Sterilität des Mannes – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung) 

Die männliche Sterilität entwickelt sich primär durch eine Störung der Spermatogenese (Samenzellbildung), die durch verschiedenste Mechanismen beeinträchtigt wird. Die Spermatogenese, der Prozess der Spermienreifung in den Hoden, ist ein hochkomplexer Vorgang, der durch eine präzise hormonelle Regulation gesteuert wird. Der Hauptpathomechanismus der männlichen Sterilität ist daher die Beeinträchtigung dieser hormonellen Regulation sowie der Zellproliferation und -differenzierung innerhalb der Hoden.

Beeinträchtigung der Spermatogenese

Die Spermatogenese erfolgt in den Hodenkanälchen (Tubuli seminiferi), wo die Vorläuferzellen (Spermatogonien) durch mehrere Reifungsstadien bis zu den ausgereiften Spermien differenzieren. Dieser Prozess wird durch verschiedene pathologische Mechanismen gestört:

  • Störung der Hodenarchitektur: Anatomische Defekte, wie eine Atrophie der Tubuli seminiferi, können den Prozess der Spermatogenese direkt unterbrechen. Dies ist häufig in Folge von Infektionen, Entzündungen oder genetischen Anomalien zu beobachten.
  • Fehlregulation der Sertoli-Zellen: Sertoli-Zellen spielen eine Schlüsselrolle bei der Ernährung und Unterstützung der reifenden Spermien. Pathologische Prozesse, die die Sertoli-Zellen betreffen, führen zu einer unzureichenden Unterstützung der Spermatogenese, was zu einer verminderten Spermienzahl oder -qualität führt.

Hormonelle Dysregulation

Die Spermatogenese wird durch die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse reguliert:

  • Hypothalamus-Hypophysen-Achse: Der Hypothalamus produziert GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon), welches die Freisetzung von LH (Luteinisierendes Hormon) und FSH (Follikel-stimulierendes Hormon) durch die Hypophyse stimuliert. LH wirkt auf die Leydig-Zellen in den Hoden und fördert die Testosteronproduktion. FSH hingegen stimuliert die Sertoli-Zellen und fördert damit die Spermatogenese. Eine Fehlfunktion dieser Achse – beispielsweise durch eine verminderte GnRH-Freisetzung oder eine beeinträchtigte Reaktion auf GnRH – kann zu einem Rückgang der Spermatogenese führen.
  • Testosteronmangel: Ein ausreichender Testosteronspiegel ist essenziell für die Spermatogenese. Durch eine gestörte Leydig-Zell-Funktion, die für die Testosteronproduktion verantwortlich ist, kann die Testosteronkonzentration im Hoden signifikant absinken, was die Reifung der Spermien beeinträchtigt.
  • Erhöhte SHBG-Spiegel: Mit zunehmendem Alter steigt der Spiegel des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG), welches das freie, bioaktive Testosteron bindet und damit die Konzentration des für die Spermatogenese verfügbaren Testosterons reduziert.

Oxidativer Stress und Apoptose

Der Prozess der Spermatogenese erfordert eine kontrollierte Umgebung. Oxidativer Stress durch exogene Toxine, Infektionen oder metabolische Dysregulationen kann zur Schädigung der DNA in Spermatogonien und reifenden Spermien führen. Zudem kann oxidativer Stress die Membranen und Proteine der Spermien angreifen, was zu erhöhter Apoptose (programmierter Zelltod) der Spermienvorläuferzellen führt. Dies resultiert in einer verminderten Spermienproduktion und schlechterer Spermienqualität.

Immunologische Mechanismen

Normalerweise sind Spermatozoen durch die Blut-Hoden-Schranke vor dem Immunsystem geschützt. Wenn diese Barriere beschädigt wird – zum Beispiel durch Traumata oder Entzündungen – können Antispermien-Antikörper gebildet werden, welche die Spermien angreifen und deren Motilität, Lebensfähigkeit oder Befruchtungsfähigkeit einschränken.

