Prostatakarzinom – Medizingerätediagnostik

Zur Erstdiagnostik des Prostatakarzinoms spielen laut neuer Leitlinie die PSA-Blutdiagnostik und die Bildgebung mittels MRT eine zentrale Rolle, während die digital-rektale Untersuchung (DRU) nur noch ergänzend eingesetzt wird.

Obligate Medizingerätediagnostik

  • Transrektale Prostatasonographie (TRUS; Ultraschalldiagnostik von Prostata und Samenbläschen) inklusive Prostatabiopsie (Stanzbiopsie/Gewinnung zum Zweck einer histologischen/feingeweblichen Untersuchung) von zehn bis zwölf Gewebezylindern [S3-Leitlinie] – diese ist notwendig, wenn eine auffällige digital-rektale Untersuchung oder ein erhöhtes PSA vorliegt.
    Transperinalen Prostatabiopsie: Die optimale Zahl von Stanzen beträgt mindestens zwölf Stanzen, um keine klinisch relevanten Karzinome zu übersehen [5].
  • Multiparametrische MRT-Untersuchung (mpMRT); s. u. weitere Hinweise
    Beachte: Ein unauffälliges mpMRT (PI-RADS <3) birgt ein Restrisiko für signifikante Tumoren, sodass eine systematische Biopsie alternativ zur PSA-gestützten Kontrolle angeboten werden sollte [S3-Leitlinie].
  • PSMA-PET/CT (Positronenemissionstomographie (PET) wird mithilfe eines radioaktiven Markers, der das prostataspezifische Membranantigen (PSMA) erkennt, in Kombination mit einer Computertomographie (CT) durchgeführt.) 
    • Standard-Bildgebung zum PCA-Staging
    • bei Hochrisikopatienten ist eine Ausbreitungsdiagnostik vor Therapiebeginn essentiell 
    PSMA-PET/CT ist der konventionellen Bildgebung vor allem in Hinblick auf Spezifität und Sensitivität deutlich überlegen.

