Wechseljahre des Mannes (Andropause) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Andropause, auch als "partielles Androgendefizit des alternden Mannes" (PADAM) bezeichnet, ist durch eine schrittweise Abnahme der Produktion männlicher Sexualhormone, insbesondere Testosteron, charakterisiert. Neben Testosteron sind auch Pregnenolon, Dehydroepiandrosteron (DHEA) und Androstendion betroffen. Anders als bei der Menopause, bei der es zu einem abrupten Abfall der Hormonproduktion kommt, verläuft der Rückgang der Androgensynthese beim Mann kontinuierlich und langsamer.

Mechanismen der Hormonabnahme:

  • Reduzierte Leydig-Zell-Funktion: Der Hauptgrund für den Testosteronabfall ist die abnehmende Anzahl und Funktion der Leydig-Zellen im Hoden, die für die Testosteronproduktion verantwortlich sind. Mit dem Alter verlieren diese Zellen ihre Fähigkeit, Testosteron in ausreichender Menge zu synthetisieren. Ferner geht die tageszeitliche Schwankung der Testosteronproduktion verloren, was insbesondere zu einem Rückgang der morgendlichen Testosteronspitzen führt.
  • Eingeschränkte Hodenreaktion auf gonadotrope Stimulation: Im Alter vermindert sich die Fähigkeit des Hodens, auf die Stimulation durch das luteinisierende Hormon (LH) und humanes Choriongonadotropin (hCG) zu reagieren. Diese verminderten Reaktionen auf exogene Stimulation resultieren in einer eingeschränkten Testosteronproduktion.
  • Dysregulation des hypothalamisch-hypophysären Regelkreises: Im Hypothalamus-Hypophysen-Regelkreis kommt es im Alter zu einer verminderten Sensibilität gegenüber Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH). Dies führt zu einem abgeschwächten LH- und FSH-Anstieg, was die Testosteronproduktion weiter verringert. Die Hypothalamus-Hypophysen-Achse spielt somit eine zentrale Rolle im altersbedingten Hormonrückgang.
  • Erhöhte SHBG-Konzentration: Mit zunehmendem Alter steigt die Konzentration des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG) im Serum. SHBG bindet Testosteron und macht es biologisch inaktiv. Ein Anstieg des SHBG-Spiegels führt zu einer Verringerung des freien, bioverfügbaren Testosterons, obwohl der Gesamt-Testosteronspiegel eventuell im Normbereich bleiben kann. Dies erklärt, warum Männer im Alter trotz eines normalen Testosteronspiegels Symptome eines Testosteronmangels entwickeln können.

Langfristige Hormonveränderungen

Ab dem 40. Lebensjahr nimmt die Testosteronproduktion jährlich um etwa 1-2 % ab. Dies führt zu einem sukzessiven Rückgang der Androgenspiegel, ohne dass es zu einem plötzlichen Abfall kommt. Mit fortschreitendem Alter sind bis zu 50 % der Männer zwischen 50 und 70 Jahren von einem signifikant erniedrigten bioverfügbaren Testosteronspiegel betroffen. Es gibt jedoch eine erhebliche interindividuelle Variabilität: Manche Männer weisen auch im hohen Alter noch Normwerte auf, während andere bereits in jüngeren Jahren von einem ausgeprägten Testosteronmangel betroffen sind.

Testosteronspiegel und Tagesrhythmus

Der Testosteronspiegel bei einem erwachsenen Mann liegt im Normalfall zwischen 12 und 40 nmol/l (3,6 bis 12 ng/ml). Dieser Spiegel unterliegt einer tageszeitlichen Rhythmik, mit Spitzen am frühen Morgen und niedrigeren Werten am Abend. Bei älteren Männern wird die morgendliche Testosteronspitze abgeschwächt, was sich unter anderem in einem Rückgang der morgendlichen spontanen Erektionen widerspiegelt. Ab einem Alter von etwa 70 Jahren beträgt der Testosteronspiegel noch etwa zwei Drittel des Wertes eines jungen Mannes.

Partielle Androgeninsuffizienz

Wenn der Testosteronspiegel unter 12 nmol/l (3,6 ng/ml) fällt, spricht man von einem partiellen Androgen-Defizit, das zu verschiedenen Beschwerden führen kann. Diese umfassen sexuelle Funktionsstörungen, verminderte Libido, Erschöpfung, Muskelabbau, Osteoporose (Knochenschwund) und eine verminderte kognitive Funktion. Die Diagnose erfordert eine umfassende klinische Bewertung und eine Berücksichtigung der freien, bioverfügbaren Testosteronwerte.

Zusammenfassend ist die Andropause eine komplexe endokrinologische Veränderung, die durch multiple Faktoren wie reduzierte Leydig-Zell-Aktivität, veränderte Hypothalamus-Hypophysen-Funktion und erhöhte SHBG-Spiegel gekennzeichnet ist. Der Hormonmangel verläuft graduell und individuell unterschiedlich, was eine differenzierte klinische Herangehensweise erfordert.