Genetische und epigenetische Mechanismen

Die Spermatogenese wird durch eine Vielzahl von Genen reguliert, die für die Zellteilung, Differenzierung und Hormonproduktion verantwortlich sind. Genetische Anomalien, wie Mikrodeletionen auf dem Y-Chromosom (insbesondere im AZF-Regionen), führen zu einer direkten Störung der Spermatogenese. Ferner spielen epigenetische Veränderungen eine Rolle, die die Genexpression beeinflussen können, ohne die DNA-Sequenz selbst zu verändern.

Endokrine Dysfunktion

Eine Dysfunktion der endokrinen Regulation, die oft durch Krankheiten wie Hypogonadismus oder Schilddrüsenstörungen bedingt ist, kann die Spermatogenese beeinflussen. Die Schilddrüsenhormone spielen beispielsweise eine Rolle bei der Entwicklung der Hoden und der Regulation der Spermatogenese, sodass Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) oder Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) ebenfalls zu Fertilitätsproblemen führen können.

Zusammenfassung

Die Pathogenese der männlichen Sterilität ist komplex und umfasst verschiedene Mechanismen, die hauptsächlich die Spermatogenese betreffen. Hormonelle Dysregulationen, genetische Defekte, oxidativer Stress, immunologische Angriffe und anatomische Anomalien tragen zur Störung der Spermienproduktion und -reifung bei. Ein detailliertes Verständnis dieser Mechanismen ist essenziell, um zielgerichtete Diagnosen und Therapieansätze zu entwickeln.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung – inkl. genetische Anomalien (Häufigkeit: 4 % [14])
    • Störung der Spermatogenese
      • Azoospermie (völliges Fehlen von Samenzellen im Ejakulat) beim Klinefelter-Syndrom (Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) von ca. 1 : 500; genetische Erkrankung mit meist sporadischem Erbgang: numerische Chromosomenaberration (Aneuploidie) der Geschlechtschromosomen (Gonosomen-Anomalie), die nur bei Jungen bzw. Männern auftritt; in der Mehrzahl der Fälle durch ein überzähliges X-Chromosom (47, XXY) gekennzeichnet; klinisches Bild: Großwuchs und Hodenhypoplasie (kleiner Hoden), bedingt durch einen hypogonadotropen Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion); meist spontaner Pubertätsbeginn, jedoch schlechter Pubertätsfortschritt)
      • Azoospermie oder schwere Oligozoospermie (< 20 Mio. Spermatozoen pro Milliliter) durch das Auftreten von drei verschiedenen Mikrodeletionen auf dem langen Arm des Y-Chromosoms (AZFa, AZFb und AZFc/AZF = Azoospermiefaktor; Prävalenz der AZF-Deletionen beträgt unter infertilen Männer bis zu 1 %)
      • Azoospermie bzw. Meiosearrest durch Mutationen des TEX11-Gen [8]
      • Partielle Androgenresistenz (Synonyme: Partial androgen insensitivity syndrome, PAIS; Reifenstein-Syndrom) – genetische Erkrankung mit X-chromosomalem rezessiven Erbgang, bei der der Androgenrezeptor des Mannes nur unzureichend funktioniert; Individuum ist genetisch ein Mann (XY-Geschlechtschromosomen), die Geschlechtsorgane sind männlich ausdifferenziert und es werden auch Androgene gebildet; der Wirkort dieser Hormone, der Androgenrezeptor, funktioniert unzureichend oder gar nicht; Auswirkungen sind abhängig vom Grad der Androgenresistenz: sie reichen von einer Gynäkomastie, Hypospadie (angeborene Anomalie der Harnröhre; diese endet nicht an der Spitze der Eichel, sondern abhängig von der Schwere des Grades an der Unterseite des Penis), Mikropenis (kleiner Penis), Azoospermie (Fehlen von Samenzellen im Samen) und/oder Kryptorchismus (Hodenhochstand) oder Leistenhoden bis einer testikulären Feminisierung, d. h. die Ausbildung männlicher Geschlechtsmerkmale (Penis, Behaarungstypus etc.) unterbleibt vollständig, die Personen wachsen als Mädchen auf
    • Anatomische Faktoren
      • Obstruktion (Verengung bzw. Verschluss) der Samenleiter: Die sogenannte CBAVD (congenitale bilaterale Aplasie des vas deferens/angeborenes beidseitiges Fehlen des Samenleiters) wird durch Mutationen im CFTR-Gen verursacht und ist eine genitale Form bzw. Minimalvariante der Mukoviszidose (Synonym: zystische Fibrose, ZF; engl. cystic fibrosis, CF).
    • Hormonelle Faktoren
      • Kongenitaler hypogonadotroper Hypogonadismus (isoliert [IHH]
      • Kallmann-Syndrom (Synonym: olfaktogenitales Syndrom) – genetische Erkrankung, die sowohl sporadisch auftreten, als auch autosomal-dominant, autosomal-rezessiv und X-chromosomal-rezessiv vererbt werden kann; Symptomkomplex aus Hypo- bzw. Anosmie (verminderter bis fehlender Geruchssinn) in Verbindung mit Hoden- bzw. Ovarialhypoplasie (mangelhafte Entwicklung des Hodens bzw. der Eierstöcke); Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) bei Männern 1 : 10.000 und bei Frauen 1 : 50.000
  • Lebensalter – Abnahme der natürlichen Fertilität durch Alterung – ab dem 40. Lebensjahr langsam beginnend:
    • Spermatozoendichte (Samenzelldichte) ↓
    • Motilität (Beweglichkeit) der Spermatozoen ↓
    • Anzahl abnormer Spermatozoen ↑
    • Chromosomale Veränderungen ↑

