Prostatakarzinom – Körperliche Untersuchung
Eine umfassende klinische Untersuchung ist die Grundlage für die Auswahl der weiteren diagnostischen Schritte:
- Allgemeine körperliche Untersuchung – inklusive Blutdruck, Puls, Körpergewicht, Körpergröße; des Weiteren:
- Inspektion (Betrachtung)
- Haut und Schleimhäute [Lymphödeme durch Lymphknotenmetastasen; Anämie (Blutarmut)]
- Inspektion und Palpation (Abtasten) des Abdomens (Bauch), der Inguinalregion (Leistenregion; Untersuchung auf Leistenlymphknoten!) etc. (Druckschmerz?, Klopfschmerz?, Loslassschmerz?, Hustenschmerz?, Abwehrspannung?, Bruchpforten?, Nierenlagerklopfschmerz?)
- Inspektion und Palpation des Genitales (Penis und Hodensack); Beurteilung von
- Pubesbehaarung (Schamhaare), des Penis (Penislänge: im erschlafften Zustand zwischen 7-10 cm; Vorliegen von: Indurationen (Gewebeverhärtungen), Anomalien, Phimose/Vorhautverengung?)
- Hodenlage und -größe (ggf. mittels Orchimeter); ggf. der Schmerzhaftigkeit im Vergleich zur Gegenseite bzw. wo ist das Punctum maximum des Schmerzes
- Pubesbehaarung (Schamhaare), des Penis (Penislänge: im erschlafften Zustand zwischen 7-10 cm; Vorliegen von: Indurationen (Gewebeverhärtungen), Anomalien, Phimose/Vorhautverengung?)
- Digital rektale Untersuchung (DRU)*: Untersuchung des Rektums (Mastdarm) und der angrenzenden Organe mit dem Finger per Palpation (Beurteilung der Prostata in Größe, Form und Konsistenz, ggf. Nachweis von Indurationen (Gewebeverhärtungen)) [Typische Befunde beim Prostatakarzinom sind:
- Feste Konsistenz („holzhart“)
- Unregelmäßige oder höckerige Oberfläche
- Umschriebene Indurationen (Gewebeverhärtungen)
- Keine Abgrenzbarkeit zu Nachbarstrukturen
- Differentialdiagnosen: benigne Prostatahyperplasie (BPH; gutartige Prostatavergrößerung); chronische Prostatitis (Prostataentzündung); granulomatöse Prostatitis – Prostataentzündung mit Bildung von Granulomen (Gewebeknötchen) nach Sekretstau; Prostataabszess (Eiteransammlung in der Vorsteherdrüse); Prostatasteine]
- Feste Konsistenz („holzhart“)
- Inspektion (Betrachtung)
- Gesundheitscheck (als zusätzliche Nachsorgemaßnahme)
Hinweise zur digital-rektalen Untersuchung *
- Auf Grundlage der Daten der "Prostate, Lung, Colorectal, and Ovarian Cancer Screening Trial“ (PLCO)" ist der Einfluss der digital-rektalen Untersuchung (DRU) auf die Detektion von klinisch signifikanten Prostatakarzinomen bei Männern ≤ 75 Jahre gering: Es müssen über 1.000 Männer rektal getastet werden müssen, um ein klinisch signifikantes Prostatakarzinom zu finden [1].
- Die DRU sollte nicht als Prostatakarzinom-Screening-Test für junge Männer empfohlen werden. Außerdem verbessert die DRU nicht die Erkennung von im PSA-Screening entdeckten Prostatakarzinomen [4].
- Nachträglichen Auswertung der PLCO*-Studie:
- Männer mit einer positiven DRU entwickelten doppelt so häufig ein klinisch relevantes Prostatakarzinom wie Männer, die im Laufe der ersten Jahre bei der DRU stets unauffällig waren [2].
- Männern mit normalem PSA-Wert (definiert als < 2 ng/ml) und
- negativer DRU erkrankten in zehn Jahren 0,73 % an einem Prostatakarzinom
- positiver DRU erkrankten in zehn Jahren 1,5 % an einem Prostatakarzinom.
- Männer mit mittleren PSA-Werten (2-3 ng/ml) und
- negativer DRU erkrankten in zehn Jahren 3,5 % an einem Prostatakarzinom
- positiver DRU erkrankten in zehn Jahren 6,5 % an einem Prostatakarzinom
- Männer mit erhöhten PSA-Werten (> 3 ng/ml) und
- negativer DRU erkrankten in zehn Jahren 14 % an einem Prostatakarzinom
- positiver DRU erkrankten in zehn Jahren 23 % an einem Prostatakarzinom
- Systematischer Review und Metaanalyse: Die gepoolte Sensitivität der DRU (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Verfahrens erkannt wird, d. h. ein positiver Befund auftritt), die von Hausärzten durchgeführt wurde, betrug 0,51 (95 % CI, 0,36-0,67; I2 = 98,4 %) und die gepoolte Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, im Test auch als gesund erkannt werden) betrug 0,59 (95 % CI, 0,41-0,76; I2 = 99,4 %). Das gepoolte PPV (positive predictive value; positiver Vorhersagewert) betrug 0,41 (95 % CI, 0,31-0,52; I2 = 97,2 %) und der gepoolte NPV (negative predictive value; negativer Vorhersagewert) betrug 0,64 (95 % CI, 0,58-0,70; I2 = 95,0 %). Die mit GRADE (Grades of Recommendation Assessment, Development, and Evaluation) bewertete Evidenzqualität war sehr niedrig [3].
Beachte: Zur Erstdiagnostik des Prostatakarzinoms spielen laut neuer Leitlinie die PSA-Blutdiagnostik und die Bildgebung mittels MRT eine zentrale Rolle, während die digital-rektale Untersuchung (DRU) nur noch ergänzend eingesetzt wird.
*PLCO: Prostate, Lung, Colorectal and Ovarian
In eckigen Klammern [ ] wird auf mögliche pathologische körperliche Befunde hingewiesen.
Literatur
- Gohagan JK, Prorok PC, Hayes RB, Kramer BS: The Prostate, Lung, Colorectal and Ovarian (PLCO) Cancer Screening Trial of the National Cancer Institute: history, organization, and status. Control Clin Trials. 2000 Dec;21(6 Suppl):251S-272S.
- Halpern JA et al.: Utility of Digital Rectal Examination (DRE) as an Adjunct to Prostate Specific Antigen (PSA) in the Detection of Clinically Significant Prostate Cancer. J Urol 2017, online 20. Oktober. https://doi.org/10.1016/j.juro.2017.10.021
- Naji L et al.: Digital Rectal Examination for Prostate Cancer Screening in Primary Care: A Systematic Review and Meta-Analysis. Ann Fam Med 2018;16:149-154. https://doi.org/10.1370/afm.2205
- Krilaviciute A et al.: Digital Rectal Examination Is Not a Useful Screening Test for Prostate Cancer European Urology Oncology October 06, 2023 doi:https://doi.org/10.1016/j.euo.2023.09.008