Weitere Hinweise

  • Beachte: "Für die Früherkennung eines Prostatakarzinoms sind bildgebende Verfahren als primäre Untersuchung nicht geeignet" [S3-Leitlinie].
  • Multiparametrische MRT-Untersuchung (mpMRT; außer der T1- und T2-Gewichtung wird die diffusionsgewichtete und eine dynamische MRT nach Kontrastmittelgabe vorgenommen) – Männer mit Verdacht auf ein Prostatakarzinom ohne Biopsie (Gewebeprobe) profitieren von einer mpMRT: die Spezifität betrug 59 Prozent (95 %-Konfidenzintervall: 54,5-63,3 %) und die Sensitivität 82,1 Prozent (95 %-Konfidenzintervall: 77,2-86,3 %) [3].
    Hinweis: Die mpMRT sollte nach geltender Leitlinienempfehlung in der Primärdiagnostik des Prostatakarzinoms eingesetzt werden.
    • Bei unauffälliger mpMRT (PI-RADS 1-2) kann auf die Durchführung einer Biopsie (Gewebeentnahme) verzichtet werden.
    • Wird ein auffälliges Areal (PI-RADS 3-5) identifiziert, soll nach aktueller S3-Leitlinie eine bildgesteuerte Biopsie dieses auffälligen Areals durchgeführt werden.
      • Aus einem auffälligen Areal sollten mindestens 2 (ggf. 3 bis 5) Stanzzylinder entnommen werden.
      • Bei auffälliger mpMRT sollte die gezielte Biopsie stets in Kombination mit einer systematischen Probenentnahme erfolgen.
    • Kontrolluntersuchungen: In der Regel ist ein Abstand von zwei Jahren angemessen, bei schnellerem Wachstum kann aber auch eine engere Kontrolle gerechtfertigt sein.
  • Eine MRT-basierte Untersuchung (Magnetresonanztomographie, MRT) kann – wie eine Studie zeigte – die Diagnostik bei Verdacht auf ein Prostatakarzinom verbessern, in dem diese klinisch relevante Tumoren präziser aufspürt und dazu beiträgt, dass unnötige Biopsien vermieden werden. In den Biopsieproben der MRT-Gruppe wurden bei 44 % aller Biopsien ein Tumor jeglicher Relevanz entdeckt, aber nur bei 18 % der Fälle einer TRUS-basierten Standardbiopsie [2].
  • Internationale multizentrische Studie zeigen, dass für den Endpunkt „vermiedene Biopsien“ ein statistisch signifikanter Effekt besteht: Bei 28 Prozent der Männer wurde wegen eines unauffälligen mpMRT-Befunds auf eine Biopsie verzichtet [4].
    Beachte: Eine normale mpMRT schließt ein Prostatakarzinom nicht aus, kann jedoch bei der Entscheidungsfindung nützlich sein, ob mit der Biopsie und der nachfolgenden Behandlung fortgefahren werden soll. 
  • Der Verzicht auf eine blinde Stanzbiopsie zugunsten einer MRT-gesteuerten Biopsie hat in einer randomisierten Studie zu folgendem geführt: In der MRT-gesteuerten Prostatabiopsie [7]:
    • kam es bei 66 von 11.986 Teilnehmern (0,6 %) zu einem klinisch nicht relevanten Befund gegenüber 145 von 5.994 Teilnehmern (1,2 %) in der Referenzgruppe*; relatives Risiko betrug 0,46, das mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,33 bis 0,64 statistisch nicht signifikant war.
    • wurden seltener klinisch relevante Karzinome gefunden (110 versus 126 Fälle). Das relative Risiko betrug 0,81 und war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,60 bis 1,10 statistisch nicht signifikant.
    Fazit: Der Verzicht auf eine blinde Stanzbiopsie zugunsten einer MRT-gesteuerten Biopsie kann die Zahl der klinisch nicht relevanten Prostatakarzinome halbieren und damit viele Über­diagnosen vermeiden.
    *Referenzgruppe: blinde Stanzbiopsie, bei der unter Ultraschallkontrolle 12 Proben aus allen Teilen der Prostata entnommen werden.

Fakultative Medizingerätediagnostik – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, körperlichen Untersuchung, Labordiagnostik und obligaten Medizingerätediagnostik – zur differentialdiagnostischen Abklärung (Tumorstaging/Stadienbestimmung bzw. Rezidivdiagnostik)