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung 
    • Fehlernährung nicht vollwertige, vitalstoffarme* Ernährung; zu hohe Zufuhr gesättigter Fettsäuren, enthalten in Süßigkeiten, Knabbereien, Fertigmayonnaisen, Fertigdressings, Fertiggerichte, frittierte Speisen, panierte Speisen [3]
    • Hoher Konsum zuckerhaltiger Getränke – Der Median der Teilnehmer trank täglich ca. 220 ml zuckerhaltige Getränke; Männer, die davon am meisten konsumierten, hatten im Vergleich zu denen, die darauf verzichteten, zeigten folgende Spermaparameter/Laborparametern [16]:
      • 13,2 Millionen/ml niedrigere mediane Spermienkonzentration
      • Gesamtspermienzahl im Ejakulat war durchschnittlich um 28 Millionen niedriger
      • Inhibin-B-Spiegel war im Median um 12 pg/ml niedriger; Inhibin-B-FSH-Quotient um 9 Einheiten kleiner
        Hinweis: Der Inhibin-B-Spiegel korreliert beim Erwachsenen positiv mit der Samenzellzahl im Ejakulat und dem Hodenvolumen.
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol*,
    • Kaffee, schwarzer Tee
    • Tabak (Rauchen)**
  • Drogenkonsum (Häufigkeit: 8 % [14])
    • Cannabis (Haschisch und Marihuana)1+2 – Männer mit unerfülltem Kinderwunsch sollten für einige Monate auf den Konsum von Cannabisprodukten verzichten
    • Morphin2
    • Opiate2 – stark wirksame Schmerzmittel wie Morphin
  • Körperliche Aktivität
    • Exzessiver Sport
    • Schwere körperliche Arbeit [7]
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
    • Männer mit starkem Übergewicht haben ein erhöhtes Risiko für eine verminderte Aktivität der Hoden im Vergleich zu normalgewichtigen Männern; Adipositas begünstigt Hypogonadismus (Unterfunktion der Keimdrüsen); Adipositas hatte jedoch keinen Einfluss auf die Spermienproduktion  mit Ausnahme eines erhöhten DNA-Fragmentierungindex in der Gruppe der metabolisch ungesunden adipösen Männer [13].
    • 10 kg Übergewicht steigern das Risiko für Unfruchtbarkeit um 10 % [1]
  • Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor; vermehrtes Bauchfett führt zum Abfall des freien (biologisch aktiven) Testosterons 
    Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
    • Männer < 94 cm
    Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft veröffentlichte 2006 etwas moderatere Zahlen für den Taillenumfang: < 102 cm bei Männern.
  • Untergewicht
  • Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs: Frauen, die während des Corona-Lockdowns ihre reproduktionsmedizinische Behandlung unterbrechen mussten, wurden innerhalb von zwei Monaten in 8 % der Fälle schwanger. Im Vergleich zu den Paaren, die nicht spontan schwanger geworden waren, waren die schwanger gewordenen Frauen jünger (35,7 vs. 37,7 Jahre) und hatten sich bisher nicht so lange mit der Erfüllung ihres Kinderwunsches beschäftigt (2,4 vs. 3,6 Jahre). Die schwanger gewordenen Frauen waren sexuell aktiver gewesen als ihre Geschlechtsgenossinnen, die nicht schwanger geworden sind (3,6 vs. 1,9 x Geschlechtsverkehr/per Woche; der Unterschied war statistisch signifikant) [15].