Ätiologie (Ursachen)

Folgende Ursachen sind für die Andropause (Wechseljahre des Mannes) von Bedeutung:

Biographische Ursachen

  • Lebensalter – zunehmendes Alter (der bioaktive (freie) Testosteronspiegel* sinkt altersbedingt)
  • Hormonstörungen bei primärem Hypogonadismus – Erkrankungen, die mit einem Fehlen bzw. Mangel an Testosteron einhergehen, z. B. Fehlen von Testosteron bei angeborener Anorchie (fehlende Hoden); Testosteronmangel beispielsweise bei Kryptorchismus (Hodenhochstand) zum Beispiel Leisten- und Bauchhoden; schwere abgelaufene, beidseitige Orchitis (Hodenentzündung) in der Kindheit; Chromosomenanomalien wie Klinefelter-Syndrom (47,XYY; 48,XXYY; 48,XXXY; 49,XXXYY; 49,XXXXY)

    *Das bioaktive Testosteron sinkt ab dem 25. Lebensjahr um circa 1 %. Im Alter von 60-70 Jahren ist der vorhandene Hormonspiegel auf circa 40-50 % des in jungen Jahren vorhandenen Hormonspiegels abgefallen

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Dauerndes Fasten oder ständige Diäten – Führt zu einer unzureichenden Energiezufuhr, was die Testosteronproduktion negativ beeinflussen kann.
    • Unterernährung – Mangel an essenziellen Nährstoffen schwächt die hormonelle Regulation und reduziert die Bildung von Testosteron.
    • Vitamin- und Mineralstoffmangel (Mikronährstoff-Defizite) – Unzureichende Versorgung mit Vitamin D, Zink und Magnesium beeinträchtigt die Hormonproduktion und kann die Symptome der Andropause verstärken.
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol – Regelmäßiger übermäßiger Alkoholkonsum beeinträchtigt die Testosteronsynthese und fördert den Abbau von Hormonen durch die Leber.
  • Drogenkonsum
    • Amphetamine (indirektes Sympathomimetikum) – Kann die Hormonregulation stören und langfristig zu hormonellen Dysbalancen führen.
    • Cannabis (Haschisch und Marihuana) – Senkt die Testosteronproduktion und beeinflusst die Spermienqualität negativ.
    • Heroin und Opiate – Reduzieren die Testosteronspiegel signifikant und beeinträchtigen die endokrine Funktion.
    • Kokain – Beeinträchtigt die Hypothalamus-Hypophysen-Achse und führt zu hormonellen Störungen.
  • Körperliche Aktivität
    • Mangel an körperlichem Training – Reduzierte körperliche Aktivität führt zu Muskelabbau und einer verminderten Stimulation der Testosteronproduktion.
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress – Chronischer Stress erhöht die Cortisolproduktion, was die Testosteronbildung hemmt.
    • Längerfristige, erschöpfende Arbeit ("Burnout-Syndrom") – Überlastung und Erschöpfung beeinträchtigen die Hormonregulation und fördern Symptome der Andropause.
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
  • Androide Körperfettverteilung (Apfeltyp) – Abdominales/viszerales, stammbetontes Körperfett führt zu einer erhöhten Umwandlung von Testosteron in Östrogen durch die Aktivität des Enzyms Aromatase im Fettgewebe.
    • Hoher Taillenumfang bzw. erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ/WHR) – Erhöhte Werte korrelieren mit einem niedrigeren freien Testosteronspiegel.
    • Normwerte für den Taillenumfang:
      • Internationale Diabetes Federation (IDF, 2005): < 94 cm für Männer.
      • Deutsche Adipositas-Gesellschaft (2006): < 102 cm für Männer.

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung)
  • Diabetes mellitus
  • Chronische Infektionskrankheiten
  • Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), mittelgradige bis schwere
  • Dialysepflichtige Nierenerkrankungen im Endstadium
  • HIV / AIDS mit Sarkopenie (Muskelschwäche bzw. Muskelabbau)
  • Lebererkrankungen – Steatosis hepatis (Fettleber), Leberzirrhose
  • Metabolisches Syndrom – klinische Bezeichnung für die Symptomkombination Adipositas (Übergewicht), Hypertonie (Bluthochdruck), erhöhte Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) und Nüchterninsulin-Serumspiegels (Insulinresistenz) und Fettstoffwechselstörung (erhöhte VLDL-Triglyceride, erniedrigtes HDL-Cholesterin). Des Weiteren ist häufig auch eine Koagulationsstörung (vermehrte Gerinnungsneigung), mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien nachzuweisen.
  • Sekundärer Hypogonadismus – z. B. bei Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (Gonadotropine erniedrigt)

Medikamente – folgende Medikamente hemmen die Produktion bzw. die Wirkung von Testosteron

  • Antihypertensiva  Mittel gegen Bluthochdruck
  • Chemotherapeutika wie Vincristin, Methotrexat und Alkylanzien
  • Hormone wie beispielsweise:
    • Anabolika
    • Antiandrogene (Cyproteron/Cyproteronacetat, Flutamid)
    • Östrogene
    • Glucocorticoide
  • Opioide (opioidinduzierte Androgen-Defizienz (OPIAD); Opioid-induzierte Hypogonadismus, der durch niedrige Testosteronspiegel nach Opioideinnahme gekennzeichnet ist)
  • Psychopharmaka
  • Digitalis, Spironolacton, Ketoconazol, Cimetidin

Weiteres

  • Anorchie (angeboren, erworben; Fehlen oder vollständige Funktionsunfähigkeit beider Hoden)
  • Radiatio (Strahlentherapie)
  • Trauma