  • Röntgenaufnahme des Thorax (Röntgen-Thorax/Brustkorb), in zwei Ebenen zur Feststellung von Metastasen (Tochtergeschwülsten)
  • Skelettszintigraphie (nuklearmedizinisches Verfahren, das funktionelle Veränderungen des Skelettsystems darstellen kann, in dem regional (örtlich) pathologisch (krankhaft) erhöhte bzw. verminderte Knochenumbauprozesse vorliegen) – zum Nachweis von Knochenmetastasen bei Patienten mit einem histologisch gesicherten Prostatakarzinom und einem PSA-Wert von > 10 ng/ml oder einem Gleason-Score ≥ 8 oder einer T-Kategorie cT3/4 oder Knochenschmerzen [S3-Leitlinie]
  • Computertomographie (CT) des Abdomens (Abdomen-CT)/Beckens (Becken-CT) – zum Ausschluss von Lymphknotenbefall
  • Magnetresonanztomographie des Abdomens (Abdomen-MRT)/Beckens (Becken-MRT), bevorzugt als multiparametrische Magnetresonanztomographie (mpMRT; außer der T1- und T2-Gewichtung wird die diffusionsgewichtete und eine dynamische MRT nach Kontrastmittelgabe vorgenommen; hoher positiver Vorhersagewert wird die Notwendigkeit von Biopsien in der Zukunft möglicherweise deutlich reduzieren):
    • zur Primärdiagnostik
    • zum Ausschluss von Lymphknotenbefall 
    • als ergänzende bildgebende Diagnostik nach negativer Biopsie
    Hinweis: Das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) in Großbritannien hat das MRT in die Diagnostik des Prostatakarzinoms aufgenommen und als Biopsie-sparende Strategie empfohlen (s. u. "Obligate Medizingerätediagnostik")..
  • MRT-Ultraschall-Fusionsbiopsie (Synonym: MRT/Sonographie-gestützten Fusionsbiopsie) – dabei werden in Echtzeit die Ergebnisse einer Magnetresonanztomographie in das Ultraschallbild (TRUS-Bild; transrektaler Ultraschall) eingespielt, was eine gezieltere Biopsie von Prostatatumoren ermöglicht; dieses Vorgehen hat in einer großen prospektiven Studie die Erkennung von Hoch-Risiko-Karzinomen verbessert [1] 
    Eine Anzahl von 4 Biopsien (Gewebeentnahme) pro Target (Zielgebiet) sollte angestrebt werden. 
  • PSMA-PET/CT: Die Positronenemissionstomographie (PET) kann mithilfe eines radioaktiven Markers, der das prostataspezifische Membranantigen (PSMA) erkennt, gezielt Prostatakrebszellen nachgewiesen werden; das Verfahren wird in Kombination mit einer Computertomographie (CT) durchgeführt 
    • Nachweis von okkulten Prostatakarzinommetastasen ("verborgenen" Tochtergeschwülsten eines Prostatakarzinoms)
    • kann beim High-Risk Prostatakarzinom (Gleason-Score 8-10 oder T-Kategorie cT3/cT4 oder PSA ≥ 20 ng/ml) zur Ausbreitungsdiagnostik eingesetzt werden [S3-Leitlinie].
      • Primärdiagnostik des Hochrisiko-PCa (neuer Goldstandard)
    • Beachte: Auflösungsvermögen der PSMA-PET/CT: Lymphknoten, die ≤ 1 cm oder ≤ 0,5 cm klein sind, befinden sich unter der Auflösungsgrenze des Verfahrens [Gefahr falsch-negativer Befunde]
  • Zur Primärdiagnostik sollte nicht eingesetzt werden [S3-Leitlinie]:
    • Ultraschall-Elastographie – bildgebendes Verfahren, das gesundes und verhärtetes Gewebe zielgenau unterscheidet 
    • computergestützter Ultraschall (Histoscanning)

Prostata-Screening mittels multiparametrische MRT-Untersuchung

  • Bildgebung als primäre Screeningsuntersuchung unabhängig vom PSA-Wert: Bei 48 von insgesamt 303 mittels MRT – Untersuchung gescreenten Männern hat sich ein positiver Befund ergeben, 32 davon wiesen einen PSA-Wert unter 3 ng/ml auf. Bei 25 Fällen bestätigte sich ein klinisch relevantes Karzinom [8].
  • Beachte: Bei Männern mit begründetem Verdacht auf ein Prostatakarzinom, deren multiparametrische MRT-Untersuchung (mpMRT) einen unauffälligen Befund ergibt, ergibt die Standardbiopsie in rund 43 % eine Prostatakrebsdiagnose, in knapp 15 % die Diagnose eines klinisch signifikanten Karzinoms. Hier hilft zur Entscheidungsfindung als unabhängiger und signifikanter Prädiktor die PSA-Dichte, ist diese erhöht, (> 0,15 ng/ml), scheint eine bestätigende Prostatabiopsie angebracht zu sein [9].