1Oligozoospermie (< 20 Mio. Spermatozoen pro Milliliter) bzw. gestörte Spermatogenese (Samenzellbildung) 
2Verminderte Testosteronproduktion

*Alkoholkonsum
Alkoholkonsum kann die Fruchtbarkeit des Mannes und der Frau beeinträchtigen: Sexualhormone können aufgrund alkoholbedingter Leberschädigungen nicht mehr entsprechend abgebaut werden und führen zur hormonellen Störung auf der Ebene Hypothalamus (Hypophyse), das heißt auf der Ebene von Zwischenhirn und Hirnanhangsdrüse.
Erhöhter Alkoholkonsum kann so zu einer schlechteren Qualität der Samenzellen führen: Die Samenzelldichte wird reduziert und der Anteil der fehlgebildeten Samenzellen nimmt zu. Des Weiteren führt erhöhter Alkoholkonsum zur Beeinträchtigung der Libido, das heißt der sexuellen Lust.
Nebenbei: Hoher Alkoholkonsum Mann > 60 g/Tag; Frau > 40 g/Tag hohe Alkoholkonzentrationen führen nachweislich zur Hirnatrophie [4] Samen- und Eizellen werden schon bei wesentlich kleineren Alkoholkonzentrationen geschädigt!

**Tabakkonsum
Mann: Rauchen kann zur Einschränkung der Beweglichkeit von Samenzellen führen und damit die Befruchtungschancen vermindern. Des Weiteren konnte nachgewiesen werden, dass Histone und Protamine (verantwortlich für die Verpackung und Stabilität der DNA-Erbinformation in den Spermien) bei Rauchern in einer deutlich reduzierten Konzentration vorkommen als bei Nichtrauchern. Dieses kann dazu führen, dass es zu keiner oder nur unvollständigen Befruchtung der Oozyte (Eizelle) kommt und damit zu einer Subfertilität [6].

Hormonelle Störungen (selten)

  • Hypothalamisch-hypophysäre Störungen (hormonelle Störungen) als Ursache einer gestörten Spermatogenese (Samenzellbildung) sind selten:
    • Primärer Hypogonadismus
    • Sekundärer Hypogonadismus: niedrige Gonadotropinspiegel, etwa wegen Hypophysenadenom oder wegen eines hypothalamischen Tumors (Häufigkeit: 10 % [14])
    • Hyperprolaktinämie (Erhöhung des Prolaktinspiegels im Blut)
    • Genetische Ursachen: Mikrodeletionen am Y-Chromosom mit folgender Azoospermie (fehlen von Samenzellen) oder Oligospermie (verminderte Samenzelldichte), etwa Klinefelter-Syndrom.
    • Auszuschließen sind unter anderem auch Störungen der Schilddrüse und Nebennierenrinden-Tumoren

