne Zugabe des Intrinsic Factors. Dies deutet auf eine normale Funktion der Magen-Darm-Absorption von Vitamin B12 hin.
- Abnormale Befunde:
- Reduzierte Urinausscheidung ohne Intrinsic Factor und Normalisierung mit Intrinsic Factor: Dies deutet auf einen Intrinsic Factor-Mangel hin, häufig verursacht durch perniziöse Anämie oder andere Schädigungen der Magenschleimhaut.
- Reduzierte Urinausscheidung sowohl mit als auch ohne Intrinsic Factor: Dies kann auf eine Erkrankung oder chirurgische Entfernung des terminalen Ileums ( letzte Abschnitt des Dünndarms) oder auf andere Malabsorptionssyndrome hindeuten.
- Unverändert niedrige Urinausscheidung trotz Zugabe des Intrinsic Factors bei bakterieller Überwucherung oder entzündlichen Darmerkrankungen: Dies zeigt an, dass auch der zugeführte Intrinsic Factor nicht korrekt aufgenommen werden kann.
Nach der Untersuchung
Eine ausreichende Trinkmenge von 1,5-2 l Flüssigkeit pro Tag ist wichtig zur Elimination des radioaktiven Vitamins B12.
Mögliche Komplikationen
Die Strahlenbelastung durch die verwendete radioaktive Substanz ist eher, als gering einzustufen. Trotzdem ist das theoretische Risiko eines strahleninduzierten Spätmalignoms (Leukämie oder Karzinom) erhöht, sodass eine Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte.
Durch eine reduzierte Blasenentleerung kann die Strahlenexposition deutlich höher sein als im Normalfall. Aufgrund dessen sollte insbesondere in der Anamnese auf Anomalien der Blasenentleerung eingegangen werden.
Literatur
- Hermann W, Obeid R: Ursachen und frühzeitige Diagnostik von Vitamin B12-Mangel. Dtsch Ärtzbl. 2008. 105:680-685
- Schrempf R: Stoffwechselaktives, Transcobalamin II-gebundenes Vitamin B12 im Vergleich zum gesamten Vitamin B12: Ein neuer Labortest. Dissertation. 2004.
- Neumeister B: Klinikleitfaden Labordiagnostik. Urban & Fischer Verlag 2008
- Hallbach J: Klinische Chemie und Hämatologie für den Einstieg. Georg Thieme Verlag 2006
- Dörner K: Klinische Chemie und Hämatologie. Georg Thieme Verlag 2009