Hinweise zur Rezidivdiagnostik 

  • PSMA-PET/CT: Die Positronenemissionstomographie (PET) kann mithilfe eines radioaktiven Markers, der das prostataspezifische Membranantigen (PSMA) erkennt, gezielt Prostatakrebszellen nach einem Rezidiv aufspüren; das Verfahren wird in Kombination mit einer Computertomographie (CT) durchgeführt [S3-Leitlinie].
    • Staging in der Rezidivsituation nach primär kurativer Therapie, womit selbst bei sehr niedrigen PSA-Werten Tumorrezidive nachweisbar sind
      Beachte: Es gibt Fälle mit PSMA-negativen Metastasen (Tochtergeschwülsten).
    • Kann okkulte Metastasen aufspüren, die in der konventionellen Bildgebung zumindest noch nicht eindeutig erkannt werden können.
  • PSMA-PET/CT mit einem Zirkonium-89 markierten Radiopharmakon hat in einer kleinen Stichprobe bei Patienten, die in der konventionelle PSMA PET/CTs alle negativ waren, Tumoren und Metastasen (Tochtergeschwülste) im Anfangsstadium erkennen können [6].
  • Im Rahmen der Rezidivdiagnostik nach Strahlentherapie soll keine PET/CT-Diagnostik erfolgen, wenn das PSA nicht mindestens 2 ng/ml ist.
  • Bei asymptomatischen Patienten mit biochemischem Rezidiv sollte bei einem PSA-Wert < 10 ng/ml keine Knochenszintigraphie durchgeführt werden [Empfehlungsgrad: B] [S3-Leitlinie]
  • Ganzkörper-Magnetresonanztomographie (Ganzkörper-MRT) – scheint zum Therapiemonitoring gut geeignet zu sein scheint; Therapieansprechen ist sowohl bei PSA-positiven, als auch bei PSA-negativen Metastasen geeignet; Dauer der Untersuchung bei Verwendung schneller Sequenzen in 30 bis 40 Minuten

Literatur

  1. Siddiqui MM et al.: Comparison of MR/Ultrasound Fusion – Guided Biopsy With Ultrasound-Guided Biopsy for the Diagnosis of Prostate Cancer. JAMA. 2015;313(4):390-397. doi:10.1001/jama.2014.17942.
  2. Kasivisvanathan V et al.: MRI-Targeted or Standard Biopsy for Prostate-Cancer Diagnosis. N Engl J Med 2018, online 19. März, https://doi.org/10.1056/NEJMoa1801993
  3. Otti VC et al.: The diagnostic accuracy of multiparametric magnetic resonance imaging before biopsy in the detection of prostate cancer. BJUI First published: 27 May 2018 https://doi.org/10.1111/bju.14420
  4. IQWiG: Prostatakrebs: Führt die Anwendung der Fusionsbiopsie im Vergleich zur Anwendung üblicher diagnostischer Verfahren zu besseren Behandlungsergebnissen? Version 1.1 2021
  5. Schaufler C et al.: How many cores are enough? Optimizing the transperineal prostate biopsy template. Urol Oncol 2022; https://doi.org/10.1016/j.urolonc.2021.11.026
  6. Rosar F et al.: 89Zr-PSMA-617 PET/CT May Reveal Local Recurrence of Prostate Cancer Unidentified by 68Ga-PSMA-11 PET/CT Clinical Nuclear Medicine: February 28, 2022 doi: 10.1097/RLU.0000000000004108
  7. Hugosson J et al.: Prostate Cancer Screening with PSA and MRI Followed by Targeted Biopsy Only Engl J Med 2022; 387:2126-2137 doi: 10.1056/NEJMoa2209454
  8. Moore CM et al.: Prevalence of MRI lesions in men responding to a GP-led invitation for a prostate health check: a prospective cohort study BMJ Oncology 2023;2:e000057. doi: 10.1136/bmjonc-2023-000057
  9. Dahl DM et al.: Clinical significance of prostate cancer identified by transperineal standard template biopsy in men with nonsuspicious multiparametric magnetic resonance imaging. Urol Oncol 2024; https://doi.org/10.1016/j.urolonc.2023.11.004

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Prostatakarzinom. (AWMF-Registernummer: 043 - 022OL), Mai 2024 Kurzfassung Langfassung