Organische (genitale) Ursachen

  • Testesschäden (Hodenschäden)
    • Gestörte Spermatogenese (Samenzellbildung) – u.a. wegen einer genetischen Anomalie (z. B. Klinefelter-Syndrom, Deletionen des Y-Chromosoms))
    • Hodenhypoplasie – Unterentwicklung des Hodengewebes
    • Hodenverletzungen (z. B. Zust. n. Hodentorsion)
    • Maldescensus testis (Kryptorchismus, Hodenhochstand) (Häufigkeit: 8 % [14])
    • Mumpsorchitis (Mumps-bedingte Hodenentzündung) – Mumps oder "Ziegenpeter" verläuft in der Mehrzahl der Fälle ohne schwere Komplikationen. Daher gilt Mumps in der Bevölkerung als "harmlose Kinderkrankheit". Als Komplikation im Kindesalter tritt jedoch die Mumps-Meningitis und nach der Pubertät die Mumps-Orchitis auf.
    • Sexuell übertragbare Infektionen (STI; engl. Sexually Transmitted Infections)
      • Chlamydien (Chlamydieninfektion): Urethritis (Harnröhrenentzündung), Prostatitis (Prostataentzündung), Epididymitis (neben Hodenentzündung) und Epididymoorchitis (Entzündung des Nebenhodens und des Hodens); direkte Schädigungen der Spermatozoen (Samenzellen); Alteration der Samenwege des männlichen Genitaltrakts)
      • Gonokokken (Gonorrhoe): Epididymitis, Epididymoorchitis
      • gentiale Mykoplasmen und Ureaplasmen; Beeinträchtigung der Spermaqualität durch Ureaplasma urealyticum ist möglich
      • Cytomegalie Viren (CMV): kann möglicherweise zu einer Orchitis (Hodenentzündung) führen
      • Hepatitis B: Patienten haben häufiger reduzierte Spermaparameter (u. a. Spermatozoenkonzentration, Progressivmotilität und Morphologie)
      • Hepatitis C: Patienten haben häufiger reduzierte Spermaparameter (u. a. Ejakulatvolumen, Motilität)
      • Herpes-simplex-Virus (HSV-Infektion): kann durch Aszension die Fertilität beeinträchtigen
      • HIV (HIV-Infektion): Patienten haben häufiger reduzierte Spermaparameter (u. a. Ejakulatvolumen, Spermatozoenkonzentration, Motilität)
      • humanes Papilloma-Virus (HPV-Infektion): persistierende HPV-Infektion könnte möglicherweise ein Risikofaktor für eine reduzierte Fertilität sein
    • Spermatogenese-schädigende Faktoren (Genussgifte; Röntgenstrahlung/ionisierende Strahlung, Hitze; Medikamente, Umweltgifte; Allgemeinerkrankungen – s. u. extragenitale Ursachen)
    • Varikozele (Synonyme: Varicocele testis; Krampfaderbruch) (Häufigkeit: 37 % [14]) – varizenartig erweiterte Venen des Plexus pampiniformis; meist auch mit Hoden- und Nebenhodentiefstand auf der betroffenen Seite; klinisches Bild: Schweregefühl und zunehmende Schwellung im Skrotalfach besonders im Stehen; mögliche Beeinträchtigung der Fertilität infolge von Überwärmung des Hodens
      Operationsindikation: Varikozelektomie, wenn neben der Varikozele auch ein verkleinerter Hoden vorliegt. Als Grenzwert gilt ein Hoden-Atrophie-Index (testicular atrophy index, TAI) von 20 %, was bedeutet, dass ein Hoden 20 % kleiner ist als der andere; ein weiterer Faktor ist ein Volumenunterschied von mindestens 2 ml zwischen beiden Hoden.
  • Posttestikuläre Störungen (inkl. Störungen des Samentransports)
    • Obstruktionen (anlagebedingt, inkl. CBAVD; erworben); durch eine angeborene beidseitige Aplasie (“Nichtausbildung“) des Ductus deferens/Samenleiter (isoliert oder als Teilmanifestation der zystischen Fibrose/Mukoviszidose), nach Operation einer Leistenhernie (Leistenbruch) oder Hodentorsion (Stieldrehung von Hoden und Nebenhoden mit Unterbrechung der Blutzirkulation), Hydrozele (übermäßige Flüssigkeitsansammlung im Hodensack)
    • Infektionen (Chlamydien, Mycoplasmen und Ureaplasmen; Streptococcus viridians und Haemophilus parainfluenzae)/Entzündungsreaktionen (Samenwege/akzessorische Drüsen), wie Urethritis (Harnröhrenentzündung), Epididymitis (Nebenhodenentzündung), Prostatitis (Prostataentzündung) (eine der häufigsten Ursachen männlicher Fertilitätsstörungen; Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) ca. 8-15 %); obstruktive (verschlussbedingte) Azoospermie durch eine direkte Schädigung des Hodens im Rahmen der genannten Urogenitalinfektionen (Häufigkeit: 3 % [14])
      Eine Epididymitis führt in 10 % der Fälle zu einer dauerhaften Azoospermie und in 30 % der Fälle zu einer Oligospermie (verminderte Anzahl von Spermien im Ejakulat); in ca. 60 % der Fälle tritt zudem eine Hodenbeteiligung auf (in solchen Fällen ist die Hodenatrophie mit dauerhaftem Verlust der Spermatogenese (Samenzellbildung) eine gefürchtete Komplikation) [10].
    • Nebenhodenfunktionsstörungen
    • Immunologische Faktoren (Spermatozoen-Autoantikörper)
  • Störungen der Samendeposition
    • Emissions- und Ejakulationsstörungen
    • Erektile Dysfunktion (ED, Erektionsstörung)
    • Hypospadie (angeborene Anomalie der Harnröhre; diese endet nicht an der Spitze der Eichel, sondern abhängig von der Schwere des Grades an der Unterseite des Penis)
    • Penisdeformationen (Peniskrümmung)
    • Phimose (Vorhautverengung)

Krankheitsbedingte (extragenitale) Ursachen  

  • Diabetes mellitus kann zu Erektions- und Ejakulationsstörungen führen sowie Ursache eines Hypogonadismus sein
  • Fieberhafte Infekte beispielsweise Bronchitiden (Entzündungen der Bronchien), Sinusitiden (Nasennebenhöhleninfektionen) können über eine erhöhte Hodentemperatur zur Störung der Spermatogenese (Samenzellbildung) führen
  • Geschlechtskrankheiten Gonorrhoe, Syphilis
  • Hypophysentumor (Tumor der Hirnanhangsdrüse), Prolaktinom (→ Hyperprolaktinämie)
  • Idiopathische Sterilität – in ca. 30 % der Fälle des Mannes [14]; bei 15 % Prozent der Fälle kann die Ursache der Sterilität weder beim Mann noch bei der Frau nachgewiesen werden.
  • Lebererkrankungen können Ursache eines sekundären Hypogonadismus sein
  • Niereninsuffizienz
  • Schilddrüsenerkrankungen
  • Urotuberkulose die Tuberkulose der Geschlechtsorgane kann zu einer Beeinträchtigung der Spermatogenese (Samenzellbildung) führen

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Folsäuremangel (Folsäure < 2 ng/ml) – Männer mit hoher Folat-Aufnahme haben in geringerer Häufigkeit eine Aneuploidie (Genommutation, im Sinne einer numerischen Chromosomenaberration, bei der einzelne Chromosomen zusätzlich zum üblichen Chromosomensatz vorhanden sind) der Spermatozoen (Samenzellen) [2]
  • Durchschnittlich niedrigere Spiegel von Testosteron und Sexualhormon-bindendem Globulin (SHBG) und höhere Estradiol-Werte im Blut bei adipösen Patienten im Vergleich zu nicht adipösen, metabolisch Gesunden [13].

Medikamente

  • Antibiotika1
    • Anthracycline
    • Cotrimoxazol
    • Gentamycin
    • Sulfonamide
  • Antihypertensiva (können zu einer Beeinträchtigung der Spermatogenese (Samenzellbildung) und der Erektion führen)
    • Alpha-1-Rezeptorenblocker2 – Doxazosin, Prazosin, Terazosin
    • Betablocker (Betarezeptorenblocker)3 – Atenolol, Betaxolol, Bisoprolol, Carvedilol, Celiprolol, Metoprolol, Nadolol, Nebivolol, Oxprenolol, Pindolol, Propranolol
    • Reserpin3
  • Antidepressiva (Störungen der Emission/Ejakulation)
    • Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) – Fluoxetin2, Sertralin2
    • Trizyklische Antidepressiva (nichtselektive Monoamin-Wiederaufnahme-Hemmer, NSMRI) – Doxepin2, Opipramol2
    • Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) – Duloxetin2, Venlafaxin2
  • Antiepileptika (Pregabalin2, Primidon3); Störungen des Testosteronmetabolismus
  • Anxiolytika2
  • Benzodiazepine (Störungen der Libido)
  • Haarwuchsmittel (Finasterid3)
  • Hormone
    • Glucocorticoide3
    • Sexualhormone (Testosteron, Anabolika)
  • Ketoconazol (Störungen der Androgenbiosynthese)3
  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) – Ibuprofen (Testosteron/LH-Verhältnis als Funktion der Leydigzellen ↓) [12]
  • Prostatamittel2 (Dutasterid, Finasterid)
  • Rauwolfia3
  • Spironolacton (Androgenrezeptorantagonisten)
  • Zytostatika1 (Substanzen, die das Zellwachstum bzw. die Zellteilung hemmen) – z. B. Busulfan, Chlorambucil, Alkylanzien (Cyclophosphamid), Methotrexat (MTX)

1Oligozoospermie (< 20 Mio. Spermatozoen pro Milliliter) bzw. gestörte Spermatogenese (Samenzellbildung)
2Ejakulationsstörungen inkl. vermindertes Ejakulatvolumen
3Verminderte Testosteronproduktion
Medikamente, die zu Erektionsstörungen führen können, finden Sie unter der Krankheit "Erektile Dysfunktion (ED) bzw. Erektionsstörungen".

Röntgenstrahlen

  • Radiatio (Strahlentherapie) des kleinen Beckens/der Fortpflanzungsorgane oder des Hypothalamus/Hypophyse (Hirnanhangsdrüse)

Operationen

  • Operationen wegen Hodenhochstand, Hernia inguinalis (Leistenbruch)

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Ionisierende Strahlen
  • Elektromagnetische Felder:
    • Mikrowellenstrahlung (Radarstation)
    • Häufige Nutzung von Mobiltelefonen reduziert die Spermienkonzentration (-21 %); Motilität und Morphologie der Spermien wurde jedoch nicht beeinflusst. Bei Wechsel von 2G auf 3G und von 3G auf 4G) wurde der Zusammenhang jedoch schwächer [17].
  • Überwärmung der Hoden Arbeit am Hochofen, Bäckerei, häufige Saunagänge; Sitzheizung im Auto: langes und häufiges Fahren mit beheizten Autositzen kann die Zeugungsfähigkeit mindern. Die Spermien werden in der Anzahl weniger (Oligozoospermie), langsamer (Asthenozoospermie) und sind häufiger fehlgebildet (Teratozoospermie) [Oligo-Astheno-Teratozoospermie, OAT-Syndrom]
  • Luftschadstoffe
    • Feinstaubgehalt (PM2,5) der Luft; Zunahme der Feinstaub­konzen­tration um jeweils 5 µg/m3 [11]
      • Rückgang der Spermien mit normaler Form und Größe um 1,29 Prozent
      • Anteil der Spermien im untersten Zehnten der Spermienmorphologie stieg um 26 Prozent
      • leichte Zunahme der Spermienkonzentration
  • Umweltnoxen (Berufsstoffe, Umweltchemikalien):
    • Bisphenol A (BPA); auch die Ersatzstoffe Bisphenol F und S (BPF/BPS) greifen als endokrine Disruptoren (Xenohormone) in den Hormon­haushalt von Lebewesen ein [9]
    • Chlororganika (z. B. Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT), Dioxine, polychlorierte Biphenyle*, PCB)
    • Lösungsmittel (z. B. Glykolether; Kohlenstoffdisulfid)
    • Nichtionische Tenside (z. B. Alkylphenole)
    • Pestizide, Herbizide (z. B. Dibromchlorpropan (DBCP), Ethylendibromid)
    • Phthalate* (vor allem als Weichmacher für Weich-PVC)
    • Schwermetalle (Blei-, Quecksilber-Verbindungen)
    • Sonnenschutzmittel wie 4-Methylbenzylidencampher (4-MBC), Kunststoff-Weich­macher Di-n-butylphthalat (DnBP), das antibakteriell wirkende Triclosan (z. B. in Zahnpasta und Kosmetika) [5]
      Triclosan ist enthalten in Desinfektionsmitteln, Zahnpasta, Deodorants, Mundwasser, Seifen, Kosmetika, Händedesinfektionsmitteln, Haushaltsreiniger oder Waschmittel sowie in Textilien, Schuhen und Spielzeug.

*gehören zu den endokrinen Disruptoren (Synonym: Xenohormone), die bereits in geringsten Mengen durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen können.

Vor dem Beginn therapeutischer Maßnahmen wie beispielsweise einer künstlichen Befruchtung, auch In-vitro-Fertilisation (IVF) genannt – ist in jedem Fall – im Sinne einer ganzheitlichen fortpflanzungsmedizinischen Diagnostikein Gesundheitscheck für den Mann inklusive einer Vitalstoff-Analyse erforderlich.

Literatur

  1. Sallmen M et al.: Reduced fertility among overweight and obese men. Epidemiology. 17 (5): 520-523, Sept. 2006
  2. Young SS, Eskenazi B, Marchetti FM, Block G, Wyrobek AJ. The association of folate, zinc and antioxidant intake with sperm aneuploidy in healthy non-smoking men. Hum. Reprod 2008 Mai;23(5):1014-1022
  3. Attaman JA, Toth TL, Furtado J, Campos H, Hauser R, Chavarro JE: Dietary fat and semen quality among men attending a fertility clinic. Hum Reprod. 2012 May;27(5):1466-74. Epub 2012 Mar 13.
  4. Ding J, Eigenbrodt ML, Mosley TH Jr, Hutchinson RG, Folsom AR, Harris TB, Nieto FJ: Alcohol intake and cerebral abnormalities on magnetic resonance imaging in a community-based population of middle-aged adults: the Atherosclerosis Risk in Communities (ARIC) study. Stroke. 2004 Jan;35(1):16-21. Epub 2003 Dec 4.
  5. Schiffer C, Müller A, Egeberg DL, Brenker C, Rehfeld A, Frederiksen H, Wäschle B, Kaupp UB, Balbach M, Wachten D, Skakkebaek NE, Almstrup K, Strünker T: Direct action of endocrine disrupting chemicals on human sperm. EMBO reports (doi 10.15252/embr.201438869)
  6. Hamad MF et al.: Impact of cigarette smoking on histone (H2B) to protamine ratio in human spermatozoa and its relation to sperm parameters Article first published online: 14 JUL 2014 doi: 10.1111/j.2047-2927.2014.00245.x
  7. Eisenberg ML et al.: Relationship between physical occupational exposures and health on semen quality: data from the Longitudinal Investigation of Fertility and the Environment (LIFE) Study. doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.fertnstert.2015.02.010
  8. Yatsenko AN et al.: X-Linked TEX11 Mutations, Meiotic Arrest, and Azoospermia in Infertile Men. N Engl J Med 2015; 372:2097-2107May 28, 2015 doi: 10.1056/NEJMoa1406192
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